Kettenschifffahrt in Frankreich

Kettenschifffahrt in Frankreich

Die Kettenschifffahrt in Frankreich war eine ab 1839 betriebene Form des Binnenschiffsverkehrs. Der Schleppbetrieb durch Kettenschiffe wird vereinzelt bis heute im Bereich von Kanaltunneln eingesetzt.

Inhaltsverzeichnis

Geschichtliche Entwicklung der Technik

Hauptartikel: Kettenschifffahrt

Vor der Einführung der Dampfschifffahrt zogen Menschen oder Tiere Schiffe mühsam die Flüsse stromaufwärts. Diese Art des Schiffstransportes wird Treideln genannt und stellte für viele Jahrhunderte die einzige wirtschaftliche Möglichkeit der Fortbewegung im Bereich der Binnenschifffahrt dar. Der Bedarf an Transportkapazitäten erhöhte sich während der Industrialisierung. Außerdem entstand ein zunehmender Bedarf die Transportgeschwindigkeit zu vergrößern.

Die technische Entwicklung der Kettenschifffahrt ging Anfang des 19. Jahrhunderts von Frankreich aus. Gleich mehrere Erfinder beschäftigten sich ab 1820 mit dem Prinzip, bei dem sich ein Schiff entlang eines Seiles oder einer Kette gegen die Strömung des Flusses zieht. Die Technik der Kettenschifffahrt ermöglichte die damals noch geringe Leistung der Dampfmaschinen optimal auszunutzen.

Verbreitung auf Flüssen

Karte zur Verbreitung der Kettenschifffahrt in Frankreich
Kettenschlepper auf der Seine mit Pénichen
Kettenschiff vor Charenton-le-Pont, um 1910

Seine

Im Jahr 1839 wurde im Auftrag des General-Inspektors der Schifffahrt Latour du Moulin der erste technisch und wirtschaftlich erfolgreiche Kettendampfer „Hercule“ gebaut.[1] Dieser verkehrte für die Gesellschaft „Société pour établir le touage dans la traversée de Paris“[2] regelmäßig auf einem etwa 5 bis 6 Kilometer langen, strömungsreichen Abschnitt der Seine innerhalb des Stadtgebietes von Paris. Das Treideln mit Pferden war in diesem Abschnitt zusätzlich durch die Uferkonstruktion erschwert.[3] An genau diesem Flussabschnitt war de Rigny übrigens einige Jahre zuvor aufgrund technischer Schwierigkeiten gescheitert.[2]

Die Beschaffenheit des Flussbettes der Seine eignete sich besonders für die Kettenschifffahrt. Der Fluss war gleichmäßig tief und hatte ein relativ starkes Gefälle. Trotzdem war das Bett sandig und regelmäßig. Im Gegensatz zu den Flüssen, deren Quelle in der Alpenregion liegt, hielten sich auch die Mengen an mitgeführtem Sand in Grenzen und die Gefahr von starken Hochwassern war geringer.[3]

Ein Dekret von Kaiser Napoleon III. aus dem Jahr 1854 erlaubte der Firma „Eugéne Godeaux und Söhne“ als einem der ersten Kettenschifffahrtsunternehmen zwischen den Schleusen an der Pariser Münze und bei Pontoise eine Kette zu Schleppzwecken in der Seine zu versenken. Mit drei angehängten Kähnen betrug die Geschwindigkeit des Schleppverbandes 6 bis 7 Kilometer pro Stunde.[1] Eugéne Godeaux hatte aufgrund seines Erfolges den Gedanken die Kettenschifffahrt auch auf Gebiete außerhalb von Paris auszudehnen und gilt als Initiator für die Verbreitung dieser Art des Schiffstransportes in Frankreich.[2]

Die kaiserliche Regierung erteilte noch im gleichen Jahr die Konzession zur Gründung der „Compagnie de Touage de la Basse-Seine et de l'Oise“. Diese verlängerte die Strecke um den 72 Kilometer langen Abschnitt der unteren Seine von Conflans (an der Einmündung der Oise) bis zum Port à l'Anglais in Paris und erweiterte die Zahl der Kettenschlepper bis 1857 auf sieben Boote.[1] Diese Kettenschlepper wurden in Hull in England gebaut.[4]

