Circus-Theater 5000

Circus-Theater 5000
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virtuelles 3-D-Modell des Zirkusgebäudes im Zustand der 1930er Jahre

Sarrasani war der Name eines bekannten Zirkus-Unternehmens, das in Dresden ansässig war. Mit der Zerstörung des 1912 eingeweihten festen Zirkusbaus in der heutigen Sarrasanistraße in der Inneren Neustadt im Zweiten Weltkrieg ging der Zirkus Sarrasani in Deutschland unter. 1956 erfolgte die Neugründung durch Fritz Mey, den Vater des heutigen Zirkuschefs André Sarrasani.

Inhaltsverzeichnis

Geschichte

Seit Ende des 18. Jahrhunderts ist ein Zweig der Familie Stosch in der Lößnitz nachweisbar. Der „Oeconom und Weinberg-Besitzer“ Ferdinand Traugott Stosch (1794–1855) war Mitglied des Gemeinderats von Oberlößnitz. Sein Neffe Albert Stosch (1835–1900), Vater von Hans Erdmann Franz Stosch, setzte sich ab 1895 in Oberlößnitz zur Ruhe.[1]

Sein 1873 in Lomnitz/Posen geborener Sohn Hans schloss sich 1888 der bayrischen Wanderschau Kolzer an und arbeitete sich vom Stallburschen zum bekannten Dressur-Clown hoch, als welcher er sich ab 1892 den Künstlernamen „Giovanni Sarrasani“ gab. Sarrasani trat bereits vor 1900 in Strehlen, einem Stadtteil von Dresden, seiner späteren Zirkusheimat, mit einem Minizirkus auf, der aus Hunden, Affen, einem Bären und einem Schwein bestand.

Am 20. März 1901 zog er in das Oberlößnitz benachbarte Radebeul in die Gartenstraße 30. In einem Nebengebäude auf dem Grundstück Gartenstraße 54 baute er im Winter des Jahres mit Unterstützung einheimischer Handwerker, unter anderem des Stellmachermeisters Paul Thalheim, ein eigenes Zirkusunternehmen auf. Dieser Wanderzirkus mit 3600 Plätzen erlebte am 30. März 1902 in Meißen seine Premiere als „Circus Sarrasani“, der „modernste Circus der Jetztzeit“.[1]

Ab 1904 ergänzte sein Inhaber und Direktor den bisherigen Familiennamen um den Künstlernamen und nannte sich fortan Hans Stosch-Sarrasani mit dem Zusatz sen.[1], zur Unterscheidung von seinem 1897 geborenen Sohn Hans Stosch-Sarrasani.

Der „größte und eleganteste Zelt-Circus Europas“ (aus einer Sarrasani-Anzeige von 1902) ging von Radebeul aus auf Reisen. Sein Weg führte ihn regelmäßig in die Residenzstadt Dresden, die durch Ernst Jakob Renz (geboren am 18. Mai 1815 in Böckingen bei Heilbronn, gestorben am 3. April 1892 in Berlin) Gastspiele als „gute Zirkusstadt“ bekannt war. Sarrasani spielte dort mit Vorliebe auf dem freien Platz neben dem Jägerhof in der Neustadt, wo bereits 1746 ein Hetz-Amphitheater gestanden hatte.

Nachdem Stosch-Sarrasanis Versuche, einen stationären Zirkus zu errichten, in anderen Städten wie Berlin fehlgeschlagen waren, orientierte er sich auf dieses Gelände und fand bei den Stadtvätern Dresdens großes Entgegenkommen. Am 27. Mai 1910 verkaufte die Stadtgemeinde Dresden diesen inzwischen erweiterten „ungefähr 5632 m² großen Baublock zum Preise von 80 (achtzig) Mark für den m²" (aus dem Kaufvertrag) an Hans Stosch-Sarrasani sen. (Hans Erdmann Franz Stosch) mit der Auflage, „binnen ein und demselben Jahre von der Übergabe des Landes an einen massiven Zirkus zu errichten, der im Innern allen Ansprüchen der Neuzeit und in seiner äußeren Gestaltung höheren stadttypischen architektonischen Ansprüchen entspricht“ (aus dem Kaufvertrag).

