Katholischer Männerverein Tuntenhausen

Katholischer Männerverein Tuntenhausen
Vereinsgründer Alois Hundhammer (1963)
Wallfahrtskirche in Tuntenhausen

Der Katholische Männerverein Tuntenhausen (KMVT) ist ein 1945 durch Alois Hundhammer gegründeter konservativer Verein für katholische Männer. Der Verein gilt als Herz des politischen Katholizismus im Freistaat Bayern.[1] Der Verein weist durchgängig seit seiner Gründung eine enge personelle und programmatische Verflechtung mit den Führungsgremien der CSU auf, bindet insbesondere deren konservativ-klerikalen Flügel grundlegend ein und gilt als Denkfabrik der Partei.[2]

Den Vereinsvorsitz haben seit seiner Gründung stets prominente Politiker der CSU inne. Der Verein hatte im Jahr 2008 rund 1000 Mitglieder.[3] Vereinszweck ist es „in der Öffentlichkeit für die Vertiefung des katholischen Glaubenslebens zu wirken und die katholischen Grundsätze zur Geltung zu bringen“.[4] Seit dem Jahr 2009 ist Marcel Huber Vorsitzender des Vereins.[5][6]

Inhaltsverzeichnis

Geschichte

Der Verein versteht sich selbst als Fortführung des 1869 ebenfalls in Tuntenhausen gegründeten Bayerisch-Patriotischen Bauernvereins.[7] Dieser hatte sich am 27. Juli 1933 mit rund 5000 Mitgliedern in Rosenheim auf Druck der Nationalsozialisten selbst liquidiert.[8] Vor seiner Selbstauflösung war der Verein sehr eng mit der Bayerischen Volkspartei verbunden.

Die Neugründung des Vereins in den ersten Monaten nach dem Zweiten Weltkrieg geht auf eine Initiative des Tuntenhausener Pfarrers Innozenz Lampl und den Weihbischof im Erzbistum München und Freising Anton Scharnagl zurück. Zwischen beiden Vereinen bestanden sehr enge personelle Kontinuitäten. Erster Vereinsvorsitzender wurde Alois Hundhammer, der diese Rolle im Anschluss für fast 30 Jahre innehatte. Bereits zum ersten öffentlichen Auftritt des Vereins bei der Basilikafeier an Pfingsten 1946 kamen verschiedene prominente CSU-Politiker zur Wallfahrt, unter ihnen Franz Josef Strauß, und hielten Reden.

Tätigkeit und Diskurs des Vereins wurden in den folgenden Jahrenzehnten immer wieder mit kontroversen, christlich konnotierten CSU-Themen wie zum Beispiel den Diskussionen um die Einführung der Antibabypille[9], der Reform des Paragraphen 218 StGB[10], der angeblichen AIDS-Gefahr durch Homosexuelle[11], dem Kampf um Kruzifixe in Klassenzimmern[12] und dem Streit um die Stammzellforschung[13] in Verbindung gebracht.

Mitgliedschaften bzw. Verbindungen zu dem Verein werden in den deutschen Medien seit Jahrzehnten als eindeutiges Indiz für stark konservativ-christliche Grundhaltungen prominenter Politiker angeführt.[14]

Thomas Goppel erklärte in Tuntenhausen 1992: „Es gibt nichts Verbindenderes, als nebeneinander, Kopf an Kopf, mit gefalteten Händen auf der Gebetsbank zu knien.“ Im selben Jahr bezeichnete das Nachrichtenmagazin Der Spiegel den Verein als „[…] ein symbiotisches Bündnis von katholischem Klerus und dem fundamentalistischen Flügel der CSU […]“.[15]

Die seit Jahrzehnten bestehende Nähe zwischen der Führung der katholischen Kirche in Bayern und der Veranstaltung dauert nach wie vor an. Im April 2010 betonte der Münchner und Freisinger Erzbischof Reinhard Marx in Tuntenhausen erneut die Einigkeit mit dem katholischen Flügel der CSU.[16] Noch im März 2011 bot das Erzbistum München und Freising in seinem Internetauftritt eine E-Mail-Adresse des Bistums an, unter der die Geschäftsstelle des Männervereins direkt für Informationen zu Mitgliedschaften erreichbar war.[17]

Jahrestreffen

Traditionell treffen sich die Vereinsmitglieder zweimal im Jahr zu Wallfahrtsgottesdiensten in der Wallfahrtskirche Tuntenhausen. Neben der Frühjahrstagung (jeden letzten Sonntag im April) findet jährlich ein weiteres Treffen, die Herbsttagung (jeden letzten Sonntag im September), statt. Der Ablauf sieht, nach einem gemeinsamen Besuch der heiligen Messe in der Tuntenhausener Kirche, stets einen Politfrühschoppen in der Festhalle des Gasthauses Schmid vor.[18] Die politischen Reden finden aufgrund ihrer häufig polarisierenden Inhalte spätestens seit Ende der 1950er Jahre Widerhall in den überregionalen Medien.[19]

Vereinsvorsitzende

Ehrenvorsitzende

  • Hans Zehetmair

Angebot der Mitgliedschaft an Papst Benedikt XVI.