Auf der oberen Seine erhielt die „Compagnie de touage de la haute Seine“ 1856 die Konzession für die Kettenschifffahrt. Diese betrifft die Strecke von der Schleuse de la Monnaie in Paris bis zur 106 Kilometer flussaufwärts liegenden Stadt Montereau an der Mündung der Yonne.[2] Der Ausbau dieser Strecke erfolgte nach und nach zwischen 1856 und 1859. Die sieben Kettenschleppschiffe wurden von M. Dietz in Bordeaux gebaut und besaßen eine Leistung von 16 bis 35 PS. Von dem letzten Kettendampfer mit dem Namen „La Ville de Sans“ (1860) ist eine detaillierte Beschreibung überliefert.[5]

Nach der Erteilung einer weiteren Konzession im Jahre 1860 erweiterte die „Compagnie de touage de Conflans à la mer“ die Kette ausgehend von Conflans in Richtung Seinemündung. Bis zum Jahre 1875 lag die Kette von Conflans bis Trait (etwa auf halbem Weg zwischen Rouen und Le Havre). Die restliche Strecke betrieb die Gesellschaft aufgrund der geringen Strömung und der ausreichenden Wassertiefe von Anfang an über Radschleppdampfer. Im Jahre 1876 wurde die Kette unterhalb Rouen wegen der starken Versandung aus dem Strom beseitigt.[2]

Yonne

Die Gesellschaft „Le touage de l’Yonne“ erhielt 1873 die Konzession für die 93 Kilometer lange Strecke auf der Yonne von Montereau (Mündung der Yonne in die Seine) bis Auxerre. Der Schleppdienst erstreckt sich anfangs jedoch nur bis Laroche, weil die Kanalisierung der Yonne zwischen Laroche und Auxerre noch nicht beendet war.[2]

Loire

Ab 1836 wurde das Wasser der Loire flussabwärts von Saint-Léger-des-Vignes nahe der Einmündung des Flusses Aron aufgestaut. Dadurch sollte oberhalb des Wehrs genügend Wassertiefe entstehen, um mit dem Schiff über die Loire vom Loire-Seitenkanal zum Canal du Nivernais oder zurück zu wechseln. Die Überquerung konnte allein durch diese Maßnahme nicht sichergestellt werden und Charles Semé schlug am 6. März 1869 vor, diesen Flussabschnitt von knapp zwei Kilometer Länge durch Kettenschlepper zu verbinden. Im Jahr 1870 verkehrte der erste der Kettenschlepper auf dieser Strecke. Der Kettendampfer hatte eine Leistung von 18 kW (25 PS) und funktionierte mit Dampf. Sein Nachfolger löste den Kettendampfer 1907 ab. Ab 1933 kam der Kettenschlepper „Ampère V“ mit zwei Dieselmotoren und einem elektrischen Getriebe zum Einsatz. Dieser leistete bis 1975 seinen Dienst und ist jetzt als Teil eines Informationszentrums in Saint-Léger-des-Vignes zu besichtigen.[6]

Andere Flüsse

Versuche der Kettenschifffahrt auf der Rhône zeigten, dass dieser Fluss zu viele starke Krümmungen besaß und die Kette durch Fluten auf große Strecken von Sand und Geröll begraben wurde.[3] Auf der Rhone kamen daher stattdessen acht Seilschleppschiffe zum Einsatz.[7] Gleichsam scheiterten auch die Versuche der Kettenschifffahrt auf der Saône.[3]

