Leopold Grausam, jun.

Leopold Grausam, jun.
Leopold Grausam (in den 1990er-Jahren)

Leopold Grausam, jun. (* 7. Mai 1946 in Wien; † 16. August 2010) war ein österreichischer Bildhauer und Steinmetzmeister. Er war langjähriger Technischer Leiter der Städtischen Steinmetzwerkstätte der Stadt Wien und schuf eine Vielzahl von Grabmälern und Grabsteinen sowie von Mahnmalen, Gedenksteinen und Gedenktafeln, insbesondere zum Gedenken an den Widerstand gegen den Austrofaschismus und Nationalsozialismus sowie zum Gedenken an die Opfer der NS-Zeit.

Inhaltsverzeichnis

Leben und Wirken

Leopold Grausam stammte aus einer Künstlerfamilie und interessierte sich von Kindheit an für das Schauspiel und das Marionettentheater. Ihn prägte die antifaschistische Haltung seines Vaters Leopold Grausam sen. (1911–1980), der als Februarkämpfer seit 1934 vom austrofaschistischen Regime verfolgt worden war. Leopold Grausam jun. fühlte sich aufgrund der Vergangenheit seines Vaters auch später den sozialdemokratischen Freiheitskämpfern immer sehr eng verbunden. Er absolvierte nach seiner Schulzeit eine Steinmetzlehre und arbeitete dann in seinen „Wanderjahren“ in verschiedenen Steinmetzbetrieben in ganz Österreich.[1]

Nach seiner Rückkehr nach Wien wurde Grausam für die Städtische Steinmetzwerkstätte der Stadt Wien tätig, für die er jahrzehntelang als Technischer Leiter wirkte. Nebenher betätigte er sich künstlerisch als Bildhauer und Maler.[1] Grausam schuf eine Vielzahl von Grabmälern, Grabsteinen, Mahnmalen und Gedenksteinen sowie von verschiedenen Steinmetzarbeiten zur Gestaltung von öffentlichen Plätzen, Parks und Anlagen in ganz Wien. Er widmete sich in seinem Leben wie in seiner Arbeit dem Kampf gegen den Faschismus; so gestaltete er eine Reihe von Mahnmalen, Gedenksteinen und Erinnerungszeichen zum Gedenken an den Kampf gegen den Austrofaschismus und den Nationalsozialismus sowie an die Opfer der Verfolgung durch die Nationalsozialisten. Hierzu gehören auch eine große Zahl von Gedenktafeln in den Wiener Bezirken. Grausam pflegte dabei eine enge Zusammenarbeit mit Rosa Jochmann, Josef Hindels und Herbert Exenberger und anderen vom Bund Sozialdemokratischer Freiheitskämpfer, Opfer des Faschismus und aktiver Antifaschisten.[2]

Zu Grausams bedeutenden Arbeiten gehören das Denkmal für die Opfer der NS-Gewaltherrschaft auf dem Morzinplatz; die Denkmäler für die Februarkämpfer und für die Spanienkämpfer auf dem Wiener Zentralfriedhof in Wien-Simmering; die Gedenkstätten für die ermordeten Kinder vom Spiegelgrund, für die im Wiener Landesgericht und auf dem Schießplatz Kagran ermordeten Frauen und Männer des Widerstandes auf dem Zentralfriedhof; sowie die Grabdenkmäler für Rosa Jochmann und Josef Hindels.[2]

Beim Denkmal für die Opfer der NS-Gewaltherrschaft auf dem Morzinplatz in Wien-Innere Stadt, wo sich während der NS-Zeit in dem vormaligen Hotel Metropol die Gestapo-Leitstelle Wien befand, bezog Grausam einen dort bereits 1951 aufgestellten und mit einer Inschrift versehenen Gedenkstein mit in seine Gestaltung ein. Er ergänzte den vorhandenen Steinblock mit einfachen, roh behauenen Steinquadern und einer dazwischen stehenden Bronzefigur. Den obenliegenden Quader, der die Nische mit der Figur abdeckt, versah Grausam mit der Inschrift Niemals vergessen sowie links und rechts mit je einer der ehemaligen NS-Zwangskennzeichnungen, dem roten Dreieck der Politischen Gefangenen und dem gelben Judenstern.[3]