Da Joseph Kardinal Ratzinger wiederholt an den Wallfahrtsveranstaltungen teilgenommen hatte[20], sandte ihm der Verein nach seiner Ernennung zum Papst eine Broschüre mit Aufnahmeantrag und dem Angebot zu, das 1000. Mitglied des Vereins zu werden.[21] In einem Antwortschreiben teilte der Vatikan 2006 mit, Papst Benedikt XVI. könne der Bitte nicht entsprechen, da persönliche Zugehörigkeiten in privaten, kulturellen und sozialen Organisationen nicht der Praxis des Amtes entsprächen.[22]

Literatur

  • Katholischer Männerverein Tuntenhausen (Hrsg.): Katholischer Männerverein Tuntenhausen – Christliche Werte brauchen neue Ideen Tuntenhausen ruft – Rufen Sie zurück (Broschüre)

Einzelnachweise

  1. Zur letzten Reife Katholische Fundamentalisten setzen die CSU unter Druck. Ihr Generalthema ist die Abtreibung., DER SPIEGEL 24/1992, S.44, 8. Juni 1992
  2. Wir sind Stoiber! Wie die Chaostage der CSU die altbairische Seele aufwühlen. Eine Wallfahrt zur Gnadenmutter nach Tuntenhausen, zeit.de, 1. März 2007 oder Ja so sans Tuntenhausen und die CSU-Männer , vorwaerts.de, 27. November 2009
  3. Geschichte- Der Bayerisch-Patriotische Bauernverein und der Katholische Männerverein Tuntenhausen, maennerverein-tuntenhausen.de
  4. Satzung des Katholischen Männervereins Tuntenhausen § 1, online verfügbar unter Satzung des Katholischen Männervereins Tuntenhausen
  5. Kontrabass, Feuerwehr und Tuntenhausen – Marcel Huber wird neuer Leiter der Staatskanzlei – und er scheint dem Bilderbuch konservativer Politiker zu entspringen., sueddeutsche.de, 2. März 2011
  6. Katholischer Männerverein Gegen Sex, Bikinis und die Pille, sueddeutsche.de, 26. November 2009
  7. Seehofer: Aufstieg eines Sozialromantikers, handelsblatt.com, 6. Oktober 2008
  8. Geschichte- Der Bayerisch-Patriotische Bauernverein und der Katholische Männerverein Tuntenhausen, maennerverein-tuntenhausen.de
  9. PERSONALIEN Kurt Georg Kiesinger, Ernst Lemmer, Walter Scheel, Joachim Pierre Pabst, Alois Hundhammer, Zsa Zsa Gabor, Ilse Vornlocher, DER SPIEGEL 39/1968, S.198, 23. September 1968
  10. Zur letzten Reife Katholische Fundamentalisten setzen die CSU unter Druck. Ihr Generalthema ist die Abtreibung., DER SPIEGEL 24/1992, S.44, 8. Juni 1992
  11. Zeugung hamma net – Bayerns Kultusminister Zehetmair, klerikaler Fundi der CSU, gerät in der eigenen Partei zum Gespött., DER SPIEGEL 43/1991, S. 72, 21. Oktober 1991
  12. Heiliger Edmund, bitt' für uns SPIEGEL-Redakteurin Barbara Supp über den Kruzifix-Kampf in Bayern, DER SPIEGEL 40/1995, S.114, 2. Oktober 1995
  13. Die schwarze Seele – Der Konservative ist altmodisch in seinen Sehnsüchten, aber modern in seiner Lebensweise. Er zieht es vor, den Dingen nicht auf den Grund zu gehen – und lebt gut damit, zeit.de, 13. August 2008
  14. AIisis Stunde, DER SPIEGEL 32/1962, S. 20, 8. August 1962
  15. Zur letzten Reife Katholische Fundamentalisten setzen die CSU unter Druck. Ihr Generalthema ist die Abtreibung., DER SPIEGEL 24/1992, S.44, 8. Juni 1992
  16. Politik und Kirche treffen sich in Tuntenhausen – Erzbischof Marx betont Einigkeit mit dem katholischem Flügel der CSU, (ddp)/themenportal.de, 25. April 2010
  17. Katholischer Männerverein Tuntenhausen – So werden Sie Mitglied, erzbistum-muenchen.de
  18. Zur letzten Reife Katholische Fundamentalisten setzen die CSU unter Druck. Ihr Generalthema ist die Abtreibung., DER SPIEGEL 24/1992, S.44, 8. Juni 1992
  19. WAHLKAMPF – Nur wegen der Gaudi, DER SPIEGEL 28/1953, S. 5, 8. Juli 1953, Mir san mir (siehe Titelbild), DER SPIEGEL 1/1964, S.30, 8. Januar 1964, Syrus der Sklave, DER SPIEGEL 39/1964, S.58, 23. September 1964
  20. Bilder: Joseph Kardinal Ratzinger, jetzt Papst Benedikt XVI., maennerverein-tuntenhausen.de
  21. Die schwarze Bastion umwirbt große Männer, merkur-online.de, 5. Juli 2006
  22. Papst wird nicht Mitglied im Männerverein Tuntenhausen, dradio.de, 25. Juli 2006

Weblinks


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