Sinnlos im Weltraum

Sinnlos im Weltraum

Sinnlos im Weltraum (kurz: SiW) ist ein Fandub und eine nicht kommerzielle Parodie auf Raumschiff Enterprise: Das Nächste Jahrhundert (mit Ausnahme der Folge Segelohr, die auf dem Fragment einer alten Raumschiff-Enterprise-Folge basiert). Als Grundlage diente originales Filmmaterial, das von insgesamt sieben Freunden in Siegerländer Umgangssprache und Siegerländer Dialekt (Sejerlänner Platt) neusynchronisiert wurde,[1] sodass die Folgen neue Handlungen bekamen und die Charaktere mitunter in ihr krasses Gegenteil verkehrt wurden. Besonders deutlich äußert sich diese Diskrepanz gegenüber dem Original in der verwendeten Wortwahl und Ausdrucksweise. Die Beteiligten von SiW „dürfen […] sich vielleicht als Urväter der Filmgattung »Fansynchro« bezeichnen – auf deutschem Boden jedenfalls“.[2]

Inhaltsverzeichnis

Geschichte

Statt des sehr gewählten und respektvollen Umgangstones des Originals wurde den Charakteren nun ihrer parodierten Rolle entsprechende – teilweise vulgäre – Umgangssprache in den Mund gelegt (siehe unten: Charaktere).[3] Im Mittelpunkt der Unterhaltungen stehen vornehmlich Gewaltausübung („Immer in die Fresse – bis keine Zähne mehr da sind“), dreiste Beleidigungen aller Arten und pornographische Handlungen, woraus sich im Kontext der gezeigten Bilder eine derb-absurde Komik ergibt.[4] Für Kinder ist die Sendung allerdings – im Gegensatz zur Vorlage – ungeeignet. Mitunter wird auch Drogenkonsum in Zusammenhang mit mehreren Charakteren thematisiert.

Entstanden ist die Idee im Dezember 1994, als sich die zwei Siegener Peter M. und Roland K. eine Star-Trek-Folge ohne Ton ansahen.[5] Sie bemerkten, dass rein optisch gewisse Charakterzüge deutlich wurden, die im Original überhaupt nicht vorhanden waren: Picard wurde als „immer schlecht gelaunt“, Geordi als technisch bewandert, aber ziemlich verpeilt, Data als dumm und Riker als geistig zurückgeblieben interpretiert.[4]

Die Folgen wurden anfangs im Siegerland von Hand zu Hand auf VHS, dann auf CD-ROM weitergereicht und verbreiteten sich später schnell über das Internet. Am 22. August 2002 wurden im Rahmen der Veranstaltung Siegen ist filmreif zwei Episoden im Siegener Open Air Kino – mit Genehmigung von Paramount Pictures – auf Großleinwand ausgestrahlt.[5][6]

Zur Neuvertonung verwendeten die Macher einen Videorecorder (Blaupunkt RTV-820 HIFI) mit Mikrofoneingang.[7] Akustische Spezialeffekte (Phaserschüsse, Warnsignale etc.) wurden mit einem Star-Trek-Schlüsselanhänger oder alternativ mit einem Yamaha RY10 Drumcomputer erzeugt.[8] Weitere Geräusche wurden mit Alltagsgegenständen improvisiert, wie zum Beispiel der Klang eines Lagerfeuers durch das Knistern von Plastik oder das Entfernen von Borg-Implantaten durch Flaschenkorken. Zur musikalischen Untermalung dienten Drumcomputer, Gitarre und Bass.[8]

Die Macher

Diese Übersicht listet die Macher und ihre Beteiligung am Projekt in chronologischer Reihenfolge.

Name Charaktere Anzahl der Folgen
Peter M. Picard, Riker, Geordi, Rubi Flanell, Data, Spock, Pille 12
Roland K. Worf, Data, Kaubärbel, Wesley, Dr. Pulaski, Kanzler Troi 6
Daniel P. Daniel (Q), Karl Squell, Superidiot, Einfach Toll, Darmok,

Rennleiter, Adelheid, Dr. Crusher, Guinan, Dr. Pulaski, Kanzler

Troi, Worf

8
Guido R. Remulaner, Bad Randolph 1
Andreas W. Vaddr, Jim Beam, Klingone, Worf, Data, O'Brien 3
A.H. Kirk, Uhura, (Fragment) 1
Manfred T. Worf, Data, Troi, Keiko (Schaukelpferd) 1

Episodenübersichten

Episodenliste

Eine Übersicht aller Synchronisationen.[8] Die Länge variiert je nach Version.

