- Kastell Steincheshof
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Kastell Steincheshof Alternativname Römerlager Steincheshof Limes Niedergermanischer Limes Datierung (Belegung) flavisch bis 3. Jh. Typ Auxiliarkastell Einheit ala quingeniaria oder
cohors milliariaGröße a) ca. 1,94–2,25 ha
b) ca. 3,6 haBauweise Holz-Erde-Lager Erhaltungszustand Obertägig nicht sichtbares Bodendenkmal Ort Bedburg-Hau - Till-Moyland Geographische Lage 51° 45′ 33″ N, 6° 14′ 4″ O51.7591666666676.234444444444420Koordinaten: 51° 45′ 33″ N, 6° 14′ 4″ O Höhe 20 m ü. NHN Vorhergehend Quadriburgium (westlich) Anschließend Burginatium (südsüdöstlich) Das Kastell Steincheshof ist ein ehemaliges römisches Standlager am Niedergermanischen Limes, zwischen den Nachbarkastellen Quadriburgium und Burginatium bzw. zwischen den modernen Orten Kleve und Kalkar. Der seit anderthalb Jahrhunderten durch sein hohes Fundaufkommen bekannte Platz war immer als zivil und nicht als militärisch interpretiert worden. Erst in den Jahren 2008/2009 erbrachten moderne geophysikalische Untersuchungsmethoden den Nachweis, dass unter diesem Fundplatz ein weiteres römisches Militärlager des linken Niederrheins verborgen liegt.
Inhaltsverzeichnis
Lage und Forschungsgeschichte
Topographisch befindet sich das heutige Bodendenkmal - wie für die römischen Garnisonen am Niederrhein insgesamt typisch - auf der den Rhein flankierenden so genannten Niederterrasse. Da die Terrassen immer hochwasserfrei waren, boten sie sich zu Siedlungszwecken geradezu an; alle römischen Militärlager zwischen Novaesium und Burginatium lagen auf der Terrassenkante. Unmittelbar östlich der Fundstelle fällt das Gelände auch heute noch jäh um zwei bis drei Meter zum Auenbereich hin ab. Ob sich dort zur römischen Zeit ein aktiver oder ein toter Rheinarm befand, wird derzeit im Rahmen eines Projektes des LVR-Amtes für Bodendenkmalpflege noch untersucht.
In römischer Zeit befand sich die Garnison am Steincheshof acht bis neun Kilometer nordnordwestlich von Burginatium sowie fünf Kilometer östlich von Quadriburgium und neun bis zehn Kilometer südsüdöstlich von Harenatium entfernt. Im modernen Siedlungsbild befindet sich der Fundplatz auf dem Gelände eines landwirtschaftlichen Anwesens, des Steincheshofs, unweit des Ortsteils Till-Moyland der Gemeinde Bedburg-Hau.
Das Gelände des heutigen Bodendenkmals ist bereits seit ungefähr 150 Jahren als Fundort römischer Artefakte bekannt. Auch archäologische Ausgrabungen waren bereits im 19. Jahrhundert und dann erneut in den 1930er Jahren dort vorgenommen worden, jedoch blieben diese Aktivitäten in allen Fällen undokumentiert. In der wissenschaftlichen Diskussionen um den Fundplatz war dieser stets als zivile Siedlung oder Villa rustica, nicht jedoch als militärisch genutzter Ort angesprochen worden.
Erst in den Jahren 2008 und 2009 gelang es durch geomagnetische Prospektionen im Rahmen eines Projektes des Archäologischen Instituts der Universität zu Köln in Zusammenarbeit mit dem LVR-Amt für Bodendenkmalpflege, die Stelle eindeutig als Militärlager zu identifizieren.
Befunde und Interpretation
In einem ersten Schritt wurde im Herbst des Jahres 2008 und im Frühjahr 2009 eine Feinbegehung des Geländes durchgeführt, über das zu diesem Zweck in ein Raster von 25 qm-Feldern gelegt worden war. Bei dieser Begehung bestätigten sich die bereits früher wiederholt gemachten Beobachtungen einer dunklen Schicht, bei der es sich möglicherweise um eine Brandschicht handelt, die sich großflächig über nahezu das gesamte Areal erstreckt.
Im Frühjahr und im Herbst des Jahres 2009 schließlich wurde an insgesamt drei Tagen etwa die Hälfte des Geländes geophysikalisch prospektiert. Die andere Hälfte des Areals war durch die Gebäude des modernen landwirtschaftlichen Betriebes überbaut und somit für Untersuchungen nicht zugänglich. Von allen angewandten geophyikalischen Untersuchungsmethoden erwies sich die der Magnetometrie als am effizientesten. Im Magnetogramm zeigten sich eindeutig die Strukturen eines mindestens zweiphasigen, römischen Militärlagers.
Das ältere, kleinere Kastell war vermutlich als Holz-Erde-Lager konstruiert. Mit seiner, durch die moderne Bebauung verdeckten Prätorialfront (Vorderfront) war es nach Nordnordwest, zur Flussterrassenkante hin ausgerichtet. Seine Breite betrug rund 125 Meter, die Längsausdehnung dürfte bei etwa 155 m bis 180 m gelegen haben, woraus sich eine um- und überbaute Fläche von 1,94 ha bis 2,25 ha ergab. Die Umwehrung bestand aus einem Erdwall und einem einfachen (Spitz-)graben, die Gesamtbreite von Wall und Graben betrug etwa 15 Meter. An den abgerundeten Ecken waren keinerlei Turmbauten nachweisbar.