Das Gebäude wurde von dem in Chemnitz geborenen und in München tätigen Architekten Max Littmann entworfen und durch die Bauunternehmung Heilmann & Littmann ausgeführt. Im Mai 1911 begannen die Bauarbeiten, an denen über 20 Firmen beteiligt waren. Obwohl einige Quengeleien zwischen den beiden Kontrahenten Stosch und Renz die Arbeiten hinauszögerten, wurden die Bauarbeiten am Zirkus Sarrasani am 19. September 1912 erfolgreich beendet. Im gleichen Jahr meldete Stosch-Sarrasani seinen Hauptwohnsitz in Radebeul ab, blieb der Stadt jedoch Zeit seines Lebens verbunden. So ehrte er den Schriftsteller Karl May an seinem Grabmal und besuchte mit seinen Zirkusindianern das Karl-May-Museum.[1]

Am 22. Dezember 1912 wurde das „Circus-Theater 5000“ am Königin-Carola-Platz, der erste feste Zirkusbau Europas, mit einer grandiosen Wohltätigkeitsveranstaltung unter Anwesenheit der königlichen Familie eingeweiht. In dem Gebäude fanden nach polizeilichen Unterlagen 3860 Menschen Platz. „Die Eröffnung des Zirkus Sarrasani war die Sensation dieses vierten Advents für die hiesigen Gesellschaftskreise. Was Sarrasani der Stadt Dresden gegeben hat, erlebten wir gestern; die kommenden Wochen werden zeigen, was die Stadt Dresden Sarrasani zu geben hat.“ (Dresdner Neueste Nachrichten, 1912) 1926/27 gab es zwei Riesenzelte für je 10.000 Zuschauer, 800 Mitarbeiter, 250 Pferde, 100 Raubtiere, 22 Elefanten und 175 Fahrzeuge. 1934 starb Hans Stosch-Sarrasani sen. in Sao Paulo.

Ein Beschluss der Stadt Radebeul, Hans Stosch-Sarrasani sen. die Ehrenbürgerwürde zu verleihen, konnte aufgrund des unerwarteten Todes nicht mehr durchgeführt werden.[1]

Nach dessen Tod trat Hans Stosch-Sarrasani jun. die Nachfolge als Zirkusleiter an. Er teilte den Circus: Während ein Sarrasani-Unternehmen in Deutschland spielte, reiste ein zweites unter Leitung seiner Frau Trude Stosch-Sarrasani, unterstützt durch Fritz Mey, durch Argentinien[2]. Er reduzierte Personal, Tiere und Künstler. 1938 kaufte er die Radebeuler Villa Neufriedstein 1 als Wohnsitz und „Ruheheim für verdiente Sarrasani-Artisten“. Ab 1940 firmierte sein Unternehmen als „Sächsischer Heimatzirkus“. 1941 starb Hans Stosch-Sarrasani jun. während eines Berlin-Gastspiels. Nachdem Sarrasani das Gebäude nicht mehr selbst bespielte, lösten Pächter und Produzenten einander ab. Oft blieb es ungenutzt. Am 13. Februar 1945 wurde das Sarrasani-Theater durch die Luftangriffe auf Dresden zerstört und danach nicht wieder aufgebaut.

1948 übersiedelte seine Witwe Trude Stosch-Sarrasani nach Argentinien, wo sie bis 1972 mit Unterbrechungen den Circo Sarrasani-Shangri La betrieb. 1992 besuchte sie wieder Dresden und Radebeul, wo sie ihr auf Neufriedstein gelegenes Artisten-Ruheheim der Diakonie übereignete.