Die Kettenschifffahrt auf Kanälen

Kettenschleppschiff in Mauvages

In Frankreich gab es große Bestrebungen ein Netz aus Schifffahrtskanälen aufzubauen, um den Osten und Süden Frankreichs mit Paris und der unteren Seine zu verbinden. Natürlicherweise sind die Schifffahrtswege dieser Regionen durch eine Wasserscheide voneinander getrennt. Entsprechende Kanäle müssen folglich ein System von Schleusen den entsprechenden Höhenkamm überwinden. Der oberste Kanalabschnitt, auch Scheitelhaltung genannt, wird über entsprechende Wasserspeicher mit Wasser versorgt, die den Wasserverlust beim Schleusen ausgleichen. Die Scheitelhaltung muss eine ausreichende Länge besitzen, damit sich der Wasserstand bei Schleusenvorgängen nicht wesentlich ändert. Geländebedingt sind in Frankreich mehrere Kanäle in diesem Bereich nur sehr schmal und einschiffig zu befahren. Tiefe Einschnitte oder Kanaltunnel erschweren hier die Erstellung von guten Leinpfaden.

Mit zunehmendem Querschnitt der Schiffe erhöht sich der Widerstand auf engen einschiffigen Kanalabschnitten der Scheitelhaltungen überproportional. Dieses ist damit zu erklären, dass das Wasser zwischen Schiff und Kanalwand nach hinten zurückfließen muss. Im Vergleich zu einem zweischiffigen Streckenabschnitt ist bei den in Frankreich vorherrschenden Kanaldimensionen etwa die vierfachen Zugkraft erforderlich.[8] Erzeugt das Zugfahrzeug zusätzliche Strömungen, so verstärkt sich der Widerstand deutlich. Dieses sollen auch Versuche auf dem sehr engen Kanal von Nivernais gezeigt haben. Ein frei fahrender Schleppdamfer mit drei Kähnen im Anhang soll für eine Geschwindigkeit von 0,6 Meter pro Sekunde (2,1 Kilometer pro Stunde) eine Leistung von 52 kW (71 PS) benötigt haben. Die gleiche Geschwindigkeit soll ein Kettenschlepper mit nur 7 kW (10 PS) erreicht haben.[8]

Im Bereich der Kanaltunnel sorgten in Frankreich daher häufig Kettenschiffe für den Schiffstransport. Aufgrund der mangelnden Entlüftung der Tunnelanlage wurden die elektrisch betriebenen Kettenschlepper auch nach Einführung der selbstfahrenden Motorschiffe weiter verwendet und sind zum Teil auch heute noch in Betrieb.

Riquevaltunnel am Canal de Saint-Quentin

Einfahrt zum Tunnel von Riqueval, Canal de Saint-Quentin
Museumsschlepper „Ampère I“ (Musée du Touage)
Hauptartikel: Riquevaltunnel

Der 5670 Meter lange Tunnel von Riqueval wurde zwischen 1801 und 1810 im Auftrag von Napoleon errichtet und ist Teil des Canal de Saint-Quentin, der Paris mit dem Norden Frankreichs und Belgien verbindet. Anfangs treidelten die Schiffer ihre Boote auf zwei links und rechts des Kanals angeordneten Wegen selbst durch den Tunnel, was etwa 20 Stunden dauerte. Im Laufe der Jahre wurden Pferde für den Schiffstransport eingesetzt, die Dauer für die Tunnelpassage wurde jedoch kaum reduziert, da gleichzeitig der Wasserwiderstand durch immer größere Schiffe erhöht wurde. Erst durch das Entfernen eines der beiden Wege im Jahr 1861 verbreiterte sich der Kanal auf 6,6 Meter und der Wasserwiderstand reduzierte sich drastisch.[9]

