- Kilianskirche (Bissingen)
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Die Kilianskirche in Bissingen an der Enz ist eine gotische Westturmkirche. Sie ist mit einer in Umfang und Erhaltungszustand seltenen Biblia pauperum aus dem 17. Jahrhundert ausgemalt.
Inhaltsverzeichnis
Baugeschichte
Der älteste Teil sind die Grundgeschosse des Turms aus dem 13. Jahrhundert, der als massiver Wehrturm angelegt war. Schmale frühgotische Fenster im ersten Turmgeschoss deuten auf die Bauzeit hin. Dass der Turm, anders als bei den meisten Dorfkirchen der Region, nach Westen ausgerichtet war, dürfte daran liegen, dass er das Dorf Richtung Westen zum offenen Enztal hin gegen mögliche Feinde absichern sollte. An den Turm schloss sich, vermutlich Richtung Osten, ein kleines Kirchenschiff von gleicher Breite an.
Im 15. Jahrhundert kam die Kirche in den Besitz des Markgröninger Heiliggeistspitals. Dieses Spital hatte in jener Zeit eine intensive Bauperiode unter dem Ordensbaumeister Betz. Dies kam neben der Markgröninger Spitalkirche auch der Bissinger Kilianskirche zugute. Das Schiff wurde in der Breite nach Norden und Süden gleichmäßig erweitert. Im Osten wurde ein gewölbter Chor und südlich im Anschluss daran eine Sakristei angefügt. Der Turm, der nun eine offene Vorhalle bildete, bekam an beiden Seiten je einen spätgotischen Spitzbogeneingang. Jeweils ein weiteres Portal wurde in die Nord- und in die Südwand eingezogen. Die Jahreszahl 1520 im Schlussstein des Chorbogens deutet darauf hin, dass der Umbau um diese Zeit stattfand. Über dem mittleren Chorfenster befindet sich eine weitere Jahreszahl, 1535, vermutlich das Jahr, in dem die Umbauten endgültig abgeschlossen waren. Der Turm besaß damals vermutlich ein Glockengeschoss aus Fachwerk über den beiden Steingeschossen. Anfang des 17. Jahrhunderts wurde der Turm um zwei Geschosse aufgestockt, wie aus der Jahreszahl 1614 in einem Eckquader des vierten Turmgeschosses hervorgeht. In ihm befand sich nun die Glockenstube, darüber vermutlich ein Pyramidendach. Aus dem Dreißigjährigen Krieg sind keine nachhaltigen Schäden bekannt, obwohl die Dorfbevölkerung schwer litt. Erst gegen Ende des 17. Jahrhunderts hatte sie sich von den Seuchen und Hungersnöten infolge der Plünderungen und Zerstörungen durch durchziehende Kriegshorden erholt.
In der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts entstand auch die Biblia pauperum, die Ausmalung mit biblischen Szenen aus dem Alten und Neuen Testament. 1677 entstanden die Bilder, die der Besucher beim Eintritt von Westen her Richtung Chor sieht. Auf 1691 datiert sind die Bilder in umgekehrter Blickrichtung, sowie das große Jonasbild im Chor und die Bilder auf der Westempore. In der Barockzeit wurden in der Kirche Emporen gebaut und die Wandbilder übermalt. Ein weiteres Geschoss wurde in Fachwerkbauweise als neues Glockengeschoss auf den Turm aufgesetzt, darüber in kunstvoller Zimmermannsarbeit die spitze Turmhaube aufgesetzt, mit ihrem Übergang vom Viereck zu Achteck.
Bei einer großen Renovierung kurz vor dem Zweiten Weltkrieg wurden diese Emporen mit Ausnahme der Westempore wieder beseitigt. 1960–1961 fand schließlich die letzte grundlegende Renovierung statt. Dabei wurde der gesamte nachreformatorische Bilderzyklus wieder freigelegt, mit Ausnahme weniger Bilder im westlichen Teil, bei denen dies infolge von Umbaumaßnahmen im Barock nicht mehr möglich war. Die baufällige Gipsdecke, die den Anlass zu der Renovierung gegeben hatte, wurde entfernt. Beim Aufbrechen der Gipsdecke entdeckte man, dass die Bretter, auf die sie fixiert war, mit Engelsköpfen und Sternen bemalt waren; sie waren selbst die Bestandteile einer älteren barocken Holzdecke. Man ersetzte sie dennoch durch eine einfache hölzerne Bretterdecke, weil sie stilistisch in der restaurierten Kirche nicht mehr in Frage kam. Bei der neuen Decke wurden die Tragbalken als optisch strukturierende Elemente einbezogen. Ein Teil der barocken Holzdecke wurde restauriert und im zweiten Turmgeschoss, oberhalb des Emporenaufgangs, als Decke angebracht.
