- Neufriedstein
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Neufriedstein ist ein ehemaliger Weinbergsbesitz mit Herrenhaus und einem Berghaus (Mätressenschlösschen) unter der Adresse Neufriedstein im Stadtteil Niederlößnitz der sächsischen Stadt Radebeul, innerhalb der heutigen Weinlage Radebeuler Johannisberg inmitten des Denkmalschutzgebiets Historische Weinberglandschaft Radebeul.[1]
Inhaltsverzeichnis
Geschichte
Der westlich vom Friedstein (danach in Altfriedstein umbenannt) gelegene Weinbergsbesitz wurde 1827 Neufriedstein benannt. Er lag ursprünglich auf der zu Kötzschenbroda gehörenden Flur, dem „Kötzschbergischen Weingebirge“. Diese wurde mit seiner Gründung im Jahre 1839 Teil von Niederlößnitz.
Der Reichssekretär Anton Weck erhielt 1665 für eine Auslagenforderung von 500 Talern an das Amt Moritzburg den Weinberg Sandleithe. Der oberhalb liegende Schildberg kam etwa zur gleichen Zeit dazu, während der östlich an den Weinberg Fliegenwedel grenzende Wehlsberg im Besitz der Herren von Köckeritz auf Burg Wehlen war. Dieser galt bereits im Jahr 1417 als einer der wertvollsten Weinberge der Lößnitz.
Im Jahr 1727 erwarb der Dresdner Ratsherr und Kaufmann Johann Georg Ehrlich bei einer Versteigerung aus der Konkursmasse des cand. jur. Conrad Weck den Schildberg. Nachdem er 1741 von den Alwardt-Erben die Sandleithe erworben hatte, hinterließ er 1743 seinen Besitz seinem einzigen Sohn Johann Gotthold Ehrlich. Dieser kaufte 1749 den Wehlener Berg einschließlich Berg- und Presshaus, Winzergebäude (heute Nr. 5: Haus Nitzsche, siehe weiter unten), Schuppen sowie allem Inventar für 3000 Taler, zahlbar jedoch in „Louisdor und Dukaten“.[2]
So kamen die drei historischen Weinberge Schild, Sandleithe und Wehlsberg zum Weinbergsbesitz Ehrlich, wie er im Flurbuch von 1800 genannt wurde, zusammen, dem späteren Neufriedstein. Sohn Johann Gotthold (Johann Gottlob)[2] Ehrlich ließ auf der Suche nach Silber um 1765 erfolglos mehrere Bergstollen in den Hang treiben. Im unteren Bereich des Schildbergs baute Johann Gotthold Ehrlich um 1770 das barocke Herrenhaus (das spätere Pfarrtöchterheim) mit seitlichen Terrassen und 1771/1772 auf der Hangkante das Berghaus Neufriedstein als Lusthaus.
1776 kaufte Christiane Dorothea verehel. Schäferin (Schäffer) geb. Weinartin das Anwesen.[3] Ihr Ehemann hatte ihr 1752 die Weinberge und das später als Haus Lotter bekannte Winzerhaus vererbt. Ihr wird die Erbauung der Sandsteintreppe hoch zum Berghaus zugeschrieben. Das Herrenhaus (heute Nr. 2) erhielt durch seinen späteren Besitzer, den Major Karl Gottlob Ludwig Schäffer, 1820 einen klassizistischen Portikus auf vier dorischen Säulen.
Georg Schwarz, Schwager von Ludwig Pilgrim und wie dieser Schwiegersohn von Johann Peter Hundeiker, wohnte um 1820 wohl auf dem Weinbergsanwesen Friedstein seines Schwagers Pilgrim. 1821 erwarb er erstmal wohl nur zur Pacht den Schäfferschen Weinberg, den er 1827 dann auch kaufen konnte. Da er 1823 bereits Friedstein von seinem Schwager erworben hatte, der zu jener Zeit bereits im Mohrenhaus wohnte, benannte Schwarz Friedstein in Altfriedstein um und das Schäffersche Anwesen in Neufriedstein.[3] Mit Georg Schwarz und ab 1830 Franz Carl Sickmann[2], dem späteren Landtagsabgeordneten, waren zwei der Gründer der 1836 entstandenen Sektkellerei Bussard Besitzer von Neufriedstein. Sickmann begann auch auf Neufriedstein eine eigene Sektherstellung, stellte diese jedoch bald wieder ein. 1870 ging das Anwesen als Erbe an Sickmanns Schwiegersohn Carl Glück, einen der Besitzer der Sektkellerei Glück & Plath.
Der Arzt Ernst Wilhelm Lenk errichtete auf dem Besitz 1876 eine Schankwirtschaft, die er vier Jahre später bereits wieder schloss, um nach der Reblauskatastrophe das Land parzellieren und als Bauland verkaufen zu können. Im Südwestteil entstanden eine Majolikafabrik sowie das Wasserwerk Niederlößnitz.
