Narym

Narym
Selo
Narym
Нарым
Vorlage:Infobox Ort in Russland/Wartung/AltFöderationskreis Sibirien
Oblast Tomsk
Rajon Parabel
Gegründet 1596
Selo seit 1925
Höhe des Zentrums 50 m
Bevölkerung 995 Einw. (Stand: 2008)
Zeitzone UTC+7
Telefonvorwahl (+7) 38252
Postleitzahl 636611
Kfz-Kennzeichen 70
OKATO 69 244 840
Geographische Lage
Koordinaten 58° 56′ N, 81° 36′ O58.92777777777881.59583333333350Koordinaten: 58° 55′ 40″ N, 81° 35′ 45″ O
Narym (Russland)
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Narym (Oblast Tomsk)
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Oblast Tomsk
 

Narym (russisch Нары́м) ist ein Dorf (Selo) in der Oblast Tomsk (Russland). Es hat 995 Einwohner (2008) und gehört zu den ältesten russischen Ortschaften in Sibirien.

Inhaltsverzeichnis

Geographie

Das Dorf liegt im Westsibirischen Tiefland, etwa 330 km Luftlinie nordwestlich des Oblastverwaltungszentrums Tomsk an einem rechten Arm des Ob (Besymjannaja Protoka, „Namenloser Arm“). Wenig oberhalb des Ortes mündet die Ket mit ihrem rechten Mündungsarm Kopylowskaja Ket in den Ob.

Narym gehört zum Rajon Parabel und liegt 25 km Luftlinie nördlich von dessen Verwaltungszentrum Parabel. Im Dorf hat die Verwaltung der gleichnamigen ländlichen Gemeinde ihren Sitz, zu der außerdem die Dörfer Alatajewo (84 Einwohner; 14 km aufwärts der Kopylowskaja Ket jenseits der Einmündung der Paidugina) und Lugowskoje (203 Einwohner; 4 km aufwärts) und die Siedlungen Talinowka (153 Einwohner; 6 km abwärts des rechten Ob-Arms) und unmittelbar jenseits des Ob-Arms an Narym anschließend und am Hauptarm des Stroms Schpalosawod (905 Einwohner). Die Gesamteinwohnerzahl der Gemeinde beträgt somit 2340 (Stand 2008).[1]

Geschichte

Narym gehört zu den ältesten von russischen Kosaken während ihrer Expansion nach Sibirien gegründeten Siedlungen jenseits des Ural. Nach der Gründung von Surgut 1594 entstand der mehr als 500 km stromaufwärts gelegene Ostrog Narym 1596 als erster Ort auf dem Territorium der heutigen Oblast Tomsk (Tomsk selbst entstand 1604). Der Name Narym wurde wahrscheinlich vom selkupischen Wort für Sumpf abgeleitet.

1601 wurde Narym „Stadt“ als Verwaltungszentrum eines gleichnamigen Ujesds. 1619 und 1632 wurde der Ostrog verlegt, jedoch blieb die Lage am hier besonders flachen rechten Ob-Ufer einschließlich der heutigen ungünstig: der Ort hat oft unter Hochwasser zu leiden. Mehrfach wurde er zudem von Großfeuern heimgesucht. 1785 wurde das Stadtrecht erneuert und Narym erhielt ein Wappen als Stadt des Gouvernements Tobolsk. 1822 kam es zum Gouvernement Tomsk, verlor seine Verwaltungsfunktion, blieb aber formal Stadt.

Narym spielte eine gewisse Rolle im Handel mit Fellen, die von hier zu den großen Handelsmessen nach Irbit und Makarjew, später Nischni Nowgorod gingen. Auch in Narym fand ein jährlicher „Jahrmarkt“ statt, der aber vorwiegend regionale Bedeutung hatte. Die Einwohnerzahl des Ortes blieb immer gering und sank wie auch seine wirtschaftliche Bedeutung um die Wende zum 20. Jahrhundert endgültig, nachdem die Transsibirische Eisenbahn hunderte Kilometer südlich gebaut worden war. 1925 verlor Narym das Stadtrecht.[2][3]

Verbannungsort

Bekannt wurde Narym vor allem als politischer Verbannungsort, insbesondere ab Beginn des 19. Jahrhunderts. In die „Narymer Verbannung“ (Narymskaja ssylka) wurden Dekabristen (darunter Nikolai Mosgalewski und Pawel Dunzow-Wygodowski), Teilnehmer der polnischen Aufstände, Narodniki und schließlich Sozialdemokraten geschickt. Aus dieser Zeit stammt das geflügelte Wort Gott schuf die Krim und der Teufel Narym (Бог создал Крым, а чёрт – Нарым).