Architektur
Die wuchtigen Spitzbogeneingänge des Turms waren ursprünglich offen. Der südliche dient nach wie vor als Kircheneingang, während der nördliche durch eine Außentoilette verdeckt ist. Im Geschoss darüber sieht man die schmalen frühgotischen Lanzettfenster, in den beiden darüber befindlichen Renaissancegeschossen rechteckige Fenster. Die Fensteröffnungen im vierten Geschoss, der ehemaligen Glockenstube, sind mit Rillenführungen für Schallläden versehen. Das Fachwerkgeschoss darüber ist nicht als solches erkennbar, da es verputzt ist.
Das Seitenportal auf der Südseite ist durch einen Windfang verdeckt. Am zugemauerten Gegenstück auf der Nordseite liegt die handwerklich hochwertige Steinmetzarbeit offen zutage. Die Fenster an Nord- und Südseite umläuft ein mäanderndes Gesims, das auch an der Markgröninger Spitalkirche vorhanden ist – eine Spezialität des Markgröninger Baumeisters. Nördlich am Chor befindet sich ein enger Wendeltreppenaufgang zum Dach. Ein alter vermauerter Ausgang führt aus dem Aufgang zum Schiff hinaus, möglicherweise der Zugang zu einem ehemaligen Lettner. Ein weiterer vermauerter Ausgang führte zu der in den 1930er Jahren wieder abgebauten Chorempore.
Die hoch gelegene Sakristei an der Südseite besitzt ein Renaissanceportal.
Die Ornamente an den Fenstern sind fein ausgearbeitete Beispiele spätgotischen Maßwerks. Bis auf die Sakristeifenster sind sie aus der Grundform der Fischblase im Flamboyant-Stil ausgeführt.
Innenausstattung
Ausmalung
Wandgemälde datiert 1677
Der Zyklus beginnt am Chorbogen. Die Abbildungen dort zeigen
- Mariä Verkündigung,
- die Anbetung des Jesusknaben durch Hirten und Könige,
- die Flucht nach Ägypten,
- Christus mit den Jüngern am Ölberg.
Daran schließen sich sieben Bilder an der Südwand an:
- Verkauf Josephs durch seine Brüder,
- die eherne Schlange in der Wüste mit Mose und Aaron,
- in einem Feld Christus in der Kelter und Der geistliche Weingarten des Herrn Jesu; beide Bilder mit Bezug zum örtlichen Weinbau,
- die Kundschafterin mit der Kalebstraube,
- Christi Auferstehung,
- Christi Himmelfahrt,
- der Fischzug Petri.
Die Bilder an der Nordwand zeigen:
- das Pfingstwunder,
- den Kampf Jakobs mit dem Engel,
- den Traum Jakobs von der Himmelsleiter,
- die Verklärung Jesu mit Mose, Elias, Petrus, Johannes und Jakobus,
- das Gleichnis vom reichen Mann und vom armen Lazarus,
- das Jüngste Gericht.
Im Chor befinden sich folgende Bilder:
- Sündenfall und Vertreibung aus dem Paradies,
- die Versuchung Josephs durch Potiphars Frau,
- die Speisung der Fünftausend,
- eine Szene vom Zorn Gottes aus der Offenbarung des Johannes,
- Gleichnis vom Unkraut unter dem Weizen (von der Orgel verdeckt)
- von der Darstellung der Berufung des Propheten Elischa ist nur der Text erhalten,
- Taufe Christi im Jordan,
- Isaaks Opferung durch Abraham,
- das Abendmahl, durch die Chorempore zerstört, im unteren Teil durch den Restaurator angedeutet,
- eine Illustration zum Vers „Brich dem Hungrigen dein Brot“ von Jesaja.