Ab 1867 wurden auf der 20,1 Kilometer langen, meist einschiffigen Scheitelhaltung dampfbetriebene Kettenschiffe zum Schiffstransport eingesetzt. Innerhalb dieses Kanalabschnitts liegen zwei Tunnel von 5670 und 1098 Meter länge. Sechs staatliche Kettenschiffe entwickelten eine Leistung von jeweils 20 bis 30 kW (25-40 PS). Wegen des starken Schiffsverkehrs nach Paris mussten sehr lange und schwere Schleppzüge transportiert werden. Der Normalzug bestand aus 25 beladenen Schiffen, es konnten aber auch mal 35 Schiffe gezogen werden. Als Schleppgeschwindigkeit wurden mit Anhang nur 0,9 bis 1,1 Kilometer pro Stunde erreicht. Die Stärke der Kette betrug Anfangs 18 Millimeter, und wurde mit der Zeit im großen Tunnel auf 30 Millimeter erhöht. Bei der Durchfahrt durch den großen Tunnel wurde der Wasserspiegel um 25 bis 45 Zentimeter aufgestaut und es dauert eine halbe bis eine Stunde, bis sich dieser Aufstau wieder abgebaut hat. Bei dem langen Aufenthalt im Tunnel werden die Menschen starken Rauchbelastungen ausgesetzt.[10]

Seit 1906 werden elektrisch angetriebene Kettenschiffe verwendet. Das Kettenschiff ist 25 m lang, fünf Meter breit und besitzt einen Tiefgang von einem Meter. Es kann bis zu 32 Pénichen durch den Tunnel von Riqueval ziehen. Die Geschwindigkeit beträgt 2,5 km/h. Die im Kanal verlegte Kette ist 8 Kilometer lang und wiegt 96 Tonnen. Nachdem am Tunnel eine mechanische Lüftungsanlage installiert worden war und die Auslastung des Tunnels zurückging, ist nur noch einer der beiden Kettenschlepper im Betrieb.[11] Der andere Kettenschlepper mit Namen Ampère I liegt am Eingang des Tunnels und ist zum Museum für Kettenschifffahrt (Musée du Touage) ausgebaut.[12]

Tunnel von Mauvages am Canal de la Marne au Rhin

Der Tunnel von Mauvages am Canal de la Marne au Rhin wurde 1842 bis 1847 erbaut und 1853 in Betrieb genommen. Ab 1887 verkehrten im Bereich der Scheitelhaltung auf einer Länge von 7,3 Kilometern (davon 4877 Meter im Tunnel) zwei Kettendampfer. Sie entwickelten im Schlepptau eine Leistung von 21 kW (28 PS) und erreichten mit einem Anhang von 17 Schiffen eine Geschwindigkeit von 1,26 Kilometer pro Stunde.[10] Seit 1912 verkehrt hier ein elektrisch betriebener Kettenschlepper. Den Strom für die knapp fünf Kilometer lange Strecke bezieht er über zwei Stromleitungen an der Tunneldecke. Allerdings besitzt der Tunnel inzwischen schon Entlüftungsschächte zur Oberfläche (Stand Sommer 2008), so dass auch hier ein Ende der Kettenschifffahrt in Sicht ist.[13]

Tunnel Pouilly-en-Auxois am Canal de Bourgogne

elektrisch betriebener Kettenschlepper im Hafen von Pouilly-en-Auxois
Schematische Darstellung des elektrischen Kettenschleppers

Der Canal de Bourgogne verbindet die französischen Flüsse Yonne und Saône. Im Bereich der etwa 6 Kilometer langen Scheitelhaltung befindet sich der 3,3 Kilometer langer Tunnel bei Pouilly-en-Auxois. Ursprünglich mussten die Matrosen ihre Schiffe mittels Stangen durch den Tunnel staken, später an einer an der Tunnelmauer befestigten Kette entlangziehen. Sie benötigten auf diese Weise bis zu 8 Stunden. Ab dem Jahr 1867 zog ein Dampfboot mehrerer Schiffe auf einmal als Schleppverband durch den Tunnel.

