- Jürgen Trittin
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Jürgen Trittin (* 25. Juli 1954 in Bremen-Vegesack) ist ein deutscher Politiker (Bündnis 90/Die Grünen).
Er ist seit 2009 Fraktionsvorsitzender der Bundestagsfraktion Bündnis 90/Die Grünen. Von 1990 bis 1994 war er niedersächsischer Minister für Bundes- und Europaangelegenheiten, von 1998 bis 2005 Bundesminister für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit und von 2005 bis 2009 stellvertretender Vorsitzender der Bundestagsfraktion der Grünen.
Inhaltsverzeichnis
Familie, Ausbildung, Beruf
Nach dem Abitur 1973 am Gerhard-Rohlfs-Gymnasium in Bremen-Vegesack begann er im April 1974 mit der Ableistung seines Wehrdienstes, da seine Kriegsdienstverweigerung zunächst nicht anerkannt wurde. Erst über den Klageweg konnte er ab Januar 1975 Zivildienst in einem Heim für schwer erziehbare Jungen bei Bremen ableisten.[1] Anschließend absolvierte er ein Studium der Sozialwissenschaften an der Georg-August-Universität Göttingen, das er als Diplom-Sozialwirt beendete. Er war danach als wissenschaftlicher Mitarbeiter und als freier Journalist tätig.
Jürgen Trittin ist ledig und hat eine Tochter. Er lebt in Berlin-Pankow.
Politische Karriere
Während seines Studiums war Trittin Mitglied des Kommunistischen Bundes (KB)[2] und zeitweilig Mitglied des AStA sowie Präsident des Studentenparlaments. Seit 1980 ist er Mitglied bei den Grünen.
Von 1982 bis 1984 war Trittin Geschäftsführer der Ratsfraktion der Alternativen-Grünen-Initiativen-Liste (AGIL) Göttingen und 1984 bis 1985 Pressesprecher der Grünen-Landtagsfraktion Niedersachsen.
1985 rückte er aufgrund des damals bei den Grünen praktizierten Rotationsprinzips in den Niedersächsischen Landtag nach und wurde im selben Jahr zum Fraktionsvorsitzenden gewählt. Das Amt hatte er bis 1986 und erneut von 1988 bis 1990 inne.
1989 war er Mitbegründer der Zeitschrift Der Rechte Rand.
Von 1990 bis 1994 war er im Kabinett von Ministerpräsident Gerhard Schröder Minister für Bundes- und Europaangelegenheiten des Landes Niedersachsen. Wegen des bei den Grünen herrschenden Prinzips der Trennung von Amt und Mandat schied Trittin aus dem Landtag aus. Nach dem Ende der rot-grünen Koalition kehrte er 1994 in den Landtag zurück und wurde stellvertretender Fraktionsvorsitzender.
Von 1994 bis 1998 war Trittin Sprecher des Bundesvorstandes von Bündnis 90/Die Grünen. Sein Landtagsmandat legte er deshalb erneut nieder. 1998 gab er dieses Amt mit dem Einzug in den Bundestag auf. Jürgen Trittin ist stets über die Landesliste Niedersachsen in den Deutschen Bundestag eingezogen.
Am 27. Oktober 1998 wurde Trittin als Bundesminister für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit in der von Bundeskanzler Gerhard Schröder geführten Bundesregierung vereidigt. In dieser Position handelte er den sogenannten Atomausstieg aus. Nachdem die Landwirtschaftsministerin Renate Künast zur Vorsitzenden der Bundestagsfraktion Bündnis 90/Die Grünen gewählt wurde, nahm Trittin ab dem 4. Oktober 2005 kurzzeitig zusätzlich die Geschäfte des Bundesministers für Verbraucherschutz, Ernährung und Landwirtschaft wahr. Nach der Wahl von Angela Merkel zur Bundeskanzlerin schied er am 22. November 2005 endgültig aus dem Amt.
Nach der Bundestagswahl 2005 scheiterte er bei der Wahl zum Fraktionsvorsitzenden gegen Fritz Kuhn. [3] und wurde stattdessen stellvertretender Vorsitzender sowie politischer Koordinator des Fraktionsarbeitskreises IV „Außenpolitik, auswärtige Kulturpolitik, Menschenrechte, Entwicklungspolitik, Verteidigung, Europa“. Als Direktkandidat im Wahlkreis Göttingen erreichte er bei der Bundestagswahl 2005 7,8 % der Erststimmen.
