Römerberggespräche

Römerberggespräche
Römerberggespräche im Mai 2011 (Moderator Alf Mentzer zwischen Ralf Bönt und Wolfgang Bonß)

Römerberggespräche sind eine Reihe von Podiumsdiskussionen, die ohne Unterbrechung seit 1973 in Frankfurt am Main ausgerichtet werden. Sie beschäftigen sich mit aktuellen gesellschaftlichen und kulturellen Fragen.

Inhaltsverzeichnis

Organisation

Die Römerberggespräche werden von einer Gruppe engagierter Bürger ehrenamtlich ausgerichtet.

Initiatoren der ersten Veranstaltungen waren Heinz Willi Wirth, Willi Reiß (IG-Metall-Vorsitzender, Mitglied im Magistrat der Stadt Frankfurt, später Stadtverordnetenvorsteher) und Maria Christiana Leven. Sie bildeten das ehrenamtliche Kuratorium, das die Veranstaltungen organisierte.[1] Hilmar Hoffmann, der damalige Frankfurter Kulturdezernent, nahm den Vorschlag Wirths, „eine Gesprächsrunde … im aufgelockerten Rahmen als eine Art Symposium“ durchzuführen, um „brisante und aktuelle Fragen aus Kunst und Kultur“ zu erörtern, nach dem Vorbild der Darmstädter Gespräche,[2] im September 1971 gleich sehr wohlwollend auf.[3]

Die Reihe wurde über viele Jahre von Erhard Denninger gemeinsam mit Wilfried F. Schoeller moderiert. Ebenfalls zu den Veranstaltern zählten bisher unter anderem Iring Fetscher, Klaus Reichert, Helmut Ridder, Alexander U. Martens und Eva Demski.

Seit 2006 hat sich der informelle Kreis, der die Gespräche derzeit organisiert, in dem Verein Römerberggespräche e. V. zusammengeschlossen.[4] Ebenfalls beginnend in diesem Jahr, liegt die Moderation der Gespräche bei Alf Mentzer (leitender Redakteur für Literatur bei hr2-kultur).

Die Veranstaltungsreihe wird finanziell getragen von der Stadt Frankfurt am Main und vom Land Hessen. Außerdem wird sie von der Frankfurter Rundschau und von der Frankfurter Allgemeinen Zeitung publizistisch unterstützt.

Die Dauer der Tagungen ist unterschiedlich: Mehrheitlich wurden mehrtägige Diskussionen durchgeführt, während in jüngerer Zeit eintägigen sogenannten „Interventionen“ der Vorzug gegeben worden ist, die jeweils im Frühjahr und im Herbst stattfinden.

Auch der Veranstaltungsort wurde über die Jahre mehrfach gewechselt. Ursprünglich fanden die Podien im Sitzungssaal der Frankfurter Stadtverordnetenversammlung im Rathaus, dem Römer, statt. Der Name der Gesprächsreihe ist von dem öffentlichen Platz vor dem Rathaus, dem Römerberg, hergeleitet, wo traditionell größere politische Versammlungen abgehalten werden. Während der 1990er Jahre wechselte man in die Paulskirche, wohingegen die Reihe in den letzten Jahren im Chagallsaal des Schauspiel Frankfurt stattfand.

Themen

Die Tagung umfasst Vorträge und vertiefende Diskussionen, an denen sich auch das Publikum beteiligen kann.

Die Römerberggespräche greifen aktuelle politische und kulturelle Probleme und Fragen auf. Teilnehmer sind Politiker und Künstler ebenso wie Wissenschaftler und Publizisten. Demzufolge berühren die Diskussionen Punkte, die für die Entwicklung von Staat, Wirtschaft, Kultur und Zivilgesellschaft von großer Bedeutung sind. In der Anfangszeit war die Studentenbewegung um 1968 ein Thema, das in der Diskussion zu verarbeiten war. Mitte der 1980er Jahre nahm der sogenannte Historikerstreit seinen Anfang anhand eines Artikels, den der Historiker Ernst Nolte in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung veröffentlichte, weil er ihn bei den Römerberggesprächen 1986 nicht als Rede habe vortragen können. In der Wendezeit um 1990 wurden Intellektuelle aus West- und Osteuropa zum Austausch eingeladen. Im Jahr 2001 reagierte man aktuell auf die zwei Monate zuvor erfolgten Terroranschläge am 11. September 2001 in New York City.

