Wiedervereinigung der Normandie

Wiedervereinigung der Normandie
Wappen der Normandie mit den zwei Leoparden
Die historische Region Normandie

Unter dem Begriff Wiedervereinigung der Normandie (französisch Réunification de la Normandie) wird das politische Ziel einer administrativen Vereinigung der beiden französischen Regionen Basse-Normandie und Haute-Normandie verstanden. Dieses Ziel wird von verschiedenen politischen Gruppierungen in Frankreich verfolgt.

Historischer Hintergrund

Seit den Zeiten der Wikinger-Züge durch Europa im 8. und 9. Jahrhundert ist die Normandie eine der historischen Provinzen Frankreichs. Sie behielt lange Zeit ihre relative Eigenständigkeit und kam mit Wilhelm dem Eroberer in eine enge politische Bindung zum benachbarten Königreich England und blieb zwischen der englischen und französischen Krone umkämpft. Nach dem Hundertjährigen Krieg kam sie unter die direkte Herrschaft der französischen Könige, bewahrte aber noch über mehrere Jahrhunderte einige ihrer Sonderrechte. Im Gefolge der Französischen Revolution von 1789 wurde versucht, die alten feudalen Besitz- und Herrschaftsverhältnisse radikal zu beseitigen. Das ganze Land wurde verwaltungsmäßig neu eingeteilt und in zunächst 83 neu geschaffenen Départements organisiert, deren Grenzen sich zum Teil bewusst nicht an den alten historischen Regionsgrenzen orientierten. Die Normandie zerfiel in fünf Départements: Calvados, Eure, Manche, Orne und Seine-Maritime. Diese Départementseinteilung wurde auch im nachrevolutionären Frankreich beibehalten, da sie der bürokratisch-zentralistischen Regierungsform entgegenkam.

Regionen Frankreichs (Stand 2011)

Seit den 1950er Jahren wurden in mehreren Gesetzen viele der alten französischen Regionen, die im Übrigen in der öffentlichen Wahrnehmung immer weitergelebt hatten, administrativ wiederbelebt. Eine wesentliche Ausnahme bildete die Normandie, die nicht als eine, sondern in Form zweier Regionen (eine östliche Obere und eine westliche Niedere Normandie, Haute- und Basse-Normandie) wiedererstand. Verschiedene Gründe wurden für diese Aufspaltung genannt: in den 1950er Jahren war die Wirtschaft der östlichen Normandie stärker industriell geprägt und die Wählerschaft politisch links ausgerichtet, während die westliche Normandie agrarisch und politisch konservativer war. Die zwei Hauptorte Rouen und Caen boten sich beide als Zentralort einer zu schaffenden Region an.

Diskussion um eine mögliche Vereinigung der beiden Regionen

In unregelmäßigen Abständen kommt das Thema einer Vereinigung der beiden Regionen auf die politische Tagesordnung. In inoffiziellen Meinungsumfragen hat sich eine Mehrheit der Bewohner für eine Vereinigung ausgesprochen. Die Zustimmung in der Haute-Normandie war dabei geringfügig höher als in der Basse-Normandie. Allerdings hatte das Thema für viele Befragte keine hohe Priorität und die Indifferenz zu dieser Frage ist groß. Das Wählerverhalten in der Haute- und Basse-Normandie unterscheidet sich heute kaum mehr und auch die wirtschaftlichen Strukturen haben sich weitgehend aneinander angeglichen. Verschiedene politische Gruppierungen haben zu diesem Thema Stellung bezogen, wobei die traditionellen Rechts-Links-Schemata überschritten werden. Viele Parteien haben aber keinen einheitlichen Standpunkt in dieser Frage bezogen. Zurzeit sprechen sich nur das Mouvement démocrate (bürgerlich-liberal), das Nouveau Centre (bürgerlich-konservativ), die Parti radical de gauche (linksliberal) und der Front national (radikal rechts) klar für eine Vereinigung aus. Ein Hauptargument der Befürworter ist eine Verschlankung der Verwaltung durch Abbau von Doppelstrukturen, ein Argument das nicht unumstritten ist. Die meisten Regionalräte haben sich prinzipiell für eine Vereinigung ausgesprochen, lehnen aber eine Vereinigung per Dekret aus Paris ohne regionale Mitsprache strikt ab und haben eine Vielzahl von zu erfüllenden Bedingungen formuliert. Viele Funktionsträger der bisherigen Regionen fürchten um ihre Ämter in einer neu zu schaffenden vereinigten Region. Außerdem gibt es eine deutliche Rivalität zwischen den bisherigen Regions-Hauptorten Caen (Basse-Normandie) und Rouen (Haute-Normandie), die etwa gleich viel Einwohner haben und beide gerne den Titel einer capitale régionale einer vereinigten Normandie erlangen würden. Ein Kompromissvorschlag sieht vor, das zwischen Caen und Rouen gelegene Le Havre, die größte Stadt der Normandie, zum Verwaltungssitz der vereinigten Normandie zu machen. Für keine der drei Städte gibt es derzeit eine klare Mehrheit.

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