Chromosomensatz

Chromosomensatz
haploide, diploide und hexaploide Zellkerne

Als Polyploidie bezeichnet man in der Biologie das bei manchen Arten zu beobachtende Phänomen, mehr als zwei Sätze von Chromosomen in den Zellen zu besitzen.

Ein einfacher (haploider) Chromosomensatz enthält jedes Chromosom einmal, ein doppelter (diploider) Chromosomensatz zweimal.

Ab drei Chromosomensätzen spricht man von Polyploidie:

Bei einem ungeradzahligen Chromosomensatz spricht man von Anorthoploidie, bei einem geraden Satz von Orthoploidie.

Die Polyploidie entsteht während der Meiose bei der Chromosomenvervielfältigung. Werden keine Spindelfasern gebildet oder die homologen Chromosomenpaare bei der Reduktionsteilung aus anderen Gründen nicht getrennt, so entstehen diploide Gameten. Die Ursachen für solche nicht erfolgten Trennungen können in Stoffwechselstörungen, Umwelteinflüssen (Kälte) oder durch den Menschen hinzugefügte Gifte (Colchizin oder 8-Hydroxychinolin) bestehen.

Inhaltsverzeichnis

Vorkommen

Die Polyploidie tritt vor allem bei Höheren Pflanzen häufig auf; Beispiele sind der Weizen sowie viele Farne und Orchideen. Viele kultivierte Obst- und Gemüsearten weisen Polyploidie auf, da bei der Züchtung stets das Größte und Beste – oft aus verschiedenen Arten – weitergezüchtet wird und Polyploidie besonders bei solchen Kreuzungen, aber auch als zufällige Mutation geschehen kann.

Im Tierreich ist Polyploidie prozentual seltener, tritt jedoch beispielsweise bei einzelnen Arten oder Formen der Amphibien (z.B. Triploidie beim Teichfrosch), Reptilien und Nagetiere (z.B. Tetraploidie bei der Roten und der Goldenen Viscacharatte), bei bestimmten Wenigborstern, bei Arten der Taufliegen (Drosophilidae) sowie bei verschiedenen Gattungen der Tellerschnecken (Tetra- bis Oktoploidie [1]) auf. Auch die gesamte Familie der Forellenfische (Salmonidae) ist ursprünglich durch Polyploidisierung entstanden [2].

Auch bei einigen Bakterien wurde Polyploidie beobachtet. Ein Extrembeispiel ist beim bis zu 0,6 mm großen Riesenbakterium Epulopiscium fishelsoni zu finden, das bis zu 200.000 Kopien seines Genoms enthält[3].

Allopolyploidie

[4] Allopolyploidie ist eine Form der Polyploidie, bei der Chromosomensätze aus (mindestens) zwei verschiedenen Arten vorliegen, die miteinander gekreuzt wurden. Bei der Kreuzung zweier Arten entstehen normalerweise sterile Nachkommen, da bei den Artbastarden in der Regel die Chromosomenpaarung gestört ist und daher die Meiose nicht korrekt ablaufen kann. Manche Chromosomen paaren sich noch korrekt und werden als homolog bezeichnet. Manche Chromosomen sind nicht mehr vollständig homolog und paaren sich in der Meiose nicht mehr. Sie werden als homöolog bezeichnet.

Bei solchen Artbastarden, besonders bei Pflanzen, kann eine Polyploidisierung des Chromosomensatzes auftreten, bei der es sich dann um Allopolyploidie handelt. Tritt diese Polyploidisierung nach der Kreuzung zweier normaler diploider Eltern auf, spricht man von einem polyhaploiden Artbastard. Er enthält dabei zwei jeweils homozygote doppelte Chromosomensätze. Sind die Chromosomen der Elternarten hinreichend verschieden, können sich die jeweils doppelt vorhandenen Chromosomen des Vaters und die der Mutter paaren, der Nachkomme ist wieder fertil und es entsteht eine konstante Bastardart. Sie verhalten sich cytologisch und genetisch wie Diploide. Sind die Chromosomen der Eltern sehr ähnlich, kann es zu Problemen bei der Chromosomenpaarung während der Meiose kommen und die Nachkommen sind steril oder eingeschränkt fertil.

Bei der Kreuzung zweier tetraploider Arten entsteht ein wiederum tetraploider Artbastard, der im Gegensatz zum polyhaploiden Artbastard jedoch heterozygot ist. Solche Arten werden amphidiploid genannt.

In einigen Pflanzengattungen ist die Allopolyploidie recht häufig. Beispiele sind Nicotiana, Baumwolle (Gossypium), Nachtschatten (Solanum), einige Kreuzblütler, z.B. der Raps, und viele Süßgräser. Ein bekanntes Beispiel ist der Weizen, wo es diploide Arten (Einkorn), allotetraploide Arten wie Dinkel, Emmer und Hartweizen, und sogar allohexaploide Arten (Saatweizen) gibt. An letzterem sind drei Arten beteiligt. Beim Weizen sind über 40 unterschiedliche allopolyploide Formen bekannt, beim Tabak sind es rund 60. Ihre Chromosomenzahlen reichen dabei von 36 bis 144.