Signatur mit Steinmetzzeichen von Leopold Grausam (hier beim Denkmal für die Opfer der NS-Gewaltherrschaft auf dem Morzinplatz in Wien)

Als Stein wählte er Mauthausener Granit aus den ehemaligen KZ-Steinbrüchen um Mauthausen aus; der Bezug ergab sich für ihn daraus, dass die von der Gestapo verhafteten und in der ehemaligen Staatspolizeileitstelle am Morzinplatz verhörten NS-Verfolgten meistens ins KZ Mauthausen kamen, wo sie im dortigen Steinbruch schwere Zwangsarbeit leisten mussten.[1] Die Enthüllung des Denkmals erfolgte am 1. November 1985 durch Bürgermeister Helmut Zilk und Rosa Jochmann.[4] Die Symbolik des von Grausam gestalteten Denkmals – ein die Faust ballender, vorwärtsschreitender Mann, der sich zwischen den Steinquadern erhebt – wird von dem Publizisten Peter Diem als „Sinnbild der Überwindung der dunkelsten Jahre in der Geschichte unserer Republik“ beschrieben.[3]

Die von ihm geschaffenen Arbeiten versah Grausam in der Tradition des Steinmetzhandwerks mit seiner Signatur und seinem persönlichen Steinmetzzeichen.

Mitte der 2000er-Jahre beteiligte Grausam jun. sich an der Wiederherstellung einer Gedenktafel für drei hingerichtete Widerstandskämpfer, die sein Vater Leopold Grausam sen. 1963 geschaffen und die sich seitdem im früheren Gebäude der Österreichischen Staatsdruckerei am Rennweg in Wien befunden hatte. Die Gedenktafel zur Erinnerung an die drei Buchdrucker Alois Hudec, Gustav Kiesel und Wilhelm Weixlbraun, die als kommunistische Widerstandskämpfer von den Nationalsozialisten zum Tode verurteilt und 1943 im Wiener Landesgericht enthauptet wurden, wurde 2005 im neuen Betriebsgebäude der Staatsdruckerei in der Tenschertgasse im 23. Wiener Gemeindebezirk wiedererrichtet.[5]

Ehrungen

2006 wurde Leopold Grausam für sein Lebenswerk vom Landesverband Wien des Bundes Sozialdemokratischer Freiheitskämpfer, Opfer des Faschismus und aktiver Antifaschisten mit der Otto-Bauer-Plakette ausgezeichnet.[2]

Werk (Auswahl)

Bildhauer- und Steinmetzarbeiten

  • 2005: Denkmal für die hingerichteten Widerstandskämpfer in Wien-Simmering, Zentralfriedhof[6]
  • 2003: Mahnmal für die zerstörte Simmeringer Synagoge in Wien-Simmering, Kreuzung Braunhubergasse/Hugogasse
  • 2002: Gedenkstätte für die ermordeten Kinder vom Spiegelgrund in Wien-Simmering, Zentralfriedhof[7]
  • 2000: Jazzskulptur im Bill-Grah-Park in Wien-Essling
  • 1995: Mahnmal für die Opfer des Faschismus in Wien-Penzing, Baumgartner Friedhof
  • 1994: Grabstein und Gedenkplatte für Rosa Jochmann in Wien-Simmering, Zentralfriedhof
  • 1990: Grabstein für Josef Hindels in Wien-Simmering, Zentralfriedhof
  • 1988: Denkmal für die österreichischen Spanienkämpfer in Wien-Simmering, Zentralfriedhof[8]
  • 1988: Denkmal für Opfer des Nationalsozialismus in Linz, Alt-Urfahr[9]
  • 1985: Denkmal für die Opfer der NS-Gewaltherrschaft in Wien-Innere Stadt, Morzinplatz
  • 1984: Schutzbunddenkmal für die Februarkämpfer in Wien-Simmering, Zentralfriedhof[10]
  • 1982: Denkmal für die Opfer des Bombenkrieges 1944–1945 in Wien-Simmering, Zentralfriedhof[11]

