Zivilprozessordnung (Liechtenstein)

Zivilprozessordnung (Liechtenstein)
Basisdaten
Titel: Zivilprozessordnung
Abkürzung: ZPO
Art: Landesgesetz
Geltungsbereich: Fürstentum Liechtenstein
Rechtsmaterie: Zivilverfahrensrecht
Datum des Gesetzes: 10. Dezember 1912
Inkrafttreten am: 1. Juni 1913
Bitte den Hinweis zur geltenden Gesetzesfassung beachten.

Die liechtensteinische Zivilprozessordnung (ZPO; im Ausland: FL-ZPO) regelt "das gerichtliche Verfahren in bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten" und stellt damit die zentrale Verfahrensordnung für gerichtliche Streitigkeiten über privatrechtliche Ansprüche dar.

Inhaltsverzeichnis

Geschichte

Die Zivilprozessordnung trat am 1. Juni 1913 in Kraft und wurde seither mehrfach novelliert. Übergangsbestimmungen enthält das gleichzeitig erlassene und in Kraft getretene Gesetz vom 10. Dezember 1912 betreffend die Einführung der Zivilprozessordnung und der Jurisdiktionsnorm, LGBl. 9/3/1912 (kurz Einführungsgesetz zur Zivilprozessordnung bzw. EGZPO).

Da das am 1. Januar 2011 in Kraft getretene liechtensteinische Ausserstreitgesetz eine umfassende eigene, den Bedürfnissen des Außerstreitverfahrens angepasste Regelung des Verfahrens enthält, sind im Verfahren außer Streitsachen die Bestimmungen der Zivilprozessordnung nicht schlechthin sinngemäß anzuwenden, sondern nur dort und in dem Umfang, in dem es das Außerstreitgesetz ausdrücklich anordnet, z. B. die Bestimmungen über die Prozessfähigkeit, subsidiär über Bevollmächtigten, über die Anleitungs- und Belehrungspflicht des Richters, die Aufnahme von Beweisen, die Berichtigung und Ergänzung von Beschlüssen, über Protokolle, Akten, Sitzungspolizei, Beleidigungen in Schriftsätzen, Strafen, über Fristen u.a.m.

Mit dem Inkrafttreten der Zivilprozessordnung und der Jurisdiktionsnorm am 1. Juni 1913 traten insbesondere

  • die Allgemeinen Gerichtsordnung vom 1. Mai 1781,
  • die mit fürstlicher Verordnung vom 16. Oktober 1819 eingeführten Vorschriften über das Verfahren in streitigen Eheangelegenheiten,
  • die mit fürstlicher Verordnung vom 10. Dezember 1858 eingeführte Vorschrift über das Verfahren in Besitzstörungsstreitigkeiten,
  • die mit fürstlicher Verordnung vom 20. November 1858 erlassene Vorschrift über das Verfahren in Wechselsachen,
  • die Vorschriften der §§ 1 bis 5 des Gesetzes vom 9. Oktober 1865, LGBl. 1865 Nr. 5/1, betreffend den Schuldenbetrieb im Fürstentum Liechtenstein,

teilweise oder ganz außer Kraft.

Inhalt

Die Zivilprozessordnung regelt die Partei- und Prozessfähigkeit, die Stellung der Prozessparteien sowie Aufgaben und Befugnisse des Richters, die Grundsätze für Schriftsätze, Fristen und Tagsatzungen und Folgen der Säumnis, die allgemeinen Verfahrensgrundsätze, den Gang der Verhandlung vom der Klage bis zum Urteil sowie die Bestimmungen über Urteile und Beschlüsse, das Rechtsmittelverfahren sowie besondere Verfahrensarten.

Nicht in der Zivilprozessordnung, sondern im Gesetz vom 10. Dezember 1912 über die Ausübung der Gerichtsbarkeit und die Zuständigkeit der Gerichte in bürgerlichen Rechtssachen (Jurisdiktionsnorm, JN), LGBl 9/2/1912, geregelt ist die sachliche und örtliche Zuständigkeit der Gerichte in Zivilrechtssachen einschließlich des Instanzenzugs im Rechtsmittelverfahren sowie die Besetzung der Gerichte je nach Zuständigkeit (EinzelrichterSenat, siehe Gerichtsorganisation in Liechtenstein).

Auch die Zwangsvollstreckung ist nicht in der Zivilprozessordnung, sondern vor allem im Gesetz vom 24. November 1971 über das Exekutions- und Rechtssicherungsverfahren (Exekutionsordnung; EO), LGBl 32/2/1972, geregelt.

