Kaliningrader Seeschifffahrtskanal

Kaliningrader Seeschifffahrtskanal
Der Königsberger Seekanal zu Beginn des 20. Jahrhunderts

Der Kaliningrader Seeschifffahrtskanal (russisch Калининградский морской судоходный канал/Kaliningradski morskoi sudochodny kanal; ursprünglich Königsberger Seekanal) ist ein 43 Kilometer (23 Seemeilen) langer Kanal zwischen dem Seehafen Kaliningrad und der Ostsee bei Baltijsk erstreckt.

Inhaltsverzeichnis

Verlauf und Allgemeines

Der Kanal beginnt bei den Molen an der Hafeneinfahrt nach Baltijsk (vor 1946 Pillau) und verläuft entlang der nördlichen Küste des Frischen Haffs in östlicher bis nordöstlicher Richtung. Er kreuzt die Fischhausener oder Schöne Wiek (Primorsker Bucht) und führt vorbei an den Hafenanlagen von Swetly, dem ehemaligen Fischerdorf Zimmerbude, bis zur Mündung des Pregel. Die Länge dieses Abschnitts beträgt 34 Kilometer; es folgen 9 Kilometer bis zum Seehafen Kaliningrad (Königsberg), auf denen der Pregel kanalisiert ist. Die nutzbare Breite des Kanals beträgt 50 bis 80 Meter, die Tiefe 9 bis 10,5 Meter.

Auf dem größten Teil seines Verlaufes durch das Frische Haff – mit Ausnahme des etwa fünf Kilometer langen Abschnittes durch die Fischhausener Wiek – ist der Kanal auf der Haffseite durch einen Damm vor dem Zuschwemmen der Fahrrinne geschützt. Der Damm wurde aus zwei Reihen eingeschlagener Rundpfähle mit einer Schüttung aus Steinblöcken errichtet und seine Festigkeit durch aus dem Kanal ausgehobenes Baggergut erhöht. Der Damm wurde mit Weiden und Erlen bepflanzt. Der Damm hat acht Öffnungen, um beispielsweise Fischereinfahrzeugen von den Häfen des nördlichen Ufers aus das schnelle Erreichen des offenen Haffs zu ermöglichen. Durch natürliche Sandablagerungen hat sich der Damm bis mittlerweile abschnittsweise auf bis zu 200 Meter, südwestlich von Swetly auf maximal 500 Meter verbreitert.

Der Kanal kann heute von Schiffen bis maximal 170 Meter Länge und 8,0 Meter Tiefgang auf seiner gesamten Länge bis Kaliningrad befahren werden. Auf 22,6 Kilometern bis zu den Hafenanlagen von Swetly mit einem Ölterminal von Lukoil beträgt die maximale Länge 200 Meter und der Tiefgang 9,4 Meter, was die Einfahrt von Tankern bis zu 20.000 BRT ermöglicht.[1]

Der Kanal ist ganzjährig befahrbar. In der Regel zwischen Januar und Ende März kann er von einer dünnen Eisschicht bedeckt sein; gegebenenfalls wird er von Eisbrechern frei gehalten.

In Baltijsk überquert eine Autofähre den Kanal, um das Erreichen der Frische Nehrung (russisch Weichsel- bzw. Baltische oder Baltijsker Nehrung) und des dort gelegenen Baltijsker Ortsteils Kossa (Neutief) zu ermöglichen. An der Kanaleinfahrt in Baltijsk steht ein Reiterstandbild der russischen Zarin Elisabeth (1709–1762), unter der russische Truppen im Siebenjährigen Krieg Ostpreußen zeitweise erobert hatten.

Geschichte

Als zum Ende des 19. Jahrhunderts die Seeschiffe immer größer wurden und ihr Tiefgang über 4 Meter zu gehen begann, verlor der Hafen von Königsberg die Bedeutung hinter den anderen Ostseehäfen. Das Umladen der Waren in Pillau auf kleinere Fahrzeuge verteuerte deren Preis durch Anstieg der Transportkosten. Anderseits war ein Vertiefen der Fahrrinne durch den Schlick und Sand des offenen Frischen Haffs praktisch nicht möglich. Deshalb wurde zwischen 1890 und 1901 der Königsberger Seekanal mit einer Fahrrinnentiefe von durchschnittlich 6,7 Meter und einer Breite bis zu 30 Meter gebaut. An drei Stellen des Kanals wurden Ausweichstellen von bis zu 60 Meter Breite für größere Seeschiffe vorgesehen. Der Kanal wurde am 15. November 1901 feierlich eröffnet. Gegenüber den 7,3 Millionen Goldmark gemäß Projekt hatte der Bau des Kanals 12,3 Millionen Mark gekostet. Verschiedene Nachbesserungsarbeiten am fertiggestellten Kanal dauerten bis 1912 an.[2][3]