Im November 2008 wählte die Bundesdelegiertenversammlung der Grünen Renate Künast und Jürgen Trittin zu ihren Spitzenkandidaten für die Bundestagswahl 2009. Er führte, gemeinsam mit Brigitte Pothmer, erneut die niedersächsische Landesliste an und war zudem wieder Direktkandidat im Wahlkreis Göttingen, wo er 13,0 % der Erststimmen erhielt. Nach der Wahl wurde er am 6. Oktober 2009 zusammen mit Renate Künast Vorsitzender der Bundestagsfraktion Bündnis 90/Die Grünen. Trittin ist Mitglied im Ausschuss für Angelegenheiten der Europäischen Union, im Unterausschuss Vereinte Nationen und stellvertretendes Mitglied im Auswärtigen Ausschuss. Er gehört außerdem seit 2000 dem Parteirat der Grünen an.
Im September 2010 wurde er Opfer eines Tortenwurfs in Hannover, als er an einer Podiumsdiskussion in einem der Republik Freies Wendland nachempfundenen Hüttendorf teilnahm.[4]
Nebentätigkeiten, Einkünfte und Mitgliedschaften
Jürgen Trittin erzielt keine dem Bundestagspräsidenten anzeigepflichtigen Einkünfte.[5] Honorare für Vorträge und Fernsehauftritte spendet er nach eigenen Angaben sozialen Projekten.[6]
Er ist Mitglied im Beirat der Akademie Waldschlößchen, Schirmherr von Borneo Orangutan Survival Deutschland und des deutsch-polnischen Projekts zur Waldökosystemforschung Inpine, Kuratoriumsmitglied des Weltfriedensdienstes, der Stiftung Initiative Mehrweg[5] und nach eigenen Angaben Mitglied bei fesa e. v. (Freiburg), der Gewerkschaft ver.di sowie der Europa-Union Parlamentariergruppe Deutscher Bundestag.[6]
Politische Positionen
Trittin wird zum linken Flügel der Partei gerechnet.[7] In den parteiinternen Flügelkämpfen der Grünen fiel ihm deshalb lange die Rolle eines linken Gegenpols zu dem „Realo“ Joschka Fischer zu.[8] Zugleich gilt er als pragmatischer und nüchterner Taktierer.[3] Anders als die sogenannten Fundamentalisten („Fundis“) steht er für die Idee einer Durchsetzung sozialer und ökologischer Politikziele durch die Beteiligung der Grünen an Regierungskoalitionen.
Trittin setzt sich besonders für Ziele der Ökologie ein. So setzte er ältere Konzepte der vorherigen Regierung aus Union und FDP um, wie zum Beispiel das Dosenpfand. Bei der Verlängerung der Laufzeiten für Kernkraftwerke gelang ihm eine Gratwanderung zwischen den Interessen der grünen Basis und der Atomkraftgegner und den Interessen der Atomindustrie (Atomkonsens). Er setzte mit dem Atomausstieg die Begrenzung der Laufzeiten der Atomkraftwerke durch.
In der Klimapolitik vertritt er den drastischen Abbau von Treibhausgasen und eine Wirtschaftspolitik, die auf das Ziel einer CO2-freien Produktion und Wirtschaftsweise ausgerichtet ist. Er engagiert sich für die Umsetzung des Kyoto-Protokolls, insbesondere durch die Einführung des Emissionshandels in der EU durch multilaterale Konferenzen und Abkommen. Daneben kam es unter seiner Verantwortung durch das Erneuerbare-Energien-Gesetz zu einem starken Ausbau der regenerativen Energien in Deutschland, wie zum Beispiel Solarenergie und Windenergie.
Seit seinem Ausscheiden aus dem Amt des Umweltministers engagiert sich Trittin in seiner parlamentarischen Arbeit vor allem in der Außenpolitik und der Europapolitik. In der Energieaußenpolitik setzt er sich für einen weltweiten Ausbau der Erneuerbaren Energien und gegen die Abhängigkeit der Weltwirtschaft vom Erdöl ein.
Kritik
Trittin gilt als polarisierender Politiker und wird aufgrund seiner oft scharfen Polemik, etwa der Bezeichnung eines öffentlichen Gelöbnisses der Bundeswehr als „perverses Ritual“,[9] von politischen Gegnern immer wieder heftig kritisiert. Beispielhaft dafür stehen Beschimpfungen in Richtung Trittin wie „Ökostalinist“ durch den ehemaligen Bundeswirtschaftsminister Michael Glos[10] oder „Salonbolschewist“ durch den damaligen Generalsekretär der CSU Markus Söder.[11]
Trittin wurde 2001 von Michael Buback in die Nähe des sogenannten Mescalero-Briefs gerückt,[12] in dem 1977 von „klammheimlicher Freude“ über den Tod des RAF-Opfers Siegfried Buback die Rede war.[13] Trittin machte sich den Inhalt des Briefes explizit nicht zu eigen und verteidigte seine damaligen Anmerkungen als Fachschaftsvertreter an der Georg-August-Universität Göttingen als eine „trotzige Verteidigung der Meinungsfreiheit“.[14] Im selben Jahr gab sich der Literaturwissenschaftler und Deutschlehrer Klaus Hülbrock gegenüber der taz als der Göttinger Mescalero zu erkennen.[15]
Im März 2001 unterstellte Trittin in einem Interview dem damaligen Generalsekretär der CDU Laurenz Meyer, er habe „die Mentalität eines Skinheads und nicht nur das Aussehen“, da dieser vorher in einem Interview geäußert hatte, er sei „Patriot und stolz darauf, Deutscher zu sein“.[16] Trittin relativierte seine Äußerung später und räumte ein, sich im Ton vergriffen zu haben.[17]
Kabinette
Veröffentlichungen
- Gefahr aus der Mitte. Die deutsche Politik rutscht nach rechts. Verlag Die Werkstatt, Göttingen 1993, ISBN 3-923478-88-7.
