- Otto Kienzle
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Otto Kienzle (* 12. Oktober 1893 in Baiersbronn; † 14. Oktober 1969 in Prag) war ein deutscher Ingenieur, Fertigungsplaner und Professor.
Inhaltsverzeichnis
Leben
Nach dem Studium an der Technischen Hochschulen Stuttgart und an der Technischen Hochschule Berlin, welches er 1916 mit dem Diplomexamen abschloss, promovierte Otto Kienzle 1921 an der Technischen Hochschule Berlin mit einer Arbeit über Passungssysteme. Die Beschäftigung mit diesem Gebiet, später erweitert auf allgemeine Normungsaufgaben, kennzeichnete seine weitere berufliche Laufbahn. Im Deutschen Normenausschuss (DNA) wirkte er seit 1930 als Obmann des Ausschusses „Passungen" und zeitlich parallel als deutscher Delegierter, seit 1934 als Vorsitzender des Komitees „Passungen“ des Internationalen Normenverbandes (ISA; seit 1946 ISO), seit 1936 als Vorsitzender des ISA-Komitees Werkzeugmaschinen bei der Schaffung internationaler Toleranz- und Passungsnormen maßgeblich mit.
Nach mehrjähriger Industrietätigkeit gründete Kienzle 1930 in Berlin zusammen mit Doktor-Ingenieur Richard Koch das Ingenieurbüro Koch und Kienzle. Neben der Industrieberatung widmete er sich allgemeinen Aufgaben der Produktionstechnik, unter anderem als Mitautor des Buches Fließarbeit (1926, mit Mäckbach), und befasste sich intensiv mit Betriebswirtschaft und Fabrikorganisation. 1934 wurde er als Nachfolger von Georg Schlesinger auf den Lehrstuhl für Betriebswissenschaften und Werkzeugmaschinen der Technischen Hochschule Berlin berufen. Als Forscher befasste er sich nun vornehmlich mit der statischen und dynamischen Steifheit von Werkzeugmaschinengestellen, mit der Erarbeitung von Herstelltoleranzen für Verzahnungen, mit Fragen der Fertigungsmesstechnik einschließlich Oberflächenmesstechnik, mit den beim Zerspanen auftretenden Kräften, mit der Standzeit der Werkzeuge und anderem mehr. Als Lehrer leitete er seine Studenten zur systematischen, gründlichen Beschäftigung mit den vielfältigen Details der Fertigungstechnik und zum Hinausschauen über die engeren Grenzen des Fachgebiets an. Diese auch ihm selbst in hohem Maße eigenen Fähigkeiten sind kennzeichnend für seinen Arbeitsstil, der durch ein ausgeprägtes Sprachbewusstsein, klare Wortbegriffe und einprägsame Formulierungen in allen seinen Veröffentlichungen ergänzt wird. Als Herausgeber der Zeitschrift Werkstattstechnik (seit 1934) beeinflusste er den Stil ingenieurwissenschaftlicher Veröffentlichungen in diesem Sinne beispielhaft.
Kienzles ständiges Anliegen war die Entwicklung einer wissenschaftlichen Lehre der Fertigungstechnik. Dieses hat er nie außer acht gelassen, nicht während des Zweiten Weltkriegs, als er beim Heereswaffenamt für die Entwicklung und Beschaffung von Werkzeugen und Lehren verantwortlich war, und auch nicht in den Jahren nach Kriegsende. Anlässlich des 100jährigen Bestehens des Vereins Deutscher Ingenieure 1956 trug er seine Gedanken über Die Grundpfeiler der Fertigungstechnik – Hauptgeometrie, Fehlerbeherrschung, Mengenleistung, Anpassung der Arbeit an den Menschen vor. Von 1958 bis zu seinem Tod war Kienzle Obmann des DNA-Ausschusses Begriffe der Fertigungsverfahren, der sich die Überarbeitung der Begriffe der Fertigungsverfahren und ihre Einordnung in ein allgemeines System zum Ziel gesetzt hat.