Autopolyploidie

Polyploidie, die auf der Verdopplung von Chromosomensätzen innerhalb einer Art beruht, wird als Autopolyploidie bezeichnet, in Abgrenzung zur Allopolyploidie. Sie kann in einzelnen somatischen Zellen (Endopolyploidie) vorkommen, aber auch in der Keimbahn entstehen und somit an die Nachkommen weitergegeben werden (Keimbahnpolyploidie).

Keimbahnpolyploidie

[5]Wenn bei der Meiose die Reduktion ausfällt, entstehen statt haploider Gameten diploide. Durch Verschmelzung mit einem haploiden Gameten entsteht eine triploide Zygote, bei Verschmelzung mit einem weiteren diploiden Gameten entsteht eine tetraploide Zygote.

Triploidie tritt bei Pflanzen häufiger auf, solche Pflanzen sind in ihrer Vitalität und ihrer physiologischen Ertragsleistung den Diploiden häufig überlegen. Sie werden daher in der Pflanzenzucht häufig verwendet, müssen jedoch entweder vegetativ vermehrt werden (einige Pappel-Sorten) oder wie Zuckerrüben jeweils aus diploiden und tetraploiden Eltern neu hergestellt werden.

Autopolyploide Pflanzen verfügen durch die Zunahme des Kernvolumens meist über größere Zellen. Vielfach sind die Blüten größer, was in der Pflanzenzüchtung ausgenützt wird, wo natürliche und experimentell erzeugte Polyploide in Verwendung sind.

Endopolyploidie

Bei der Endopolyploidie sind nur einige Gewebe oder Zellen eines Organismus polyploid. Beispiele hierfür sind die Brennhaare der Brennnessel oder die Megakaryozyten des Menschen. Diese polyploiden Zellen entstehen durch Endomitose oder Endoreduplikation. In beiden Fällen werden die Chromosomen verdoppelt ohne dass der Zellkern sich anschließend teilt. Sie wird auch als somatische Polyploidie bezeichnet, da sie auf somatische Zellen beschränkt ist und die Keimbahn nicht betrifft. Sie betrifft Zellen mit hohen Stoffwechselleistungen. Spezielle Formen sind die Riesenchromosomen.

Vor- und Nachteile

Polyploidie kann sich nicht selten in einer erhöhten Vitalität äußern, da die Transkription der Proteinbiosynthese stärker parallel erfolgen kann und daher die Produktion von Eiweißen, z. B. Enzymen, schneller möglich ist.

Eltern mit unterschiedlichem Ploidiegrad können in der Regel keine miteinander kompatiblen Geschlechtszellen produzieren (Für Ausnahmen siehe den Abschnitt Nicht-diploide Zahl von Chromosomensätzen im Artikel Chromosom). Daher wirkt eine Polyploidisierung nicht selten als genetische Barriere bei der Artbildung. Sie ermöglicht auch das Entstehen neuer Arten ohne geographische Isolation, also eine sympatrische Artbildung.

Künstliche Erzeugung

In der Pflanzenzüchtung wird die Bildung der Mikrotubuli (Spindelfasern) auf künstliche Weise verhindert. Das Gift der Herbstzeitlose (Colchicum autumnale) Colchicin oder 8-Hydroxychinolin verursachen neben ihrer anderen Giftwirkung auch Polyploidie und werden daher für eine künstliche Herbeiführung einer Polyploidie bei Pflanzen eingesetzt. Angewandt werden solche Verfahren z. B. in der Landwirtschaft, um kräftigere, robustere und ertragreichere Getreidesorten zu züchten.

Einzelnachweise

  1. Michael A. Goldman, Philip T. LoVerde and C. Larry Chrisman: Hybrid Origin of Polyploidy in Freshwater Snails of the Genus Bulinus (Mollusca: Planorbidae)). Evolution 37: 592-600 (1983)
  2. Anthony J.F. Griffiths, William M. Gelbart, Jeffrey H. Miller, Richard C.. Lewontin: Modern Genetic Analysis. W.H. Freeman and Company, New York (1999)
  3. Mendell, JE. et al. (2008): Extreme polyploidy in a large bacterium. In: Proc Natl Acad Sci USA 105(18); 6730–4. PMID 18445653 doi:10.1073/pnas.0707522105
  4. Dieser Abschnitt beruht auf: Wilhelm Seyffert (Hrsg.): Lehrbuch der Genetik. 2. Auflage, Spektrum Akademischer Verlag, Heidelberg, Berlin, 2003, S. 504. ISBN 3-8274-1022-3
  5. Dieser Abschnitt beruht auf: Wilhelm Seyffert (Hrsg.): Lehrbuch der Genetik. 2. Auflage, Spektrum Akademischer Verlag, Heidelberg, Berlin, 2003, S. 502f. ISBN 3-8274-1022-3

Literatur

  • P. Schopfer und A. Brennicke: Pflanzenphysiologie. 6. Aufl. Elsevier, 2005, ISBN 3-8274-1561-6

Weblinks

http://www.wissenschaft-online.de/abo/lexikon/bio/6438 (zur Autopolyploidie)


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