Ab Juli 1893 ersetzten elektrische Kettenschleppschiffe nach dem System »Galliot« die mit Dampf betriebenen Schlepper. Der Wasserausfluss beim Entleeren der beiden Schleusen am Ende des Scheitelstrecke trieb je eine Turbine mit angeschlossenem Generator an. Die dabei zur Verfügung stehende Gesamtleistung betrug 35 PS. Das Kettenschleppschiff griff den erzeugten Strom von den Drahtleitungen an der Decke des Tunnels über Stromabnehmer ab und zog sich und die angehängten Boote durch den Tunnel.[14] Der Elektroschlepper besaß eine Länge von 15 Metern, eine Breite von 3,2 Metern und einen Tiefgang von 0,5 Metern. Die Schleppkette hatte eine Stärke von 16 Millimetern. Je nach Länge des Anhangs wurden Geschwindigkeiten von 2,5 bis 4 km/h erreicht. Die Betriebskosten sollen um 25 % unterhalb der des Dampfschiffes gelegen haben.[15]

Im Mai 1987 fand die letzte Fahrt des elektrischen Kettenschleppers statt. Heute ist er in einer Hallenkonstruktion ausgestellt, welche die Dimensionen des Tunnels nachbilden.[16]

Scheitelhaltung des Canal du Nivernais

Der Canal du Nivernais verbindet die beiden französischen Flüsse Loire und Yonne und führt an der Scheitelhaltung durch drei Tunnel (758, 268 und 212 Meter lang). Ab 1899 bestand eine staatliche Kettenschifffahrt auf diesem 3,7 Kilometer langen Kanalabschnitt. Da es auf dem Kanal nur ein geringes Verkehrsaufkommen gab, zog ein mit einer Gasmaschine (Petroleum) betriebenes Kettenschiff mit einer Leistung von etwa 7 kW (10 PS) einen Anhang von 3 bis 12 Schiffen vorwärts. Es erreichte dabei eine Schleppgeschwindigkeit von 2,5 bis 1,2 Kilometern pro Stunde.[10]

Canal Saint-Martin

Der Canal Saint-Martin befindet sich im Nordosten von Paris. Auf der vierten Haltung des Kanals wurde die Kettenschifffahrt seit 1862 auf einer Länge von 2650 Metern (davon 1850 Meter im Tunnel) betrieben. [17] Die Bedeutung des Schiffsverkehrs auf diesem Kanalabschnitt war groß. Der Kettenschlepper hatte eine Leistung von 15 kW (20 PS) und erreichte im Schleppbetrieb eine Geschwindigkeit von 2 Kilometern pro Stunde.[10]

Ostkanal (Canal de la Meuse)

Der Canal de la Meuse (damals noch Ostkanal genannt) verbindet Belgien mit dem Großraum Paris. Mit nur einem Kettenschiff von 13 kW (18 PS) wurden bis zu vier Schiffe gleichzeitig geschleppt. 1887 lag der Jahresverkehr bei etwa 500 Tausend Tonnen. Die Strecke liegt in einer kurzen Haltung und führt 565 Meter durch den Tunnel von Ham.[10][17]

Scarpe

Auf der mittleren Scarpe gab es gleich zwei Abschnitte mit Kettenschifffahrt. Der erste Streckenabschnitt war 3200 Meter lang und befand sich stromabwärts der Schleuse Douai. Der zweite Abschnitt befand sich stromaufwärts der Schleuse „des Augustins“ und hatte eine Länge von 1800 Metern. Der Jahresverkehr lag 1888 auf beiden Strecken jeweils bei knapp 1,9 Millionen Tonnen.[17]

Vergleich der Transportkosten

In der Mitte des 19. Jahrhunderts existierten für den Schiffstransport hauptsächlich folgende Techniken: Treideln durch Menschen und Tiere, sowie die Schleppschifffahrt mit Kettendampfschiffen oder Raddampfern.