Das Herrenhaus und das Berghaus mitsamt dem Schildberg übernahm 1886 der Schriftsteller und Übersetzer italienischer und persischer Dichtungen Maximilian Rudolph Schenk. Er verkaufte wiederum das Herrenhaus 1888 an den Landesverein zur Unterstützung verwaister und unversorgter Predigertöchter im Königreich Sachsen, der hier das sogenannte Pfarrtöchterheim einrichtete, welches bis 1998 bestand. 1893 entstand auf der westlichen Terrasse der erste Erweiterungsbau mit 10 Zimmern nach Süden, dem 1904 auf der östlichen Terrasse der zweite Erweiterungsbau folgte.
Der Zirkusdirektor Hans Stosch-Sarrasani kaufte 1938 die Villa Neufriedstein 1 als Wohnsitz und „Ruheheim für verdiente Sarrasani-Artisten“. 1948 übersiedelte seine Witwe Trude Stosch-Sarrasani nach Argentinien, wo sie bis 1972 mit Unterbrechungen den Circo Sarrasani-Shangri La betrieb. 1992 besuchte sie wieder Dresden und Radebeul, wo sie ihr auf Neufriedstein gelegenes Artisten-Ruheheim der Diakonie übereignete. Diese errichtete nördlich in den Jahren 1997/1998 das moderne Alters- und Pflegeheim Neufriedstein, gleichzeitig wurde das Pfarrtöchterheim aufgelöst.
Seit 2001 wird das inzwischen an Privat verkaufte und sanierte Herrenhaus zu Wohnzwecken verwendet.
Beschreibung
Das im Westen an das Denkmalensemble von Schloss Wackerbarth stoßende Weinbergsgelände des Neufriedstein steht heute einschließlich Berghaus (Mätressenschlösschen), Herrenhaus (Pfarrtöchterheim) und Winzerhaus (Haus Nitzsche) als denkmalpflegerische Sachgesamtheit (Ensembleschutz) unter Denkmalschutz.[4] Außerhalb der Sachgesamtheit steht das früher ebenfalls zu Neufriedstein gehörende Untere Berghaus, in dem in den 1820er Jahren Johann Peter Hundeiker wohnte.
Auf der gegenüberliegenden Straßenseite und damit außerhalb beziehungsweise unterhalb von Neufriedstein liegt das ehemalige Weingutsanwesen von Haus Liborius.
Mätressenschlösschen
Das an der Hangkante oberhalb des Schildberg genannten Weinbergs 1771/1772 gebaute Berghaus Neufriedstein ist ein massiver und weit sichtbarer Bergpavillon. Er wird heute Mätressenschlösschen genannt, früher hieß er auch Himmelsschlösschen oder Friedsteinburg. Wie das Herrenhaus steht auch das Mätressenschlösschen heute unter Denkmalschutz,[5] jedoch unter der eigenen Adresse Mohrenstraße 10. Er gilt als „baugeschichtlich, künstlerisch, landschaftsgestalterisch und ortsgeschichtlich bedeutend“.[5]
Auf einer talseitigen Terrasse mit Treppen auf beiden Seiten steht ein fensterloser Unterbau aus Sandsteinblöcken mit Blendbogengliederung in der Ansicht sowie einer Balustrade obenauf, im Inneren mit einem Tonnengewölbe. Das Lusthaus selbst ist ein achteckiger, verputzter Baukörper mit zwei rechts und links angesetzten rechteckigen Flügelbauten. Diese tragen einseitige Ziegel-Walmdächer, der Mittelbau trägt ein Mansarddach mit einer Aussichtsplattform. Die Wetterfahne zeigt durch einen Zahlendreher das Jahr 1717.
Das 1888 von dem Schriftsteller und Übersetzer Maximilian Rudolpf Schenk durch Verkauf des Herrenhauses abgeteilte Anwesen des Mätressenschlösschens wurde 1922 durch die Gemeinde Niederlößnitz erworben.
Der Salon im Inneren war bis zur Sanierung im Jahr 1923 mit Weinbaumotiven ausgemalt. Als einziges historisches Inventar befindet sich heute ein zierlicher Rokokokamin im Salon.
Nachdem das Gebäude zu DDR-Zeiten in städtischem Besitz zum Teil als Wohngebäude verpachtet war, wurde es 1993 an Privat verkauft. Nach anderer Darstellung war das Anwesen bereits vor dem Zweiten Weltkrieg im Besitz der Familie von Erivan Haub, der den Sommersitz nach der Wende zurück erhielt.[6] Der Besitzer ließ es 1998 bis 2000 denkmalgerecht sanieren, gleichzeitig entstand hinter dem Lusthaus, von der Hangkante aus gesehen, ein neues Wohnhaus, dessen Formgebung die Vorgaben des Mätressenschlösschens aufnahm. Der ehemalige sächsische Ministerpräsident Kurt Biedenkopf wohnte in dem neuen Wohnhaus in den 2000er Jahren, nachdem er aus dem Gästehaus der sächsischen Regierung ausgezogen war.
