Christian Müller (Psychiater)

Christian Müller (Psychiater)

Christian Müller (* 11. August 1921 in Bern) ist ein Schweizer Psychiater. Er war über 25 Jahre Direktor der psychiatrischen Anstalt von Cery und Ordinarius für Psychiatrie an der Université de Lausanne. Müller ist einer der frühen Psychiatrie-Reformer in der Schweiz.

Inhaltsverzeichnis

Leben

Christian Müller ist der Sohn von Max Müller und seiner Frau Gertrud Müller-Adrian. Väterlicherseits stammt er aus einer alten Ärzte- und Theologenfamilie. Sein Großvater war bereits Psychiater und sein Vater Max Müller war zuletzt Ordinarius für Psychiatrie in Bern.

Ausbildung

Nach dem Besuch der Primar- und Sekundarschule in Münsingen bei Bern legte er 1940 auf dem Gymnasium in Bern seine Matura ab. Anschließend folgte ein Medizinstudium in Genf und Bern, das er 1946 mit dem Staatsexamen abschloss. Bereits während des Studiums erfolgten mehrmonatige mobilisationsbedingte Unterbrechungen.

Seine medizinischen Praktika in Neurologie absolvierte er am Institut Linthout in Brüssel und am Hôpital Salpêtrière in Paris. Im Herbst 1947 nahm er seine Tätigkeit als Assistenzarzt in der Klinik Burghölzli in Zürich unter Professor Manfred Bleuler auf. Ab 1949 war er Assistenzarzt für Innere Medizin am Inselspital in Bern und veröffentlichte erste Publikationen zur psychosomatischen Problematik einer Diabetikerin. Nach dem Wechsel an die Poliklinik Zürich setzte er seine Ausbildung mit einer Analyse bei Prof. Blum fort.

1953 wurde er Oberarzt an der Psychiatrischen Universitätsklinik in Lausanne unter Professor Steck und befasste sich intensiv mit der analytisch orientierten Psychotherapie von Schizophrenen. 1957 wurde er von Bleuler als Oberarzt nach Zürich geholt und 1959 folgte die Habilitation mit der Arbeit Über das Senium der Schizophrenen. 1960 bewarb er sich um den Lehrstuhl seines früheren Chefs H. Steck in Lausanne. Dort wurde er 1961 zum Professor gewählt.

Klinikdirektor

Er reformierte die Klinik, baute die Schule für Psychiatrieschwestern und -pfleger aus und veranlasste den Bau eines getrennten alterspsychiatrischen Zentrums.

Er führte ein mehrjähriges, vom Nationalfonds finanziertes Forschungsprogramm zum Thema der Verläufe psychischer Krankheiten durch. Zusammen mit L. Ciompi konnte er nachweisen, dass die bisherigen Verlaufszahlen zu korrigieren waren. Die Katamnesedauer für Schizophrenie in ihren Studien war die bisherig längste. Er wurde mehrfach aufgefordert, für Lehrstühle in Deutschland zu kandidieren und nahm 1975 einen Ruf nach Bern an, den er aber nach wenigen Tagen wegen unerfreulicher Erfahrungen mit der Gesundheitsdirektion wieder verließ und an den bisherigen Posten in Lausanne zurückkehrte.

Während mehrerer Jahre war er Mitherausgeber des Lehrbuchs „Psychiatrie der Gegenwart“ sowie der Monographiereihe beim Springer-Verlag, Heidelberg. Er wurde von den Kantonsregierungen Freiburg, Solothurn, Luzern und Thurgau mit Gutachten zur Organisation ihrer psychiatrischen Institutionen beauftragt. Zur Ausbildung der Assistenten organisierte er erstmals in der Schweiz einen vierjährigen Kursus mit Kollegen aus den benachbarten Psychiatrieinstitutionen. 1963 wurde er Mitglied des Vorstands der Schweizerischen Akademie der Medizin. Von 1978 bis 1982 war er Mitglied des Vorstands der Internationalen Psychiatriegesellschaft und präsidierte in denselben Jahren die Gemeinschaft der Schweizerischen Chefärzte in Psychiatrie. Er war Mitglied der Redaktion des schweizerischen Archivs für Neurologie und Psychiatrie, ferner der Zeitschrift „Nervenarzt“, und gründete zusammen mit K. Kulenkampf die Zeitschrift „Sozialpsychiatrie“. Ab 1970 war er Mitglied der Deutschen Akademie der Naturforscher Leopoldina, deshalb folgen während der DDR-Zeit zahlreiche Reisen nach Ostdeutschland. 1959 wurde er ordentliches Mitglied der Schweizerischen Gesellschaft für Psychoanalyse.

Nach seiner Emeritierung 1986 ließ er sich am Neuenburgersee und in Bern nieder, wo er eine Praxis eröffnete und sich intensiv mit der Geschichte der Psychiatrie beschäftigte. Zusammen mit Prof. Boschung und Frau Ammann gestaltete er das von W. Böker gegründete Psychiatriemuseum Waldau in Bern.

Christian Müller ist seit 1947 mit Madeleine Schaetti verheiratet und hat mit ihr drei Kinder.

Publikationen

Von über 200 Publikationen sollen folgende erwähnt werden:

  • Habilitationsschrift: Über das Senium der Schizophrenen; Basel, Karger Verlag 1959
  • Lehrbuch über die Alterspsychiatrie (Deutsch, Französisch und Japanisch) ist das erste dieser Art.
  • Über die Psychotherapie bei einem chronischen Schizophrenen (Psyche 6/18 350-369 1955)
  • Manuel de Gerontopsychiatrie Masson, Paris 1959
  • Lexikon der Psychiatrie Springer-Verlag, Berlin 1973, 2. Auflage 1986
  • Lebensweg und Alter der Schizophrenen (u. L. Ciompi ) Springer-Verlag, Heidelberg 1976
  • Die Entwicklung vom Grossspital zur gemeindenahen Psychiatrie Nervenarzt 47 295-299 1976
  • Psychiatrische institutionen. Ihre Möglichkeiten und Grenzen Springer Verlag, Berlin 1981
  • Abrégé de psychgeriatrie (C.Müller / J. Wetheimer) Masson, Paris 1981
  • Wandlung der Psychiatrischen Institutionen in Psychiatrie der Gegenwart Bd 9 S 339-368 Springer Verlag, Berlin 1989
  • Die Gedanken werden handgreiflich Springer Verlag, Berlin 1992 2. Auflage 1994
  • Vom Tollhaus zum Psychozentrum G. Pressler Verlag, Hürtgenwald 1993
  • Portraits de psychiatres romands Edition Payot, Lausanne 1995
  • Wer hat die Geisteskranken von den Ketten befreit? Skizzen zur Psychiatriegeschichte; Edition das Narrenschiff; 1. Auflage, Bonn 1998; ISBN 9783884142851
  • Etudes sur la psychotherapie des Psychoses Nouvelles Editions Harmattan Editition, Paris 1998
  • Paul Dubois ein vergessener Psychotherapeut Schwabe, Verlag Basel 2001
  • Hermann Rorschach Briefwechsel (C.Müller u. R. Signer) Huber Verlag, Bern 2004
  • Abschied vom Irrenhaus Aufsätze zur Psychiatriegeschichte; Verlag Huber, 2005; ISBN 9783456841441

Auszeichnungen

  • 1971 erhielt Christian Müller für seine Arbeit den Hermann Simon-Preis und 1976 den Theodor Nägeli-Preis. 1980 verlieh ihm die Universität Heidelberg den Doktor honoris causa.

Weblinks


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