Das Ziehen von Schiffen durch den Menschen war sehr anstrengend und erfolgte daher in Frankreich vor allem auf Kanälen. Die Kosten für den Transport betragen für diese Art der Fortbewegung im Mittel etwa 0,0077 Francs pro Tonne und Kilometer. Als mittlere Tagesleistung konnte auf den Kanälen so eine Strecke von etwa 11 Kilometern erreicht werden.[5] Durch den Einsatz von Pferden als Zugtiere konnte die pro Tag auf Kanälen zurückgelegte Strecke mit etwa 22 Kilometern verdoppelt werden, gleichzeitig erhöhten sich die mittleren Kosten für den Transport auf etwa 0.0197 Francs pro Tonne und Kilometer.[5]

Auf den Flüssen sind die Kosten und Transportzeiten für das Treideln stark abhängig von den Gegebenheiten des Flusses, wie Wassertiefe und Strömung, Verblockungen usw. aber auch von der Ufergestaltung sowie der Qualität der Leinpfade. Außerdem wurden die Preise für das Treideln individuell verhandelt und richteten sich nach Angebot und Nachfrage. So betrugen die Kosten 1842 für das Treideln mit Pferden an der Seine zwischen 0,035 und 0,050 Francs pro Tonne und Kilometer, während für die Yonne in der Literatur Werte von 0.085 und 0.088 Francs pro Tonne und Kilometer angegeben werden. Die durchschnittliche Strecke, die 1842 per Pferdezug pro Tag zurückgelegt werden konnte, lag bei etwa 14,7 Kilometern.[5] Keine fünfzehn Jahre später wird in der Literatur für das Treideln mit Pferden die mittlere pro Tag zurückgelegte Strecke mit etwa 20,5 Kilometern angegeben. Diese Erhöhung der Tagesleistung um etwa 40 % ist mit dem Ausbau des Flusses und des Ufers zu begründen und führte außerdem zu einer Reduzierung der Kosten auf 0,0205 Francs pro Tonne und Kilometer, was etwa der Hälfte der Kosten von 1842 entspricht.[5]

Die Kosten für die Kettenschifffahrt waren einheitlich per Dekret festgesetzt und wesentlich einfacher zu kalkulieren. Der Preis setzte sich aus zwei Anteilen zusammen. Der erste Teil richtete sich nach der möglichen Nutzlast des zu ziehenden Schiffes und betrug 0,0035 Francs pro Tonne und Kilometer. Hinzu kam ein zweiter Preis, der sich an der tatsächlichen Ladung des Schiffes orientierte und mit 0,015 Francs pro Tonne und Kilometer festgelegt war. Für ein voll beladenes Schiff ergab sich damit ein durchschnittlicher Preis von 0,0185 Francs pro Tonne und Kilometer. Bei halber Ladung war hingegen ein erhöhter Preis von 0,022 Francs pro Tonne und Kilometer zu zahlen. Mit einem Kettenschiff konnte ein Schleppverband pro Tag eine Strecke von 33,3 Kilometer zurückgelegen.[5]

Auch wenn die oben getroffenen Abschätzungen gewisse Ungenauigkeiten enthalten können, so sind trotzdem einige Folgerungen möglich. Der billigste Transport ist das Treideln durch den Menschen, das jedoch auf Kanäle mit sehr geringer Fließgeschwindigkeit beschränkt ist. Außerdem ist die enorme körperliche Belastung zu berücksichtigen, die nicht selten zu einem frühen Tod führte.[5] Die Kettenschifffahrt war auf der Seine etwas billiger als das Treideln mit Pferden. Außerdem legte ein Schleppzug an der Kette pro Tag eine deutlich größere Strecke zurück. Die Kettenschifffahrt bot feste, kalkulierbare Preise und einen regelmäßigen Transport. Der Transport im Schleppverband sparte außerdem Personalkosten, da weniger Besatzung nötig war.[5] Havarien waren seltener und schneller repariert als bei dem Treideln mit Pferden.[18]

Technische Ausstattung

Die Kette

Die schmiedeeiserne Kette, die entlang der Flüsse in Frankreich zum Einsatz kam, hatte meistens einen Durchmesser von 21 Millimetern. Die einzelnen Kettenglieder waren im Gegensatz zu den üblichen Ankerketten ohne zentralen Steg als Rundstahlkette ausgeführt. Die Kette hatte eine Masse von neun bis zehn Kilogramm pro Meter. Das größere Gewicht gegenüber einem Drahtseil war trotz der höheren Anschaffungskosten eines der Hauptgründe für die Entscheidung gegen die Seilschifffahrt. Ein weiterer Grund war die einfachere Reparaturmöglichkeit bei einem Bruch. Bei einer Kette musste nur das defekte Kettenglied ausgetauscht werden, während das Drahtseil aufwändig über Spleißen zusammengefügt werden musste.[2]