Gliederung

  • 1. Teil. Allgemeine Bestimmungen
    • 1. Abschnitt. Parteien
      1. TitelProzessfähigkeit1 bis § 10)
      2. TitelStreitgenossenschaft und Hauptintervention11 bis § 16)
      3. TitelBeteiligung Dritter am Rechtsstreit17 bis § 24)
      4. TitelBevollmächtigte25 bis § 39)
      5. TitelProzesskosten40 bis § 55)
      6. TitelSicherheitsleistung für Prozesskosten56 bis § 62)
      7. TitelVerfahrenshilfe63 bis § 73)
    • 2. Abschnitt. Verfahren
      1. TitelSchriftsätze74 bis § 86)
      2. TitelZustellungen87 bis § 122)
      3. TitelFristen und Tagsatzungen123 bis § 143)
      4. TitelFolgen der Versäumung, Wiedereinsetzung in den vorigen Stand144 bis §154)
      5. TitelUnterbrechung und das Ruhen des Verfahrens155 bis § 170)
    • Dritter Abschnitt. Mündliche Verhandlung
      1. TitelÖffentlichkeit171 bis § 175)
      2. TitelVorträge der Parteien176 bis § 196)
      3. TitelSitzungspolizei (197 bis § 201)
      4. TitelVergleich202 bis § 206)
      5. TitelVerhandlungsprotokolle207 bis § 217)
      6. TitelAkten218 und § 219)
      7. TitelStrafen220)
      8. TitelSonntagsruhe und Gerichtsferien221 bis § 225)
  • 2. Teil. Verfahren vor dem Gerichte erster Instanz
    • 1. Abschnitt. Verfahren bis zum Urteile
      1. TitelVergleichsversuch, Klage, erste Tagsatzung und Streitverhandlung226 bis § 265)
      2. TitelAllgemeine Bestimmungen über den Beweis und die Beweisaufnahme266 bis § 291)
      3. TitelBeweis durch Urkunden292 bis § 319)
      4. TitelBeweis durch Zeugen320 bis § 350)
      5. TitelBeweis durch Sachverständige351 bis § 367)
      6. TitelBeweis durch Augenschein368 bis § 370)
      7. TitelBeweis durch Vernehmung der Parteien371 bis § 383)
      8. TitelSicherung von Beweisen384 bis § 389)
    • 2. Abschnitt. Urteile und Beschlüsse
      1. TitelUrteile390 bis § 424)
      2. TitelBeschlüsse425 bis § 430)
  • 3. Teil Rechtsmittel
    • 1. Abschnitt. Berufung431 bis § 470)
    • 2. Abschnitt. Revision471 bis § 482)
    • 3. Abschnitt. Rekurs483 bis § 496)
  • 4. Teil. Nichtigkeits- und Wiederaufnahmsklage497 bis § 515)
  • 5. Teil. Besondere Arten des Verfahrens
    • 1. Abschnitt. Verfahren in Ehesachen516 bis § 534)
    • 2. Abschnitt. Bagatellverfahren535 bis § 540)
    • 3. Abschnitt. Besitzerschutzverfahren541 bis § 547)
    • 4. Abschnitt. Mandatsverfahren548 bis § 554)
    • 5. Abschnitt. Verfahren in Wechselstreitigkeiten555 bis § 559)
    • 6. Abschnitt. Verfahren in Bestandstreitigkeiten560 bis § 576)
    • 7. Abschnitt. Mandatsverfahren
    • a) Schuldentriebverfahren577 bis § 593)
    • b) Rechtsbotsverfahren593a bis 593e)
    • 8. Abschnitt. Schiedsverfahren
      1. TitelAllgemeine Bestimmungen594 bis § 597)
      2. TitelSchiedsvereinbarung598 bis § 602)
      3. TitelBildung des Schiedsgerichts603 bis § 608)
      4. TitelZuständigkeit des Schiedsgerichts609 und § 610)
      5. TitelDurchführung des Schiedsverfahrens611 bis § 619)
      6. TitelSchiedsspruch und Beendigung des Verfahrens620 bis § 627)
      7. TitelRechtsbehelf gegen den Schiedsspruch628 bis § 630)
      8. TitelAnerkennung und Vollstreckbarerklärung ausländischer Schiedssprüche631)
      9. TitelGerichtliches Verfahren632 und § 633)
      10. TitelSonderbestimmungen634)

Die Gerichte

Die Zivilgerichtsbarkeit wird von den ordentlichen (staatlichen) Gerichten ausgeübt. Das Gericht erster Instanz hat die Anträge der Parteien entgegenzunehmen, das Beweisverfahren durchzuführen undfalls es nicht zuvor aus anderen Gründen zur Beendigung des Verfahrens kommtein Urteil zu fällen. Die Entscheidungen des Gerichtes erster Instanz unterliegen der Überprüfung durch das Rechtsmittelgericht und in einigen Fällen auch des Obersten Gerichtshofs (OGH).

Zuständigkeit

Die Zuständigkeit des jeweiligen Erstgerichts ist nicht in der ZPO selbst geregelt, sondern in einem anderen Gesetz, der Jurisdiktionsnorm (JN).

Instanzenzug

Zur Entscheidung in erster Instanz können berufen sein:

in 1. Berufungsinstanz das Fürstliche Obergericht,

in 2. Berufungsinstanz der Fürstlichen Obersten Gerichtshof.

Sofern eine Rechtsmittel an den Obersten Gerichtshof zulässig ist, entscheidet dieser in dritter und jedenfalls letzter Instanz.

Rezeption

Die liechtensteinische Zivilprozessordnung wurde weitgehend (jedoch mit veränderter Zählung und anstelle von Paragraphen mit der Bezeichnung Artikel) aus Österreich (öZPO) übernommen.

Die Änderungen in der österreichischen Zivilprozessordnung werden in Liechtenstein zeitversetzt und mit Abänderungen und Anpassungen an die nationalen Besonderheiten übernommen (siehe z.B. hinsichtlich der Aktorischen Kaution).

Von der Rechtsprechung in Liechtenstein wird teilweise die Rechtsprechung des österreichischen Obersten Gerichtshofes zur österreichischen Zivilprozessordnung zur Auslegung der liechtensteinischen Zivilprozessordnung herangezogen.

Siehe auch

Literatur

Liechtenstein:

  • Antonius Opilio: Passepartout für Rechtwisser, Wegleitung durch das liechtensteinische Zivilprozessrecht. Edition Europa Verlag, 2006, ISBN 978-3-901924-24-8.

Weblinks


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