In den 1920er-Jahren wurde der Kanal zum offenen Haff hin durch einen Damm vor dem Zuschwemmen des Fahrwassers geschützt und die Fahrrinne auf 8,5 Meter vertieft. Am 29. Juli 1921 ging die Verwaltungszuständigkeit für die Wasserstraßen des Deutschen Reiches von den Ländern auf das Reich über; auch der Königsberger Seekanal wurde damit „Reichswasserstraße“. Die lokale für Unterhaltung und Ausbau zuständige Behörde bis 1945 war das das Wasserstraßenamt Pillau der Wasserstraßendirektion Königsberg, bei der je nach Saison 200 bis 400 Mitarbeiter angestellt waren. In dieser Zeit wurde erstmals der Zweirichtungsbetrieb auch für größere Schiffe unter Nutzung von sechs Ausweichstellen organisiert.[2][3]

Eine bemerkenswerte Episode aus diesem Zeitraum ist der Einsatz des sowjetischen Eisbrechers Jermak im harten Winter 1928/29 mit Temperaturen unter −40 °C auf dem gewöhnlich nur leicht zufrierenden Kanal.[3]

Nach dem Anschluss des nördlichen Ostpreußen an die Sowjetunion 1945 wurde der Kanal weiter betrieben und ausgebaut. Der Königsberger Hafen nahm am 20. Juni 1945 seinen Betrieb wieder auf. Nach der Umbenennung von Königsberg in Kaliningrad 1946 wurde der Königsberger Seekanal gleichzeitig mit der offiziellen Umbenennung des Frischen Haffs in „Kaliningrader Bucht“ 1947 in „Kaliningrader Seekanal“ umbenannt. 1947 wurden im Zusammenhang mit der andauernden Bergung während des Zweiten Weltkriegs versenkter Schiffe erstmals wieder Kanalvertiefungsarbeiten durchgeführt. Bis 1975 wurden 65 Millionen Rubel, entsprechend 13,7 % der Betriebskosten des Kaliningrader Hafens, für die Unterhaltung und Erweiterung des Kanals ausgegeben. Ein neues Projekt zur Rekonstruktion des Kanals startete mit einer Anordnung des Ministerrats der UdSSR vom 3. September 1979. Bis 1986 wurden 16,4 Millionen Rubel investiert (nach damaligen Preisen etwa 50 Millionen Deutsche Mark). 1986 endete die Finanzierung vorzeitig mit der beginnenden Wirtschaftskrise in den letzten Jahren des Bestehens der Sowjetunion; die projektierte Rekonstruktion des Kanals wurde nicht vollendet.[4]

Der Kaliningrader Seeschifffahrtskanal war anfangs der Hauptseewegsverwaltung des Handelsflottenministeriums der UdSSR unterstellt. 1953 ging er an die Regionalverwaltung Kaunas der Wasserstraßenhauptverwaltung über, 1955 an die Baltische Seewegsverwaltung Riga. Seit 1961 ist er dem Kaliningrader Seehafen unterstellt.[4]

Bis in die 1990er-Jahre konnte der Kanal nicht von ausländischen Schiffen befahren werden, da sich in Baltijsk einer der großen Stützpunkte der Baltischen Flotte der Sowjetischen Marine befand und die gesamte Oblast Kaliningrad für Ausländer wegen der großen Zahl militärischer Sperrgebiete gesperrt war.

In den 1990er- bis 2000er-Jahren wurde der Kanal weiter vertieft, insbesondere um die Zufahrt von größeren Tankern zum Lukoil-Ölterminal bei Swetly zu ermöglichen. Wegen der relativ geringen Breite die Kanals ist jedoch der gleichzeitige Verkehr in beide Fahrtrichtungen weiterhin nicht möglich; es gibt feste Zeiten führ die Einfahrt in der Kanal in Land- und Seerichtung. Um die Durchfahrtskapazitäten zu erhöhen, wurde 2007 versuchsweise der logistisch kompliziertere zweiseitige Betrieb mit Nutzung der Ausweichstellen im Kanal wieder aufgenommen.[5]

Quellen

Literatur

  • Robert Albinus: Königsberg-Lexikon. Stadt und Umgebung. Flechsig, Würzburg 2002, ISBN 3-88189-441-1. 
  • Richard Armstedt: Geschichte der königl. Haupt- und Residenzstadt Königsberg in Preußen. Reprint der Originalausgabe, Stuttgart 1899
  • Fritz Gause: Die Geschichte der Stadt Königsberg in Preussen. 3 Bände, Böhlau, Köln 1996, ISBN 3-412-08896-X. 
  • Jürgen Manthey: Königsberg – Geschichte einer Weltbürgerrepublik. Hanser, München 2005, ISBN 3-446-20619-1. 
  • Gunnar Strunz: Königsberg entdecken. Zwischen Memel und frischem Haff. Trescher, Berlin 2006, ISBN 3-89794-071-X. 

Weblinks

  • Interaktive Karte des Kanals mit den Hafenanlagen in Kaliningrad, Swetly und Baltijsk auf der Webseite der Kaliningrader Hafenverwaltung (russisch)

Einzelnachweise

  1. Angaben auf der Webseite der Hafenbehörde Kaliningrad (englisch, russisch)
  2. a b Der Kanalbau auf einer privaten Webseite zur Geschichte Pillaus (russisch)
  3. a b c Der Kanal von 1901 bis 1945 auf einer privaten Webseite zur Geschichte Pillaus (russisch)
  4. a b Die sowjetische Periode der Kanalgeschichte auf einer privaten Webseite zur Geschichte Pillaus (russisch)
  5. Meldung bei Rossija 1 Kaliningrad (russisch)

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