Lfd. Nr. Episodentitel Länge Episode Deutscher Originaltitel Englischer Originaltitel Entstehungszeit
1 Damit fing der Wahnsinn an … 02:05 S04 E13 Der Pakt mit dem Teufel Devil's Due 1994
2 Zeitsprung mit Q
alternativ: Zeitsprung mit Daniel
42:44 S02 E16 Zeitsprung mit Q Q Who 1994–1995
3 Illusion oder Wirklichkeit 34:35 S02 E02 Illusion oder Wirklichkeit Where Silence Has Lease 1995
4 Versuchskaninchen 42:52 S03 E18 Versuchskaninchen Allegiance 1995
5 Noch einmal Daniel 09:08 S03 E13 Noch einmal Q Déjà Q 1995
6 Der Überläufer (Remulaner) 20:33 S03 E10 Der Überläufer The Defector 1995
7 Darmok 43:01 S05 E02 Darmok Darmok 1995
8 Segelohr 03:13 S02 E19 Das Loch im Weltraum Immunity Syndrome 1997
9 Auf schmalem Grad 05:48 S03 S07 Auf schmalem Grat The Enemy 1996 oder 1997
10 Schaukelpferd 01:56 S04 E12 Der Rachefeldzug The Wounded 1996
11 Planet der Klone 44:15 S02 E18 Der Planet der Klone Up the Long Ladder 1996
12 Das fehlende Fragment 42:38 S06 E20 Das fehlende Fragment The Chase 1996–1997

Inhaltsangaben

Für Inhaltsangaben zu den einzelnen Folgen ausklappen:

Charaktere

Die verschiedenen Star Trek-Charaktere wurden für Sinnlos im Weltraum meist von denselben Sprechern synchronisiert und entwickelten sich zu gänzlich neuen Charakteren. Hierdurch entstanden teilweise völlig neue Beziehungen der Crew-Mitglieder zueinander. Für eine Darstellung der einzelnen Charakerporträts ausklappen:

Versionen

Die verschiedenen Versionen der Episoden unterscheiden sich hauptsächlich in Ton- und Bildqualität, inhaltlich sind sie identisch. Es kommt vor, dass die letzten Sekunden der Originalausgaben weggeschnitten wurden, da diese für die Neusynchronisation schlecht zu gestalten waren. Bei einigen Versionen ist ein erweitertes Intro eingefügt worden. Es ist bekannt, dass die Original-Videokassetten noch existieren. Des Weiteren gibt es folgende verbreitete Versionen der meisten SiW-Episoden:

  • Erste digitale Version: von VHS konvertiert ins MPEG-Format, Sat.1-Mitschnitt, sehr schlechte Qualität
  • TMZ, Roadrunner: AVI-Format (DivX), Sat.1-Mitschnitt, gute Qualität
  • Ricardo: AVI-Format (DivX), von DVD, sehr gute Qualität
  • DVD: vollständig digital restaurierte Fassung in DVD-Qualität mit entrauschter Tonspur und in Stereo (SiWonDVD/2004)

Zeitleiste

Die SiW-Zeitleiste von 1994–2006

Diese grafische Zeitleiste zeigt die Geschichte von Sinnlos im Weltraum zwischen 1994 und 2006.

Die leuchtenden Balken in der Schaffenszeit verdeutlichen, wann an SiW gearbeitet wurde, und die schwarzen Markierungen, wer an welcher Folge mitgewirkt hat. (Zum Vergrößern auf das Bildchen klicken.)[10]


Rezeption

Seit der Verbreitung der Folgen im Internet[11] erfuhr die Reihe eine enorme kulturelle Rezeption. Zahlreiche Anhänger erstellten und verbreiteten auf verschiedene Weise eigene Beiträge zu SiW: selbst komponierte Lieder, Bilder, Computerspiele, Flash-Animationen, Fotomontagen[3] oder selbst geschriebene Texte, die Geschichten aus dem SiW-Universum erzählen. Diese „Fan-Art“ wird hauptsächlich in SiW-Foren veröffentlicht.[12]

Weitere Star-Trek-Folgen erfuhren, in typischer SiW-Art, durch Fans eine Neusynchronisiation, allerdings ohne die originalen Sprecher. Deren Verbreitung und Veröffentlichung findet ebenfalls in den einschlägigen Fan-Foren zu SiW statt.

