- Schweizer Italienisch
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Schweizer Italienisch ist die Bezeichnung für die Form der italienischen Sprache, welche in der Schweiz vorherrschend ist.
Ungefähr 500'000 Schweizer sprechen Italienisch, was 6,5% der Bevölkerung entspricht. Italienisch ist die Hauptsprache in allen Teilen des Kantons Tessin, aber nur in einem kleinen Teil des Kantons Graubünden (etwa 15% der Bündner Bevölkerung spricht Italienisch). Zusammen bilden diese Gebiete die Italienische Schweiz (oder Svizzera italiana).
Inhaltsverzeichnis
Amtlicher Status und Verbreitung
Italienisch ist die dritthäufigste Sprache der Schweiz und ist Amtssprache auf Bundesebene. Im Kanton Tessin und in den Südtälern des Kantons Graubünden dient Italienisch auf kommunaler und kantonaler Ebene als alleinige Amtssprache.
Die italienische Sprache ist auch eine der meistgesprochenen Sprachen der Deutschschweiz, als Idiom von italienischen Einwanderern und ihren Nachkommen sowie als Lingua franca zwischen ausländischen Arbeitern verschiedener Nationalität, darunter Spaniern oder Portugiesen.[1] Durch ihre zahlenmässige Überlegenheit setzten italienische Gastarbeiter der 1950er und 1960er Jahre ihre Sprachen in Fabriken und auf Baustellen gegenüber den anderen Gastarbeitern in der Schweiz durch. Dies war in erster Linie bei spanischen Einwanderern der Fall, welche das Italienische leicht erlernten, auch wenn dies mit teils unvermeidlichen Vereinfachungen einherging.[2] Später benutzten auch andere Sprachgruppen die italienische Sprache (beispielsweise Arbeiter aus Griechenland oder Jugoslawien, was durch die Tatsache gefördert wurde, dass Italienischkenntnisse bei Deutsch- oder Westschweizern stärker verbreitet sind als in Deutschland oder Frankreich). Mit dem Nachlassen des Zuzugs italienischer Gastarbeiter ab den 1970er Jahren ging der Status des Italienischen als Lingua franca allmählich zurück.
Als dritte Landessprache bleibt Italienisch jedoch von nennenswerter Bedeutung. In jeder Sprachregion der Schweiz ist es möglich, Radio- und Fernsehprogramme in den verschiedenen Landessprachen zu empfangen, und Produkte des täglichen Gebrauchs sind landesweit gleichermassen auf Italienisch wie auf Deutsch oder Französisch beschriftet. Dasselbe trifft auch auf Medikamentenbeipackzettel zu.
Das Schweizer Italienisch unterscheidet sich teilweise von jenem, welches in Italien gebräuchlich ist. So wie es in Italien regionale Einflüsse auf die Standardsprache gibt, so gibt es sie auch in der italienischen Schweiz. Kürzlich sind einige Helvetismen in Wörterbücher der italienischen Sprache aufgenommen worden. Der wichtigste Unterschied liegt im Einfluss der anderen Landessprachen, auch wenn diese Faktoren nicht ausreichen, um alle Besonderheiten des Schweizer Italienischen zu erklären.
Einflüsse auf die Standardsprache der italienischen Schweiz
Einfluss anderer Sprachen
Das Tessin gehört seit dem 15. Jahrhundert zum eidgenössischen Territorium und bildet seit 1803 einen eigenen Kanton. Deshalb ist es offensichtlich, dass die deutsche und die französische Sprache sich auf die dortige Lokalsprache ausgewirkt haben. Dies ist beispielsweise beim Wort medicamento der Fall, welches auch in Italien bekannt war[3], bevor es nicht mehr verwendet und durch medicina oder medicinale ersetzt wurde. In der italienischen Schweiz konnte sich der Begriff hingegen wegen ähnlicher Bezeichnungen in anderen Sprachen behaupten.
Folgende Lehnwörter stammen aus dem Französischen oder Deutschen:
Italienisches Italienisch Schweizer Italienisch Korrespondierendes Wort in Französisch oder Deutsch offerta speciale azione action; Aktion (Sonderangebot) prenotare/prenotazione riservare/riservazione réserver/réservation; reservieren/Reservation (vom Französischen ebenfalls ins Deutsche entlehnt) ordinare comandare commander istruttore monitore moniteur Andere Beispiele sind die Bezeichnung rolladen statt tapparelle oder chifer (von Schweizerdeutsch Gipfeli) für ein Croissant.
In diesen Fällen spielt die Lehnübersetzung eine wichtige Rolle: Das Wort franchetto wurde sehr wahrscheinlich vom deutschen Dialektwort Fränkli, einem Diminutiv von Franken, entlehnt, um die Münze zu bezeichnen. Die Struktur einer Fremdsprache wurde in diesem Fall mit italienischen lexikalischen Elementen wiedergegeben. Im Falle von Azione soll hingegen erwähnt werden, dass nicht etwa das Wort entlehnt wurde, sondern die Bedeutung 'Sonderangebot', welche in Italien fehlt.
Dialektaler Einfluss
Wie auch in Italien üblich, schleichen sich dialektale Formen oft in die gesprochene Standardsprache. Unter dem Einfluss der galloitalischen Dialekte ist in Norditalien die post-verbale Negation anzutreffen, was die grammatische Form des Gesagten im Italienischen beeinflussen kann (so fehlt häufig non wie bei Questo è mica vero = Dies ist doch nicht wahr).