Nach zwangsweiser Verlagerung seines Berliner Institutes bei Kriegsende 1945 nach Aerzen bei Hameln wurde Otto Kienzle 1947 mit der Vertretung des Lehrstuhls für Werkzeugmaschinen der Technischen Hochschule Hannover beauftragt und 1949 auf diesen berufen. In dem damit beginnenden zweiten Abschnitt seines Wirkens als Hochschullehrer wandte er sich einem bis dahin in der Fertigungstechnik wissenschaftlich vernachlässigten Gebiet, der Umformtechnik einzelner Werkstücke, zu. Gemeinsam mit Verbänden der mittelständischen Industrie errichtete er die Forschungsstellen Gesenkschmieden und Blechbearbeitung in Verbindung mit seinem Lehrstuhl, der später die Bezeichnung Lehrstuhl für Werkzeugmaschinen und Umformtechnik erhielt. Mit dem gleichen Hang zur Systematik und mit sicherem Gespür für Wissenslücken auf diesem Gebiet, das bis dahin überwiegend von der Werkstoffseite her wissenschaftlich bearbeitet worden war, förderte Kienzle die beiden Gebiete Blechbearbeitung und Massivumformung in bahnbrechender Weise. Die von ihm 1957 geschaffene Ausstellung Konstruieren in Stahlblech, die über 10 Jahre in Deutschland und im europäischen Ausland gezeigt wurde, gab Konstrukteuren, Herstellern und Anwendern im Fahrzeug-, Maschinen- und Gerätebau Impulse für neue konstruktive Lösungen. In dem auf sein Betreiben geschaffenen Schwerpunkt der Deutschen Forschungsgemeinschaft Mechanische Umformtechnik wurden Vertreter verschiedener Wissenschaftszweige – Metallkunde, Werkstoffkunde, Mechanik, Fertigungstechnik – zusammengeführt. Dadurch wurde eine breite Basis für die wissenschaftlich begründete Weiterentwicklung aller Bereiche der Umformtechnik geschaffen, die eine weitere Richtung von Kienzles Lebenswerk darstellte.
Das von Otto Kienzle geleitete Institut an der Technischen Hochschule Hannover erlangte durch sein Wirken Weltruf. Nach seiner Emeritierung 1961 siedelte Kienzle nach Stuttgart um. In den folgenden Jahren verfasste er verschiedene wegweisende Werke, unter anderem über Oberflächen umgeformter Werkstücke. Daneben war er in nationalen und internationalen Organisationen der ingenieurwissenschaftlichen Gemeinschaftsarbeit, der er sich während seines ganzen Berufslebens uneigennützig zur Verfügung stellte, tätig. Er starb auf einer ISO-Komitee-Sitzung in Prag.
Werke
- Der Austauschbau. 1923.
- Kontrolle der Betriebswirtschaft. 1931.
- Normungszahlen. 1950.
- Taschenbuch der Längenmeßtechnik für Konstruktion, Werkstatt, Meßraum u. Kontrolle. 1954 (mit P. Leinweber und G. Berndt).
- Flächenschluß. 1963 (mit H. Heesch).
- Grundlagen einer Typologie umgeformter metallischer Oberflächen mittels Verfahrensanalyse. 1965 (mit K. Mietzner).
- Atlas umgeformter metallischer Oberflächen. 1967 (mit K. Mietzner).
- Mechanische Umformtechnik. 1968 (mit H. G. Dohmen).
- Fertigungstechnik Automatisierung. 1969 (mit Kurt Pentzlin).
- Erzeugung räumlicher Blechgebilde mittels Flächenbiegung. 1970.
Daneben gab es zahlreiche Veröffentlichungen in:
- Zeitschrift des Vereins Deutscher Ingenieure. 1927 ff.
- Werkstattstechnik. 1930 ff.
Ehrungen
- Dr.-Ing. E. h. (Aachen 1960)
- Dr. techn. h. c. (Wien 1965)
- Erich-Siebel-Gedenkmünze (1966)
- VDI-Ehrenzeichen (1958)
- Ehrenmitglied der Internationalen Forschungsgemeinschaft für Produktionstechnik (CIRP, 1965)
- Goldene Taylor-Medaille d. CIRP (1966)
Zum Gedenken an Otto Kienzle stiftete die von ihm mitbegründete Hochschulgruppe Fertigungstechnik die Otto-Kienzle-Gedenkmünze.
Familie
Otto Kienzle war der Sohn von Ernst Kienzle (1859–1945), Oberforstmeister in Baiersbronn, und von Bertha Palm (1872–1948), Tochter des Apothekers Gustav Palm in Neuenbürg und der Caroline Rau. Seit 1919 war Otto Kienzle verheiratet mit Charlotte, Tochter des Prokuristen Jakob Bernhardt in Schorndorf und der Frida Müller. Über seinen Vater war Otto Kienzle mit dem deutschen Uhrenfabrikanten Jakob Kienzle verwandt.
Literatur
- Kurt Lange: Kienzle, Otto. In: Neue Deutsche Biographie (NDB). Band 11, Duncker & Humblot, Berlin 1977, S. 590–592 (Onlinefassung).
- Mitteilungen der Forschungsgesellschaft Blechverarbeitung. 19/20, 1962 (P) (Pogg. VII a).
Weblinks
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