In einer Reminiszenz im Juli 2011 bedauert Ole Reißmann auf Spiegel Online, dass „noch längst nicht jeder diesen dadaistischen Spaß kennt“. Die Handlung wird als hanebüchen zusammengefasst.[9] Bereits im November 2005 würdigte Frank Patalong auf Spiegel online den „Brachialhumor“ der Serie. In einer Retrospektive bekannter Star-Trek-Parodien würdigt er SiW bereits durch den Titel des Artikels: „Ihr Assis werdet miliert!“ Kritisch resumiert er, sei es „hier und da trotzdem [lustig], weil ausgerechnet diese so überaus ‚politisch korrekte‘ Serie voller tugendhafter, völlig uneigennütziger Helden durch die Gosse gezogen wird.“[3]

Für die Saarbrücker Zeitung kommentiert Thorsten Mohr diesen „Ulk“, der die Star-Trek-Folgen „durch den Kakao zieht“ als von „technisch zweifelhafter Qualität“.[13]

Die Erinnerung an die Arbeit der Siegerländer, welche noch in der „Prä-Internetzeit“ stattfand, stellt die österreichische Tageszeitung Der Standard die Geschichte der Fandub-Szene vor, die heute von vielen Fanclubs nachgeahmt wird. „Mit ganz archaischen Mitteln“ seien die Folgen auf Videorecordern synchronisiert und später über CD-ROM verteilt worden.[14]

Florian Hartling begreift SiW, im Bereich der Neuvertonungen, als einen wichtigen Beitrag der medialen Aneignungskultur des Star-Trek-Universums. Der, angesichts knapper Bugets, erreichte Qualitätsstandart den SiW mit einigen Anderen gemein hat, sei verblüffend. „Trotzdem dürften sich diese Filme regelmäßig nicht für eine Verwertung in den traditionellen Medien eignen; sie bleiben weitgehend auf das Netz oder DVDVideo beschränkt.“[15]

SiW inspirierte zahlreiche Fan-Synchronisationen. Ein bekanntes Beispiel hierfür ist Lord of the Weed, welches ebenfalls einen hohen Bekanntheitsgrad erreichte. SiW war mit ausschlaggebend dafür, dass sich eine deutsche Synchroszene herausbildete.[8]

Einige Jahre später erlangte Coldmirror mit Synchronisationen der Harry-Potter-Filme Bekanntheit.[16] Seit 2009 ist sie für den Jugendsender You FM des Hessischen Rundfunks tätig. Unter anderem synchronisiert sie für diesen Auftritte von Prominenten.[17] Diese Videos werden auf der Internetseite von You FM sowie im Fernsehen auf Einsfestival gezeigt.

Einzelnachweise

  1. Giga: Ein Klassiker im Web: Sinnlos im Weltraum
  2. Am Anfang stand der Todesstern, in: Reutlinger General-Anzeiger vom 27. Juni 2008
  3. a b c Spiegel Online: Surftipp – „Ihr Assis werdet miliert!“ vom 1. November 2005
  4. a b st-enterprise.de: Sinnlos im Weltraum
  5. a b Siegener Zeitung: »Star Trek« in Eckmannshausen – Erstes Mitglied der Siegerländer Enterprise-Crew gefunden vom 22. August 2002
  6. Westfälische Rundschau vom 20. August 2002: Kulturabteilung will Scherzbolde ehren: Suche nach „Sdarrr-Dräk“-Stimmen
  7. SiW-Talk: Ein Blick hinter die Kulissen
  8. a b c d gesichterparty: „Sinnlos im Weltraum“ Startrek mit Dialekt
  9. a b Ole Reißmann: Blog-Tipps: Kraftworf und schöner schwarzer Kaffee, auf: Spiegel Online, 31. Juli 2011
  10. Geschichte von Sinnlos im Weltraum
  11. Westfälische Rundschau vom 22. August 2002: Scherzbold gefunden - „Sdarr-Dräk“-Rätsel gelöst
  12. Wortwende:Sinnlos im Weltraum
  13. Thorsten Mohr: Surfe lang und erfolgreich, in: Saarbrücker Zeitung vom 7. Mai 2008
  14. Schwabenschmäh, in: Der Standard vom 27. Februar 2009
  15. Florian Hartling: „Klingons allow us to express a certain aspect of our personality that we’re not allowed to do in public.“ Eine Analyse von Identitätsdispositiven und -konstruktionen, S. 127 - 158, in: Maren Hartmann und Jeffrey Wimmer: Digitale Medientechnologien – Vergangenheit – Gegenwart – Zukunft, Wiesbaden 2011, S. 145f
  16. Ein Star aus dem Netz. Radio Bremen, 9. November 2010
  17. Der neue Internetstar "Coldmirror". Humor als Lebensretter. HR Online 7. September 2011

Weblinks


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