Der Sarrasani-Brunnen am Carolaplatz erinnert heute an das nicht wieder errichtete Sarrasani-Theater

In Deutschland erfolgte 1956 die Neugründung durch Fritz Mey (* 5. Juli 1904; † 3. Dezember 1993), den Vater des heutigen Zirkuschefs André Sarrasani.

Von 1980 bis 2000 übernahm Ingrid Stosch-Sarrasani (* 28. Juni 1933) die Zirkusleitung. Unter ihrer Leitung entstand die Show „Circus-Poesie“, ihr größter Publikumserfolg.[2] 1999 erhielt eine Straße in Radebeul den Namen der Zirkusfamilie.

Im Oktober 2004 kehrte Sarrasani mit der Dinner-Varieté-Show „Trocadero“ nach Dresden zurück. Betreiber ist der 32-jährige André Sarrasani, unehelicher Sohn der als Ingrid Stosch-Sarrasani adoptierten Artistin Ingrid Wimmer und des Fritz Mey, der den Circus nach dem Zweiten Weltkrieg wieder aufbaute.

Architektur

Werbe-Vignette zur Eröffnung 1912

Das Haus, das „von der König-Albertstraße, der Villierstraße, dem Beaumont-Platz, der Briestraße und dem Königin-Carola Platz“ (aus dem Kaufvertrag) umschlossen war, war seinerzeit Europas modernster Zirkusbau. „Sein Herzstück war der frei gespannte Kuppelraum mit einem Durchmesser von 46,50 m und einer lichten Höhe von 28,95 m [...] seine gesamte Höhe betrug 35,75 m [...] die Manege erhielt die Standardabmessungen von 13,20 m im Durchmesser, sie konnte abgesenkt und mit Wasser gefüllt werden; die Bühne erreichte eine Höhe von 17,15 m und wurde mit einem Asbestvorhang abgeschlossen.“ (hier und nachfolgend sinngemäß zitiert aus „Sarrasani, wie er wirklich war“)

Bei der Verwendung der Baumaterialien sparte Stosch an keiner Stelle. Das Gebäude galt als das „feuersicherste weit und breit, so dass es nicht selten Ziel von Exkursionen von Bauleuten und Feuerwehren wurde“. „Sämtliche eisernen Unterkonstruktionen der Ränge, Logen und Galerien wurden von unten feuersicher verkleidet. Einige Bauteile und die Stallanlagen führte man in massivem Backstein aus, die wichtigsten Treppen, sowie die Decken von Keller und Erdgeschoss in Eisenbeton. Ränge, Logen, Parkett, Galerie erhielten eigene, voneinander unabhängige Treppenanlagen, die ins Freie führten (die Galerie allein acht!). Außerdem wurden ein Gefahrenstellen-Anzeiger, 42 Druckknopfmelder und 22 Temperaturmelder eingebaut, die einen Brand automatisch der städtischen Hauptfeuerwache meldet.“ Das Eingreifen externer Hilfskräfte war aber nicht immer erforderlich, da sich im Gebäude eine eigene Feuerwache, Polizei- und Sanitätsstation befand. Feuerwehrmann Paul Großmann, der in der Feuerwache nebenan angestellt war, meinte, dass dieses Gebäude „für uns ein Schulungsbeispiel“ ist. Alle Feuerwehrleute dieser Wache erhielten als kleinen Bonus vergünstigte Eintrittspreise.

Die genaue Kapazität des Zuschauerraumes ist bis heute nicht eindeutig geklärt, da Sarrasani vom „Theater der 5000“ sprach, aber die Unterlagen der Baupolizei 3860 ergaben (840 Parkett und Logen, 920 im ersten und 512 im zweiten Rang und 1588 auf der Galerie). Die Vermutung, dass man diese Zahl durch „Stopfen“ erreichen könne, galt nicht als wahrscheinlich, da Stosch sehr auf Sicherheit bedacht war und außerdem hätte man so niemals über 1000 Zuschauer „reinquetschen“ können. Vermutlich war die Zahl 5000, die Stosch erwähnte, nur eine Wunschzahl.