Wandgemälde datiert 1691
Die Bilder im Bereich der Empore aus der zweiten Ausmalung zeigen:
- das klugen und den törichten Jungfrauen,
- vier Darstellungen aus der Passion Christi,
- kaum noch erkennbar das himmlische Jerusalem,
- Mose bringt die Gesetzestafeln vom Berg Sinai, während das Volk um das Goldene Kalb tanzt.
Das große reichhaltige Bild über dem Chorbogen ist wohl das bedeutendste von allen. Es stammt ebenfalls aus der zweiten Ausmalung und stellt die Geschichte von Jona und dem Walfisch in mehreren Episoden dar.
Bilder auf der Emporenbrüstung
Die Bilder auf der Emporenbrüstung stammen aus dem 18. Jahrhundert und zeigen die vier Evangelisten und zwölf Apostel in ungewöhnlicher Reihenfolge. Merkwürdigerweise fehlt Petrus, ebenso ungewöhnlich ist die Tatsache, dass eines der Bilder Judas gewidmet ist. Dies ist vermutlich darauf zurückzuführen, dass der Maler die genauen Namen der Apostel nicht kannte und den ersten Vornamen von Judas Thaddäus versenhentlich dem so genannten Verräter Judas zuordnete. Dass das erste dieser Biler mit Thaddaeus statt mit Judas Thaddaeus beschriftet ist, deutet darauf hin.
Weitere Elemente
In der Südwand im Schiff befindet sich eine Nische, in der das Bildnis des Heiligen Wolfgang dargestellt ist. Vermutlich bewahrte die Gemeinde es, weil sie der Meinung war, es handle sich nicht um Wolfgang, sondern um Kilian, den Namenspatron der Kirche.
Das schmucklose, aber fein gearbeitete Taufbecken ist eine handwerklich sehr gute Steinmetzarbeit, angeblich aus dem 14. Jahrhundert. Der Fußstein allerdings – möglicherweise ein ehemaliger Mühlstein – gehörte ursprünglich mit Sicherheit nicht dazu.
Orgel
Die Orgel wurde 1988 von dem Orgelbauer Peter Vier (Friesenheim) erbaut. Das Instrument hat 23 Register und 4 Vorabzüge auf zwei Manualen und Pedal. Drei Register des Hauptwerkes stehen auf Wechselschleifen und sind im Positiv spielbar. Das erste Manual ist als Koppelmanual angelegt. Die Spiel- und Registertrakturen sind mechanisch.[1]
II Hauptwerk C–g3 1. Bourdon 16' 2. Prinzipal 8' 3. Spitzflöte 8' 4. Oktave 4' 5. Rohrflöte 4' 6. Superoktave 2' 7. Quinte (aus Nr. 8) 11/3' 8. Mixtur IV 11/3' 9. Cornett V 8' 10. Trompete 8' III Positiv C–g3 11. Bourdon (Nr. 1) 16' 12. Spitzflöte (Nr. 3) 8' 13. Gedackt 8' 14. Prinzipal 4' 15. Rohrflöte (Nr. 5) 4' 16. Nazard (aus Nr. 17) 22/3' 17. Sesquialter II 22/3' 18. Flageolet 2' 19. Sifflet (aus Nr. 20) 1' 20. Scharf IV 1' 21. Cromorne 8' Tremulant Pedalwerk C–f1 22. Subbaß 16' 23. Oktavbaß 8' 24. Gemshorn 8' 25. Choralbaß (aus Nr. 26) 4' 27. Rauschwerk V 4' 28. Posaune 8' - Koppeln: II/P, III/P
Literatur
- Markus Otto: Evang. Kilianskirche Bissingen a. d. Enz. Schnell Kunstführer Nr. 1602. München 1986: Verlag Schnell & Steiner GmbH & Co
Einzelnachweise
Weblinks
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Commons: Kilianskirche (Bissingen) – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien
- Internetauftritt der evangelischen Kirchengemeinde Bissingen an der Enz
48.947539.09598Koordinaten: 48° 56′ 51″ N, 9° 5′ 46″ OKategorien:- Kilianskirche
- Gotische Hallenkirche in Deutschland
- Kirchengebäude der Evangelischen Landeskirche in Württemberg
- Kirchengebäude im Landkreis Ludwigsburg
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- Disposition einer Orgel
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