- From Rio to Johannesburg : contributions to the globalization of sustainability Heinrich Böll Stiftung, Berlin 2001
- Welt um Welt. Gerechtigkeit und Globalisierung. Aufbau-Verlag, Berlin 2002, ISBN 3-351-02542-4.
- Die Realitäten der Atomenergie. Frankfurter Allgemeine Zeitung, 16. Juli 2009.
Weblinks
Wikinews: Jürgen Trittin – in den NachrichtenCommons: Jürgen Trittin – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien- Literatur von und über Jürgen Trittin im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek
- Website von Jürgen Trittin
- Biographie beim Deutschen Bundestag
- Lebenslauf bei der Bundestagsfraktion Bündnis 90/Die Grünen
- Interview (April 2011)
- Jürgen Trittin auf abgeordnetenwatch.de
Einzelnachweise
- ↑ Christoph Schult: Zivildienst. Hat sich Joschka Fischer gedrückt?, Spiegel online, 17. April 2001.
- ↑ Matthias Schöberl: Jürgen Trittin – eine politische Biographie, phoenix.online
- ↑ a b Matthias Geis: Der Triumph des ewigen Zweiten. Die Zeit, 13. September 2007.
- ↑ Spiegel Online vom 23. September 2010: Trittin verzichtet auf Anzeige
- ↑ a b Seite beim deutschen Bundestag
- ↑ a b Angabe auf www.trittin.de
- ↑ Claus Christian Malzahn: Der Fehler des Strategen, Der Spiegel 12/1998.
- ↑ Nicht_immer_Aber_zu_oft Matthias Geis: Nicht immer. Aber zu oft. Die Zeit 13/2001.
- ↑ Franz Walter: Grüner Spitzenkandidat Trittin. Der schüchterne Bürgerschreck. Spiegel online, 8. Mai 2009. Zitat: "Gerade wenn die Grünen-Anhängerschaft unter den Zumutungen der von Fischer verlangten Staatspolitik litten, klammerten sie sich um so mehr an Symbole der Ursprünglichkeit und des grünen Eigensinns. Der Lieferant dieser Symbole war Trittin, der öffentliche Gelöbnisse der Bundeswehr als „perverses Ritual“ beschimpfte und den Generalsekretär der CDU, Laurenz Meyer, einen „Skinhead“ nannte. Damit hielten Fischer und Trittin ihren schwierigen Verein zusammen. Führung und Integration im Inneren durch Polarisierung und Zuspitzung nach außen – so ließ sich die Methode Trittins zumindest lange Zeit charakterisieren."]
- ↑ „Öko-Stalinist“ gegen „Mitnahme-Mentalität“. Unwort des Jahres 2004. Spiegel online, 7. Dezember 2004.
- ↑ Laut Jürgen Trittin in einer Rede vom 20. November 2008
- ↑ Michael Buback, Meine Begegnung mit Jürgen Trittin. Über den „Mescalero“-Text, seine faschistoide Sprache und die folgenreiche Unterredung im Zug nach Berlin. Die Zeit, 06/2001.
- ↑ Mescalero-Nachruf: Gegenangriff
- ↑ Jürgen Trittin: Der Fremde im Zug. In: Der Tagesspiegel, 23. Januar 2001.
- ↑ Eine Begegnung mit Klaus Hülbrock. Auf dem Fernsehapparat blüht ein gelbes Blümchen In: taz, 10. Februar 2001: Vor zwei Jahren erklärte sich Mescalero zum ersten Mal in einem Brief an Bubacks Sohn Michael.
- ↑ Absurdes Getöse. Spiegel online, 26. März 2001.
- ↑ Skinhead-Vergleich. Trittins laue Entschuldigung. Spiegel online, 13. März 2001.
Walter Wallmann | Klaus Töpfer | Angela Merkel | Jürgen Trittin | Sigmar Gabriel | Norbert Röttgen
siehe auch: Amtsinhaber seit 1987 beider deutscher Staaten
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