Um die großen Kosten der Anschaffung einer Kette oder eines Kabels zu vermeiden wurden von Dupuy de Lome auf der Rhône Versuche mit einer endlosen Kette durchgeführt. Der Schlepper brachte dabei seine eigene Kette mit. Die Kette wurde hierbei am Vorderschiff (Bug) ins Wasser gelassen und legte sich durch das Eigengewicht auf den Flussgrund. Am Hinterschiff (Heck) wurde die Kette aus dem Wasser hinaufgezogen und durch den Kettenantrieb über das Deck des Schiffes nach vorne transportiert. Unter der Voraussetzung, dass der untere Teil der schweren, in sich geschlossenen Kette durch die Flußsohle am Gleiten gehindert wird, zieht sich das Schiff vorwärts. Diese Art des Antriebs kam jedoch wirtschaftlich nicht zum Einsatz, da eine vernünftige Kraftübertragung nur bei einer angepassten Kettenlänge gegeben ist. Ist die Wassertiefe zu hoch, so verringert sich die Länge des Kettenabschnitts, der auf der Flußsohle zu liegen kommt und damit die erforderliche Reibung. Bei zu geringer Wassertiefe hat die Kette eine zu große Länge und würde nicht langgezogen, sondern klumpenweise am Boden zu liegen kommen. Eine Variationen in der Flusstiefe erschwert daher die Steuerfähigkeit des Schiffes erheblich.[19]

Kettenschleppdampfer

Die französischen Kettenschleppdampfer der vier großen Gesellschaften von Seine und Yonne (in Frankreich als toueur und in deutscher Literatur häufig auch aus Tauer bezeichnet) waren mit Ausnahme des hölzernen Decks aus Eisen gebaut. Die typische Länge der Schlepper betrug etwa 40 Meter, während ihre Breite bei etwa 6 Metern lag. Der Schiffsboden war flach und bei normaler Belastung lag der mittlere Tiefgang bei 1,20 Metern. Bug und Heck des Schiffes waren halbkreisförmig begrenzt.[2]

Die eigentliche Fortbewegung an der Kette erfolgte über ein Trommelwindwerk, wobei die Kette mehrfach über zwei hintereinander angeordnete Trommeln geführt wurde. Jedes Schiff war zusätzlich mit zwei Schrauben versehen, so dass es sich mit abgeworfener Kette frei bewegen konnte. Die Bedienungs-Mannschaft bildeten sieben Personen, wobei sich vier Mann auf dem Deck (Kapitän, zwei Steuerleute, ein Schiffsjunge) und drei Mann an der Maschine (Maschinist und zwei Heizer) befanden.[2]

Ein Kettenschleppdampfer zog typischerweise gleichzeitig zehn bis fünfzehn beladene Boote flussaufwärts. Er hätte je nach Gegebenheiten des Flusses auch zwanzig ziehen können, aber durch eine polizeiliche Verordnung vom 24. Mai 1860 wurde die Länge eines Schleppverbandes auf 600 Meter begrenzt.[20]

Literatur

Weblinks

 Commons: Kettenschifffahrt in Frankreich – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien
 Wikisource: Tauerei – Quellen und Volltexte