In den 1910er-Jahren waren ein Großteil der nach Narym Verbannten Bolschewiki, die sich teils gleichzeitig dort aufhielten, organisieren und in mehreren Fällen von dort fliehen konnten. Darunter war als prominentester für nur 39 Tage im Jahre 1912 Josef Stalin, aber auch weitere später hochrangige sowjetische Funktionäre, wie Jakow Swerdlow (Staatsoberhaupt Sowjetrusslands), Walerian Kuibyschew (Volkskommissar und Gosplan-Vorsitzender), Alexei Rykow (Vorsitzender des Rates der Volkskommissare), Michail Tomski (Vorsitzender des Allunions-Zentralrates der Gewerkschaften) und Alexander Schischkow.

Auch in der sowjetischen Zeit blieb Narym Verbannungsort; durch die Narymer Verbannung – was sich aber nicht mehr nur auf das Dorf selbst, sondern den riesigen gleichnamigen Okrug bezog, der den Nordwestteil der heutigen Oblast Tomsk einnahm – gingen möglicherweise Hunderttausende. Darunter war beispielsweise 1927–1929 der als „Trotzkist“ verurteilte lettischstämmige hohe Wirtschaftsfunktionär und Direktor des Moskauer Instituts für Volkswirtschaft Ivars Smilga.

Einwohnerentwicklung

Stadtwappen von 1785 (noch zum Gouvernement Tobolsk gehörend)
Jahr Einwohner
1633 46
1785 827
1851 916
1867 1673
1879 2284
1897 1129
1911 895
1917 1114
2008 995

Kultur und Sehenswürdigkeiten

In Narym gibt es ein Museum der politischen Verbannung. Das Museum wurde am 27. Juni 1948 als Stalin-Museum gegründet und 1959 in ein Gedenkmuseum für die nach Narym verbannten Bolschewiki umgewandelt, als Folge der Verurteilung des Personenkultes um Stalin durch den 20. Parteitag der KPdSU 1956. Heute wird auch die Rolle des Ortes als Verbannungsort in der sowjetischen Periode thematisiert.[4]

Der Ort hat den Charakter eines fast ausschließlich aus Holzhäusern bestehenden sibirischen Dorfes bewahrt.

Wirtschaft und Infrastruktur

Hauptwirtschaftszweig war lange Zeit die Forstwirtschaft; viele Einwohner waren auch in der benachbarten Siedlung Schpalosawod (wörtlich „Schwellenwerk“) in einem Werk zur Herstellung hölzerner Bahnschwellen tätig. Auch wegen der ungünstigen Verkehrsanbindung wurden die Betriebe in der Wirtschaftskrise der 1990er-Jahre geschlossen.

Unbefestigte Straßen gibt es nur zu den Nachbardörfern. Eine ganzjährig befahrbare Anbindung an das russische Straßennetz fehlt; im Winter kann das Eis auf dem Ob befahren werden. In der eisfreien Jahreszeit besteht auf dem Fluss auch eine Passagierschiffsverbindung.

Söhne und Töchter des Ortes

  • Wadim Koschewnikow (1909–1984), Schriftsteller

Einzelnachweise

  1. Парабельский район - Административно-территориальное деление Verwaltungsgliederung auf der Webseite der Rajonverwaltung (russisch). Abgerufen am 30. August 2009.
  2. Нарым - Cело Парабельского района Томской области. Geschichte Naryms auf einer privaten Webseite (russisch). Abgerufen am 30. August 2009.
  3. O. Tjapkina: Severnye goroda Zapadnoj Sibiri vo vtoroi polovine XIX v.. In: Goroda Sibiri XVIII – načala XX v.. Nowosibirsk, Barnaul 2001, S. 65–98 (Die nördlichen Städte Westsibiriens in der zweiten Hälfte des 19. Jh., in: Die Städte Sibiriens vom 18. bis Anfang des 20. Jahrhunderts; russisch; online; Abgerufen am 30. August 2009).
  4. Нарымский музей политической ссылки - Narymer Museum politischer Verbannung - bei museum.ru (russisch). Abgerufen am 30. August 2009.

Weblinks

 Commons: Narym – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

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