Es handelt sich dabei um ein Phänomen, das ausschliesslich in der informellen Interaktion vorkommt. Ähnliche Vereinfachungen wären in Mittel- oder Süditalien unwahrscheinlich (z.B. Non l’ho bisogno anstatt non ne ho bisogno[4] = Ich hab's nicht nötig).
Die Einflüsse der Mundart können vereinzelt zu Missverständnissen führen: Das Wort cocomero bezeichnet normalerweise in Italien eine Wassermelone, während die Tessiner damit meistens eine Gurke meinen. Ähnliche Pränomene kommen in norditalienischen Mundarten ebenfalls in Frage, wenn auch weniger häufig.[5] Ferner ist festzustellen, dass die Begriffe selbst von gebildeten Schweizern italienischer Sprache als Fehler empfunden werden können, zumal sich die regionalen Begriffe häufig neben den Varianten behauptet haben, die in Italien verwendet werden.
Einfluss des Staates
Das politische System der Schweiz hat zu Bezeichnungen geführt, die in Italien unbekannt sind: beispielsweise der Consiglio degli Stati (Ständerat), die Kammer des eidgenössischen Parlaments, in welcher Politiker als Vertreter der Kantone tagen.
Weil die Autobusse in der Schweiz zu einem grossen Teil von der Post betrieben werden, hat sich im Italienischen autopostale als Bezeichnung für Postauto eingebürgert.
Was in Italien codice di avviamento postale genannt wird, heisst in der Schweiz nach dem Beispiel der anderen Landessprachen numero postale di avviamento (NPA; auf Deutsch Postleitzahl).
Tessiner Dialekte
Die Tessiner Dialekte der italienischen Sprache gehören der lombardischen Dialektfamilie an. Lombardisch dominiert in ländlichen Gegenden des Tessins und bei älteren Menschen, was auch auf die Lombardei zutrifft. Im Unterschied zur Lombardei ist in der Südschweiz jedoch kein soziales Stigma mit dem Dialektgebrauch verbunden.
Die Tessiner koiné (ital.: koinè ticinese) ist jene lombardische Koiné, welche von den Sprechern der lokalen Dialekte (besonders jenen von der Koiné selbst abweichenden, z.B. dem Leventiner Dialekt) gesprochen wird, wenn sie untereinander sprechen.
Der Tessiner Dialekt hat viele Begriffe aus den deutsch-, französisch- und rätoromanischsprachigen Teilen der Schweiz aufgenommen und besitzt häufig eine schweizerdeutsche Orthographie. Schweizer Städte, Regionen, Esswaren und Kulturgüter haben eine italienische Übersetzung, was bei Nicht-Landessprachen nicht der Fall ist. Für die meisten Italienischsprachigen ist der Tessiner Dialekt schwer verständlich.
Beispiele der Tessiner Mundart:
Deutsch Tessinerisch Italienisch Guten Tag! Bon Dì! Buongiorno! sein (Verb) vess essere Stuhl cadrega sedia Bleistift lapis matita Mobiltelefon natel telefonino Kino kino (deutsch) cinema bevor evant (französisches Lehnwort) prima Erdbeere magiosc’tra fragola Ei öf uovo Brille ogiaa occhiali Kastanie casc’tegna castagna Halt! Fermat! Ferma! Fermati! heute inchöö oggi Honig mel miele Kölnisch Wasser aqua d’uduur/ ul profum acqua di Colonia/ profumo St. Galler sanglés sangallese Fenchel finöcc/ frös finocchio Ausdrücke und Sprichwörter
Deutsch Tessinerisch Italienisch Würste schlechter Qualität lüganich da scépa salsicce di infima qualità Naiv sein beev l’acua dal cudee credere a tutto ed a tutti Aus nichts wird nichts chi gha al goss al gha quaicoss, se l gha nagoott al gha al goss da carez con niente si fa nulla Siehe auch
Literatur
- VSI – Vocabolario dei dialetti della Svizzera italiana, Bd. 1 ff. Lugano/Bellinzona 1952 ff.
- Ottavio Lurati: Dialetto e italiano regionale nella Svizzera italiana, Lugano 1976.
- Franco Lurà: Il dialetto del Mendrisiotto, Mendrisio/Chiasso 1987.
- Dario Petrini: La koinè ticinese (Romanica Helvetica vol. 105), Bern 1988.
- LSI Lessico dialettale della Svizzera italiana. Centro di dialettologia e di etnografia, Bellinzona 2004.
Einzelnachweise
- ↑ G. Berruto; B. Moretti; S. Schmid. Interlingue italiane nella Svizzera tedesca. Osservazioni generali e note sul sistema dell’articolo, in E. Banfi e P. Cordin (a cura di). Storia dell’italiano e forme dell’italianizzazione. Roma, Bulzoni, 1990. pp. 203-228.
- ↑ S. Schmid, L’Italiano degli spagnoli. Interlingue di immigrati nella Svizzera tedesca, Francoangeli, Milano. Dottorato di ricerca, Università di Zurigo 1994.
- ↑ Giacomo Devoto e Gian Carlo Oli. Il Devoto-Oli. Vocabolario della lingua italiana. Firenze, Le Monnier, 2006. p. 1 654;
S. Savoia e E. Vitale. Lo Svizzionario. Bellinzona, Edizioni Linguanostra, 2002. - ↑ Modi di dire e locuzioni
- ↑ Bei cocomero: Giacomo Devoto e Gian Carlo Oli. Il Devoto-Oli. Vocabolario della lingua italiana. Firenze, Le Monnier, 2006. p. 569.
Weblinks
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