Des weiteren befanden sich im Gebäude ein Speiserestaurant mit Künstlerklause, Dienstwohnungen, ein Salon, der die ganze Nacht über offen blieb, ein Kabarettprogramm zeigte und eine „American Bar“ enthielt, ein Kellerrestaurant sowie drei Büfetts zur Pausenversorgung.

Nutzung des Gebäudes

Das Gebäude des Zirkus Sarrasani besaß bei aller Fortschrittlichkeit aber auch einen beträchtlichen Nachteil - die Akustik. Die schlechte Qualität der Akustik wurde bereits bei der Einweihung bemerkt. Dieses Problem, welches dem Direktor zeitlebens Sorgen bereitete, verhinderte die Mitbenutzung des Theaters. Zwar gab es einige Versuche, auch als Stadthalle, aber es blieben auch solche. Im Laufe seines 33jährigen Bestehens wurde es trotzdem als Varietétheater und für Sportveranstaltungen bis hin zu Großveranstaltungen genutzt. Es fiel oft auf, dass Stosch das Zirkusgebäude eher an Linke als an Rechte vermietete und an solche, die sein potentielles Publikum waren. Am 3. August 1924 fand eine viel beachtete „Friedenskundgebung“ und im April 1925 eine „Marx-Kundgebung“ statt.

Die Familie Stosch

Maria Stosch-Sarrasani, Hedwig Stosch-Sarrasani, Hans Stosch-Sarrasani senior mit seinem berühmten Maharadschakostüm, Hans Stosch-Sarrasani junior, zahlreiche weitere argentinische Nachfahren, die heute im Zirkusgeschäft wieder tätig sind.

Hauptattraktionen

Einige Hauptattraktionen des Zirkus sind oder waren:

Japanertruppe, der lange Emil und der kleine Max, Stelzenläufer als Musiker, Kunstschützen, Zwergclown Francois & Wunderesel Rigolo, das menschliche Känguru Aage Markoni, spezielle Vorführungen mit Tiger-und Elefantengruppen.

Zitate über Sarrasani

  • "In der langen Reihe großer deutscher Künstler, Wissenschaftler und Techniker darf Hans Stosch-Sarrasani nicht fehlen." Junge Welt, 9. August 1985.
  • "Sarrasani war ohne Zweifel ein Weltbegriff und hat in den ersten Jahrzehnten unseres Jahrhunderts ein gewichtiges Stück deutscher Geschichte mitgeschrieben." CDU-Pressedienst, 30. Juli 1985.
  • "Er begründete ein Zirkusimperium, das für ein halbes Jahrhundert Niveau, Strömungen und Ausstrahlung dieser Kunst der Manege mitbestimmte." DDR-JugendRadiosender DT 64, 19. September 1985.
  • "In Hans Stosch-Sarrasani sen. vereinten sich die Eigenschaften eines nach Höchstleistungen strebenden Künstlers, eines ständig auf Modernisierung seines Unternehmens bedachten Kaufmanns und nicht zuletzt eines cleveren Werbepsychologen." Henschel-Mitteilungen 1984.

Literatur

  • Große Kreisstadt Radebeul (Hrsg.): Stadtlexikon Radebeul. Historisches Handbuch für die Lößnitz, 2., leicht geänderte Auflage 2006, ISBN 3-938460-05-9
  • Stadtlexikon Dresden A-Z, Verlag der Kunst Dresden 1998, ISBN 3-364-00304-1

Weblinks

Einzelnachweise

  1. a b c d e Große Kreisstadt Radebeul (Hrsg.): Stadtlexikon Radebeul. Historisches Handbuch für die Lößnitz, 2., leicht geänderte Auflage 2006.
  2. a b www.sarrasani.de, Menüpunkt >Unternehmen>Historie>Tradition, Stand 9. April 2008.

51.05911944444413.7453472222227Koordinaten: 51° 3′ 33″ N, 13° 44′ 43″ O


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