Die Umwehrung des jüngeren, größeren Kastells umfasste und bedeckte bei einer Längsausdehnung von etwa 195 Metern und einer Breite von circa 185 Metern eine Lagerfläche von insgesamt rund 3,6 Hektar. Auch diese turmlose Wehranlage bestand aus einem Erdwall und einem einfachen (Spitz-)graben von insgesamt rund 15 Metern Breite. An der Ostseite zeigte sich im Magnetogramm eine Torkonstruktion, die als Porta principalis dextra (rechtes Seitentor) angesprochen wird.
Während sich zwischen der größeren, äußeren und der kleineren, inneren Wehranlage keine Bebauungsspuren erkennen ließen, war die Innenfläche des kleineren Kastells von deutlichen Gebäudekonturen geprägt. Zumindest einige dieser Innenbauten waren in ziegelgedeckter Fachwerkbauweise ausgeführt. Beiderseits der im Magnetogramm ausgeprägt zu erkennenden, breiten, sich in nordsüdlicher Ausrichtung erstreckenden Via Praetoria (Lagerhauptstraße in der Mittelachse des Kastells) befanden sich rechteckige Baustrukturen mit einer Größe von jeweils etwa 45 m mal 18 m, die als Mannschaftsbaracken angesprochen werden. Der Bereich der im Zentrum des Kastells anzunehmenden Principia (Stabsgebäude) ist von der modernen Bebauung überdeckt und war so durch das Magnetogramm nicht erfassbar. Im südöstlichen Kastellbereich waren die Konturen eines möglicherweise aus Ziegelsteinen errichteten Gebäudes ungeklärter Funktion zu erkennen, das die Umwehrung der jüngeren Bauphase überschneidet und somit als nachkastellzeitlich anzusehen ist. Von der Porta principalis dextra aus führte eine Ausfallstraße in südöstliche Richtung auf das Nachbarkastell Burginatium zu. Die sich zu beiden Seiten dieser Straße erstreckenden Konturen von vermutlichen Steingebäuden sind einem großflächigen Vicus (Zivilsiedlung des Lagers) zuzuweisen, der mit der jüngeren Bauphase des Kastells korreliert.
Fundmaterial und Datierung
Die im Laufe der anderthalb Jahrhunderte Forschungsgeschichte zusammengekommenen Münzreihe setzt sich aus einigen Denaren, die zwischen der republikanischen Zeit und der Regierungszeit Domitians geprägt worden waren, sowie einem Aureus des Nero zusammen. Das bei der Feinbegehung geborgene keramische Fundmaterial ließ sich auf eine Zeitspanne datieren, die von der flavischen Zeit bis ins 3. Jahrhundert reicht. Unter dem Fundgut war auch ein gestempelter Ziegel mit der Inschrift V(?)IC was sich möglicherweise als Hinweis auf die Anwesenheit eines Bautrupps der Legio VI victrix (pia fidelis Domitiana) (dt.: „6. Legion mit dem Beinamen ‚Die Siegreiche‘, die dem Domitian treu ergebene“) hinweist. Im Gegensatz zu den Nachbarkastellen Quadriburgium und Burginatium liegen aus dem Kastell Steincheshof keinerlei spätantike Funde vor.
Belegung
Der antike Name des Kastells Steincheshof ist durch keine schriftliche bzw. kartographische Quelle überliefert, ebenso wenig Name und Gattung der die Garnison belegenden Einheit(en). Aufgrund seiner Größe dürfte es einer Ala quingeniaria (einer rund 500 Mann starken Kavallerieeinheit) oder einer Cohors milliaria (1000 Mann starke Infanterieeinheit) als Standort gedient haben.
Denkmalschutz und Perspektiven
Das Kastell Steincheshof ist ein Bodendenkmal nach dem Gesetz zum Schutz und zur Pflege der Denkmäler im Lande Nordrhein-Westfalen (Denkmalschutzgesetz – DSchG).[1] Nachforschungen und gezieltes Sammeln von Funden sind genehmigungspflichtig. Zufallsfunde sind an die Denkmalbehörden zu melden.
Für die kommenden Jahre sind kleinere Ausgrabungen geplant, um weitere Erkenntnisse über das Kastell Steincheshof zu gewinnen.
Siehe auch
Literatur
- Marion Brüggler et al.: Steincheshof. Ein neues Römerlager am Niederrhein. In: Archäologie im Rheinland 2009, S. 79–82.
- Marion Brüggler et al.: Ein bislang unbekanntes Standlager am Niederrhein. In: Der Limes. Nachrichtenblatt der Deutschen Limeskommission. 4. Jahrgang 2010, Heft 1, S. 6–9.
Weblinks
- Steincheshof. Neues römisches Militärlager entdeckt. Auf der Webpräsenz des Archäologischen Instituts der Universität zu Köln am 22. Januar 2011, abgerufen am 23. September 2011.
Einzelnachweise
- ↑ Gesetz zum Schutz und zur Pflege der Denkmäler im Lande Nordrhein-Westfalen (Denkmalschutzgesetz – DSchG)
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