Teilnehmer waren in zeitlicher Folge unter anderem Hans Magnus Enzensberger, Erich Fried, Jean Améry, Karl Krolow, Peter O. Chotjewitz, Oskar Negt, Ernst-Otto Czempiel, Erhard Eppler, Horst-Eberhard Richter, Walter Boehlich, Claus Leggewie, Ekkehart Krippendorff, Harald Welzer und Daniel Cohn-Bendit.[5]

Bisher wurden folgende Themen verhandelt:[6]

  • 1973: Kann die Stadt im Kapitalismus noch bewohnbar gemacht werden?
  • 1974: Kunst und Manipulation
  • 1976: Literatur – Opium ohne Volk
  • 1977: Sie schlagen uns das Kino tot
  • 1978: Humanismus und Utopie
  • 1979: Die Angst des Prometheus, Fortschritt ohne Sinn
  • 1980: Die Bundesrepublik Deutschland – Republik ohne Bürger?
  • 1981: Innerlichkeit – Flucht oder Rettung?
  • 1982: Diskriminierung
  • 1983: Kultur-Zerstörung
  • 1984: Sprache der Macht – Macht der Sprache
  • 1986: Mäzen und Muse – Wer hält wen aus? sowie: Politische Kultur – heute?
  • 1987: Jugendwahn und Altersangst: Einsamkeit mit Unterbrechung – Ausgegrenzt – Eingespannt – Ausgegrenzt
  • 1988: Hat das geistige Europa abgedankt?
  • 1989: Ethik von morgen?
  • 1990: Der Umbau Europas
  • 1991: Achilles und die Schildkröte. Die Sache mit der Zeit
  • 1992: Das verunsicherte Europa
  • 1993: Arbeit ohne Sinn? – Sinn ohne Arbeit?
  • 1994: Anderssein, ein Menschenrecht. Über die Vereinbarkeit universaler Normen mit kultureller und ethnischer Vielfalt
  • 1995: Kommt eine neue Kultur? Auf der Suche nach Wirklichkeit im Medienzeitalter
  • 1996: Hunde, wollt Ihr ewig leben? Der Zugriff der Biologen
  • 1997: Europa – Kontinent im Abseits
  • 1998: Ende des Staates – Anfang der Bürgergesellschaft? Die Zukunft der sozialen Demokratie
  • 1999: Erinnerte Zukunft. Was nehmen wir mit ins nächste Jahrtausend?
  • 2000: Denk ich an Deutschland
  • 2001: Gewalt, Terror, Krieg? Eine Debatte über den Extremismus der Gefühle
  • 2002: Osteuropas West-Erweiterung
  • 2003: In Liebe, Europa. Über die Macht der Gefühle
  • 2004: Intervention: Die Angst in der B-Ebene oder Wirkungen des Terrorismus. Über Bedrohung, Fanatismus, Sicherheit und Schutzbedürfnis, sowie: Die Sache mit der Bildung – Versuche über Lernen und Leben
  • 2005: Was wollen wir vom Staat?
  • 2006: Der Umbau der Städte – Aktuelle Kontroversen, sowie: Die Geltung der Menschenrechte – Die alte Konfrontation oder ein neuer Dialog?
  • 2007: Intervention: Abhören, Überwachen, Speichern. Über unsere Grundrechte und den erfaßten Bürger, sowie: Die Berliner Republik – Eine Betriebsbesichtigung
  • 2008: Intervention: My Space – Unser Platz im Netz. Erkundungen einer anderen Öffentlichkeit, sowie: Zurück zur Gewalt – Im Dschungel der Bilder
  • 2009: Intervention: Theater der Politik – Die inszenierte Demokratie und ihre Rituale, sowie: Die Krise des Überblicks – Prognosen, im Sturm der Ereignisse
  • 2010: Intervention: Bildung Bolognese – Wozu noch die Universität? sowie: Man nennt es: Kultur. Die Verarmung der Musen in Europa
  • 2011: Intervention: Der Optimismus der Ingenieure. Wieviel Risiko ist verantwortbar? sowie: Gefällt mir nicht. Demokratie auf dem Prüfstand

Literatur

Zu einigen Veranstaltungen wurden in unregelmäßiger Folge von 1983 bis 2000 Tagungsbände veröffentlicht, die im Athenäum Verlag sowie im S. Fischer Verlag erschienen sind.

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Alle Angaben zur Geschichte der Römerberggespräche sind entnommen: Römerberggespräche e. V.: Römerberggespräche: Debatte, Kontroverse und städtische Öffentlichkeit. Abgerufen am 13. Januar 2011. sowie: Ingeborg Wirth: Kuratorium. Abgerufen am 8. Mai 2011.
  2. Anschreiben an Kulturdezernenten Hilmar Hoffmann. Abgerufen am 5. August 2011 (Faksimile des Schreibens von Willi Wirth an Hilmar Hoffmann vom 7. September 1971)..
  3. Reaktion Hilmar Hoffmanns. Abgerufen am 8. Mai 2011 (Faksimile des Antwortschreibens von Hilmar Hoffmann an Willi Wirth vom 17. September 1971).
  4. Vgl. die vollständige Liste der Teilnehmer: Römerberggespräche e. V: Römerberggespräche. Seit 1973 in ununterbrochener Folge. Abgerufen am 13. Januar 2011.
  5. Vgl. die vollständige Liste der Teilnehmer: Römerberggespräche e. V: Römerberggespräche. Seit 1973 in ununterbrochener Folge. Abgerufen am 13. Januar 2011.
  6. Römerberggespräche e. V: Römerberggespräche. Seit 1973 in ununterbrochener Folge. Abgerufen am 13. Januar 2011.

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