Einzelnachweise

  1. a b c Sigbert Zesewitz, Helmut Düntzsch, Theodor Grötschel: Kettenschiffahrt. VEB Verlag Technik, Berlin 1987, ISBN 3-341-00282-0, 1, S. 9–15.
  2. a b c d e f g h i Gustav Carl Julius Berring: Die Tauerei-Schiffahrt auf der Seine. In: Centralblatt der Bauverwaltung, Berlin 1881, Seiten 189-191
  3. a b c d J. Fölsche: Kettenschiffahrt auf der Elbe und auf der Seine. In: Deutsche Bauzeitung 1 (1867), S. 306–307 und S. 314–316
  4. Walewski: History of the Touax group. S. 3, abgerufen am 16. November 2010 (PDF, englisch).
  5. a b c d e f g h MM. Chanoine und de Lagrené: No. 72, Sur la traction des bateaux, In: Annales des ponts et chaussées: Partie technique. Mémoires et documents relatifs a l'art des constructions et au service de l'ingénieur, Paris 1863, S. 229-322, (Volltext in der Google Buchsuche)
  6. Bateau remorqueur dit toueur du canal latéral à la Loire à Saint-Léger-des-Vignes. Abgerufen am 3. April 2011 (französisch).
  7. Jaques de LaGarde: Das französische Seilschleppschiff „Ardeche“, in: Navalis 1/11, Seite 43–44.
  8. a b Ed. Sonne: Handbuch der der Ingenieurwissenschaften in fünf Teilen, Ditter Teil: Der Wasserbau, Band 5: Binnenschiffahrt, Schiffahrtskanäle, Flussregulierungen, Verlag Wilhelm Engelmann, Leipzig 1906, Seite 72
  9. M. Lermoyez: Sur le touage des bateaux dans les souterrains du Canal de Saint-Quentin, In: Annales des ponts et chaussées, Tome VI, Paris 1863, Seite 323-373 online
  10. a b c d e Oskar Teubert: Die Binnenschiffahrt – Ein Handbuch für alle Beteiligten, Band 2, Verlag Wilhelm Engelmann, Leipzig 1918, 4. Teil, Abschnitt III., Schiffszug, 4. Das Schleppen an der Kette oder am Seil, Seite 268–287
  11. Le Touage de Riqueval. Archiviert vom Original am 4. März 2008, abgerufen am 6. Januar 2010 (französisch).
  12. Le toueur de Riqueval fête son centième anniversaire. Magazin Fluvial, 15. Juni 2010, abgerufen am 31. Oktober 2010 (französisch).
  13. Heinz Dirnberger: Elektro-Kettenschlepper im Tunnel von Mauvages. Abgerufen am 6. Januar 2010.
  14. Otto Lueger: Lexikon der gesamten Technik, Abschnitt Kettenschleppschifffahrt, (2. Auflage 1904–1920), Abgerufen am 11. November 2009
  15. Carl Victor Suppán: Wasserstrassen und Binnenschiffahrt. A. Troschel: Berlin-Grunewald 1902, Abschnitt: Schleppzug auf Kanälen. (Zugmittel auf Kanälen., Elektrische Kettenschiffahrt am Bourgogne-Kanal. S. 419–420) Internet Archive
  16. La halle du toueur par Shigeru Ban à Pouilly-en-Auxois, (kurze Beschreibung mit vielen Bildern), Abgerufen am 10. April 2011 (Französisch)
  17. a b c A. Schromm: Die verschiedenen Methoden der Fortbewegung der Schiffe auf Kanälen und kanalisierten Flüssen, In: Zeitschrift des österreichischen Ingenieur- und Architekten-Vereins, Band 42, Heft 3, 1890, Seite 75-79 (online)
  18. A. v. Kaven: Vorträge über Ingenieur-Wissenschaften an der polytechnischen Schule zu Aachen, Kapitel III. Abschnitt Vergleichung der Transporte auf Eisenbahnen und schiffbaren Flüssen, S. 78-80, Hannover 1870 (Volltext in der Google Buchsuche)
  19. Carl Victor Suppán: Wasserstrassen und Binnenschiffahrt. A. Troschel: Berlin-Grunewald 1902, Abschnitt: Binnenschiffahrt. (Dampfschifffahrt., Zugersuche mittels endloser Kette. S. 269–270) Internet Archive
  20. Maxime Du Camp: Paris, ses organes, ses fonctions et sa vie dans la seconde moitié du XIXe siècle, Hachette, 1879 (Band 1, Seite 319-332).

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