Jürgen Frese

Jürgen Frese
Jürgen Frese 2006

Jürgen Frese (* 14. April 1939 in Dortmund-Hörde; † 24. März 2007 in Bielefeld) war ein deutscher Sozialphilosoph und Phänomenologe und Professor an der Universität Bielefeld.

Inhaltsverzeichnis

Leben

Frese studierte Philosophie, Psychologie und Soziologie an der Universität Münster und war dann Assistent bei Hermann Lübbe in Bochum. Er promovierte 1966 in Soziologie bei Helmut Schelsky. Er gehörte zum Gründungsausschuss der Universität Bielefeld und unterrichtete hier seit 1970 Philosophie, zuletzt in der Funktion eines Studiendirektors im Hochschuldienst. Er habilitierte sich 1975 in Bochum für Philosophie und wurde 1978 zum außerplanmäßigen Professor an der Universität Bielefeld ernannt.

Wirken

Freses sozialphilosophischen Arbeiten wurden nur sehr selektiv rezipiert. Sie verbinden phänomenologische Kategorien mit prozessphilosophischen Ansätzen, insbesondere von Whitehead. Einzig der von ihm geformte Begriff der Anschlussfähigkeit, der vom Bielefelder Kollegen Niklas Luhmann aufgegriffen und popularisiert wurde, fand Eingang in das Fachvokabular der Sozialwissenschaften und der Philosophie (siehe Frese 1967, 50f und wortgleich Frese 1985, S. 77: „Der Sinn eines Aktes ist das als eine bestimmte Situation gegebene Ensemble der Möglichkeiten, an diesen Akt weitere Akte anzuschließen; d. h. Sinn eines Aktes ist die Mannigfaltigkeit der Anschließbarkeiten, die er eröffnet“). Anders als Luhmann baute Frese den Begriff aber nicht in eine Systemtheorie ein, sondern entwickelte ihn in seiner Theorie der Formulare weiter (dazu s.u.).

Frese untersuchte seit den frühen 1980er Jahren das Phänomen der Gruppe, und konnte nachweisen, dass diese keine soziale Naturgegebenheit darstellt, sondern eine soziale Erfindung, die nicht älter ist als 300 Jahre. Gruppen kompensieren in modernen Gesellschaften spezifische „Strukturprobleme bürgerlicher Individualität“, wie Frese 1982 (S. 24) feststellt. Sie sind daher in vormodernen Gesellschaften nicht oder zumindest nicht notwendig anzutreffen. Wie Gruppen intern funktionieren, hat Frese im selben Text nicht nur gründlich analysiert, er hat seine Begriffe und Thesen auch in einem späteren Text (2000), der die Resultate einer langjährigen Forschungsarbeit zusammenfasst, am Beispiel von Intellektuellen-Assoziationen (George-Kreis, Blaue Reiter, Wiener Kreis usw.) empirisch hinterlegt.

Während die Thesen Freses zur Geschichte des Phänomens „Gruppe“ breit rezipiert wurden, warten andere Begriffe und Thesen Freses noch auf ihre Rezeption. Dazu gehört insbesondere der Begriff des „Formulars“, mit dem Frese zunächst Erwartungsstrukturen bezeichnet. Der Begriff wird von ihm zum Begriff des mythischen Formulars erweitert: Ein solches Formular ist ein sinnstiftendes Erzählschema.

In seinen Studien zur Phänomenologie der Gefühle hat Frese die Bedeutung von Formularen für emotionale Prozesse dargestellt und mit Beispielen veranschaulicht. In Erweiterung und Präzisierung der Gefühlsphilosophie von Hermann Schmitz spricht er von Gefühlspartituren und entwickelt Begriffe für eine genauere Beschreibung und ein vertieftes Verständnis emotionaler Prozesse.

Unter den Denkern, mit denen Frese sich auseinandergesetzt hat, ist (neben Spinoza, Heidegger, Whitehead, Luhmann und Schmitz) insbesondere Carl von Clausewitz zu nennen. Nicht nur hat Frese in seiner eigenen Handlungstheorie neben whiteheadschen Ansätzen auch Anregungen von Clausewitz aufgenommen. Er hat auch, vor dem Hintergrund der Analysen von Clausewitz’ eine eigene Analyse des vermeintlich modernen Phänomens des „kleinen Krieges“ vorgelegt (2005).

Werke

  • Jürgen Frese: Sprechen als Metapher für Handeln, in: H. G. Gadamer (Hg.): Das Problem der Sprache. München 1967, S. 45-55.
  • Jürgen Frese: Dialektik der Gruppe. In: Gruppendynamik im Bildungsbereich. Jg. 9, Nr. 3/4, 1982, S. 5-33. (Mehrfach in weiteren Sammelbänden abgedruckt).
  • Jürgen Frese: Prozesse im Handlungsfeld. Klaus Boer Verlag, München 1985. ISBN 3-924963-06-1
  • Jürgen Frese: Gefühls-Partituren. In: Michael Großheim: Leib und Gefühl. Beiträge zur Anthropologie. Lynkeus, Studien zur Neuen Phänomenologie, Bd. 1, Berlin: Akademie Verlag, S. 45-70. ISBN 3-05-002715-0
  • Jürgen Frese: Intellektuellen-Assoziationen. In: Richard Faber, Christine Holste (Hgg.): Kreise, Gruppen, Bünde. Zur Soziologie moderner Intellektuellenassoziationen. Würzburg: Könighausen und Neumann, S. 441-462. ISBN 3-8260-1747-1.
  • Jürgen Frese: Im Rücken des Regulären. In: Lennart Souchon (Hg.): Kleine Kriege. Clausewitz-Information 1/2005, S. 15-33, ISSN 1615-1135.

Literatur

  • Manfred Bauschulte, Volkhard Krech, Hilge Landwehr (Hgg.): Wege – Bilder – Spiele. Festschrift für Jürgen Frese, Aisthesis Verlag, Bielefeld 1999, ISBN 3-89528-209-X. [1]

Weblinks


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