Publikationen

  • Niemals vergessen. In: Perspektiven, Heft 6 von 7/2006, N. J. Schmid Verlagsges.m.b.H. in Zusammenarbeit mit der Stadt Wien, Wien 2006, ISSN 0004-7805, S. 89–92.


Zitate

„Der Stein ist kein totes Material, sondern eine lebendige Kraft, die wie Menschen und Orte eine unverwechselbare Ausstrahlung haben.“

Leopold Grausam 2002 im Gespräch[1]

Literatur

  • Peter Diem: Die Symbole Österreichs. Zeit und Geschichte in Zeichen. Verlag Kremayr & Scheriau, Wien 1995, ISBN 3-218-00594-9; S. 202ff.

Weblinks

 Commons: Leopold Grausam, jun. – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. a b c d Beatrix Neiss: Über Denkmäler, Gräber und andere Erinnerungszeichen. Von Steinen und Menschen. In: Extra: Lexikon. Wiener Zeitung, 1. November 2002, abgerufen am 8. Mai 2010.
  2. a b c Otto-Bauer-Plakette für Leopold Grausam. Bund Sozialdemokratischer Freiheitskämpfer, Opfer des Faschismus und aktiver Antifaschisten, Landesverband Wien, abgerufen am 8. Mai 2010.
  3. a b Peter Diem: Das Denkmal für die Opfer des Faschismus. In: Symbole aus Stein und Bronze. Austria-Forum, abgerufen am 8. Mai 2010.
  4. Mahnmal Morzinplatz. In: Der ehemalige Verein zur Erforschung nationalsozialistischer Gewaltverbrechen und ihrer Aufarbeitung. Forschungsstelle Nachkriegsjustiz (www.nachkriegsjustiz.at), abgerufen am 8. Mai 2010.
  5. Willi Weinert: Eine Gedenktafel konnte vor dem Verschwinden gesichert werden. In: Mitteilungen der Alfred Klahr Gesellschaft, Nr. 1/2006. Alfred Klahr Gesellschaft (www.klahrgesellschaft.at), 2006, abgerufen am 8. Mai 2010.
  6. Hedwig Abraham: Opfergräber: Hingerichtete Widerstandskämpfer. In: Friedhöfe: Zentralfriedhof. Kunst und Kultur in Wien (www.viennatouristguide.at), abgerufen am 11. Mai 2010.
  7. Hedwig Abraham: Opfergräber: Kinder vom Spiegelgrund. In: Friedhöfe: Zentralfriedhof. Kunst und Kultur in Wien (www.viennatouristguide.at), abgerufen am 8. Mai 2010.
  8. Hedwig Abraham: Opfergräber: Widerstandskämpfer Spanien. In: Friedhöfe: Zentralfriedhof. Kunst und Kultur in Wien (www.viennatouristguide.at), abgerufen am 8. Mai 2010.
  9. Denkmal für Opfer des Nationalsozialismus. In: Kunst und Kultur in Linz. Stadtkommunikation Linz (www.linz.at), abgerufen am 8. Mai 2010.
  10. Hedwig Abraham: Opfergräber: Opfer des Bürgerkrieg 1934 – Zivilisten. In: Friedhöfe: Zentralfriedhof. Kunst und Kultur in Wien (www.viennatouristguide.at), abgerufen am 9. Mai 2010.
  11. Hedwig Abraham: Opfergräber: Opfer des Bombenkrieges im 2. WK. In: Friedhöfe: Zentralfriedhof. Kunst und Kultur in Wien (www.viennatouristguide.at), abgerufen am 11. Mai 2010.

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