Salonbolschewist

Salonbolschewist

Die Bezeichnung Salonbolschewist stellt eine Steigerung der Bezeichnung Salonkommunist dar. Für den Duden von 1983 ist der Salonkommunist ein Mensch, der sich für die Theorien des Kommunismus begeistert, sie freilich in der Praxis nur vertritt, sofern ihm dadurch keine persönlichen Nachteile entstehen.

Inhaltsverzeichnis

Zur Geschichte

Möglicherweise wurde die Bezeichnung Salonkommunist zum Zwecke der Verspottung bereits vor 1900 eingesetzt. Meyers Lexikon in der 7. Auflage kennt sie allerdings noch im Jahr 1925 nicht. Zu genau dieser Zeit hält sich der Schriftsteller Ilja Ehrenburg in Paris auf. In seinen Memoiren berichtet er, in einigen Salons sei es damals Mode gewesen, sich für „slawische Mystik“ und für „das russische Experiment“ zu begeistern. „Die einschlägigen Snobs wurden daher Salonbolschewisten getauft. Ein Esel von Tennis-As sagte zu mir: Ich habe gehört, man hätte bei Ihnen das Geld abgeschafft. Das finde ich prima! Ich hasse es, über meine Ausgaben Buch zu führen.[1] Hier hatte die neue, auf den Bolschewismus der siegreichen russischen Revolution bezogene Bezeichnung offensichtlich noch, wenn man so sagen darf, Samthandschuhe an. Die Ton- und Gangart verschärft sich zumindest in Deutschland erheblich im Zuge des Heraufkommens faschistischer Kräfte. Gegen Ende der Weimarer Republik vergeht kaum ein Tag, an dem führende Vertreter der liberalen und linken Kräfte nicht als Salonbolschewisten verunglimpft werden.

Einige Beispiele aus der Zeit um 1930

  • Um 1930 wird der Theatermann Wilhelm Reinking der „salonbolschewistischen Asphaltkultur“ zugeschlagen[2]
  • Der deutschnational gesinnte Politiker Otto Hoetzsch muss sich die Bezeichnung als Salonbolschewist gefallen lassen, weil er für deutsch-russische Verständigung und Freundschaft eintritt[3]
  • Dem als Salonbolschewisten diffamierten Historiker Eckart Kehr wird gleich nach Hitlers Machtantritt (1933) der Auftrag entzogen, eine umfassende Quellenedition zur preußischen Finanzpolitik nach 1806 zu verfassen.[4]
  • Der Osnabrücker Rechtsanwalt, Kriegsgegner und Retter vieler Juden Hans Georg Calmeyer, an den inzwischen einige Gedenkstätten erinnern, wurde von einheimischen Nationalsozialisten Salonbolschewist genannt[5]
  • Als der Schriftsteller Ödön von Horváth 1931 im sogenannten Saalschlacht-Prozess vor dem Weilheimer Amtsgericht aussagt und die Angehörigen der NSDAP belastet, halten in seinem Wohnort Murnau (der als Nazi-Hochburg gilt) nur noch wenige zu ihm und er ist als Salonbolschewist verschrien.[6]

Jüngste Beispiele

Um 2010 gingen Attacken vermittels der Bezeichnung als Salonbolschewist gegen den Grünen-Politiker Jürgen Trittin[7], die Politiker der Linkspartei Oskar Lafontaine[8] und Klaus Ernst[9] – und den 1935 gestorbenen Schriftsteller Kurt Tucholsky durch die Medien.[10]

Siehe auch

Einzelnachweise

  1. Menschen – Jahre – Leben II 1923 – 1941, Sonderausgabe München 1965, Seite 118
  2. Siehe den Wikipedia-Artikel über Reinking
  3. Siehe den Artikel über Hoetzsch
  4. Siehe Tagesspiegel 2006, abgerufen am 20. April 2011
  5. Siehe diese Webseite, abgerufen am 20. April 2011
  6. Siehe diese Webseite, abgerufen am 20. April 2011
  7. Siehe Trittin
  8. Siehe Rattenfänger, abgerufen am 20. April 2011
  9. Siehe Porschefahrer, abgerufen am 20. April 2011
  10. Das letzte laut Recherche Matthias Biskupeks, abgerufen am 20. April 2011

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