Das umliegende Gelände wurde als Park neu angelegt, dessen Gestaltung 2001 durch einen Preis für Sächsischen Garten- und Landschaftsbau ausgezeichnet wurde.
Von seiner Form her sieht das Mätressenschlösschen aus wie eine kleinere Kopie des wenige Monate vorher weiter im Osten in der Oberlößnitz entstandenen Haus in der Sonne.[7]
Haus Nitzsche
Das heute ebenfalls unter Denkmalschutz stehende ehemalige Winzerhaus findet sich unter der Adresse Neufriedstein 5. Der Kernbau des zweigeschossigen Wohnhauses stammt aus dem 18. Jahrhundert. 1883 ergingen Genehmigungen zum Umbau des Hauses, unter anderem durfte das Erdgeschoss des Winzerhauses zu Wohnzwecken verändert werden. Zwei Jahre später folgte die Baurevision.
Im Jahr 1969 mussten die mittleren Erdgeschossräume wegen zu großer Feuchtigkeit gesperrt werden, 1970 erfolgte die notwendige Außeninstandsetzung, ab 1981 folgten weitere Sanierungsarbeiten.
Heute hat das Gebäude mit seinem ziegelgedeckten Walmdach nach Süden zum Abhang hin eine sechsachsige Traufseite, auf der linken Seite befindet sich eine Haustür, rechts dagegen ein Ladeneingang, das gesamte Erdgeschoss dieser Fassade wird von einem Weinspalier geziert. Die Fenster des schlichten Putzbaus werden von Sandsteingewänden eingefasst, an denen sich ehemals Klappläden befanden.
Nach dem ersten, von Neufriedstein unabhängigen Besitzer Johannes Nitzsche, wurde das Anwesen Nitzsches Winzerhof genannt.
Literatur
- Frank Andert (Redaktion); Große Kreisstadt Radebeul. Stadtarchiv Radebeul (Hrsg.): Stadtlexikon Radebeul. Historisches Handbuch für die Lößnitz. 2. Auflage. Stadtarchiv, Radebeul 2006, ISBN 3-938460-05-9.
- Barbara Bechter, Wiebke Fastenrath et al. (Bearb.): Georg Dehio, Handbuch der Deutschen Kunstdenkmäler, Sachsen I, Regierungsbezirk Dresden. Deutscher Kunstverlag, München 1996, ISBN 3-422-03043-3, S. 736–737.
- Georg Dehio: Handbuch der deutschen Kunstdenkmäler, Bd.1, Mitteldeutschland. 1914.
- Matthias Donath, Jörg Blobelt (Fotos): Sächsisches Weinland. Historische Weingüter und Weinberghäuser im Elbtal. 1. Auflage. Redaktions- und Verlagsgesellschaft Elbland, Dresden 2010.
- Cornelius Gurlitt: Die Kunstdenkmäler von Dresdens Umgebung, Theil 2: Amtshauptmannschaft Dresden-Neustadt. In: Beschreibende Darstellung der älteren Bau- und Kunstdenkmäler des Königreichs Sachsen, Band 26, C. C. Meinhold & Söhne, Dresden 1904, S. 132 f. (Digitalisat Niederlössnitz. Weinberggrundstück Friedstein. Blatt 145, Blatt 146)
- Volker Helas (Bearb.); Landesamt für Denkmalpflege Sachsen und Stadt Radebeul (Hrsg.): Denkmaltopographie Bundesrepublik Deutschland. Denkmale in Sachsen: Stadt Radebeul. SAX-Verlag, Beucha 2007, ISBN 978-3-86729-004-3.
- Liselotte Schließer (Erarb.): Radebeul - Stadtführer durch Vergangenheit und Gegenwart. 1. ergänzte Auflage. Edition Reintzsch, Radebeul 2008, ISBN 978-3-930846-05-4.
Weblinks
Einzelnachweise
- ↑ Volker Helas (Bearb.); Landesamt für Denkmalpflege Sachsen und Stadt Radebeul (Hrsg.): Denkmaltopographie Bundesrepublik Deutschland. Denkmale in Sachsen: Stadt Radebeul. SAX-Verlag, Beucha 2007, ISBN 978-3-86729-004-3, S. 229–230 sowie beiliegende Karte.
- ↑ a b c Liselotte Schließer (Erarb.): Radebeul - Stadtführer durch Vergangenheit und Gegenwart. 1. ergänzte Auflage. Edition Reintzsch, Radebeul 2008, ISBN 978-3-930846-05-4, S. 127 ff.
- ↑ a b Jochen Zschaler: War Jean Paul in der Lößnitz? Teil 2. In: Vorschau und Rückblick. Monatsheft für Radebeul und Umgebung. 14. Jahrgang, Heft 3, S. 2–4. Radebeuler Monatshefte e.V. (Hrsg.), Radebeul 2003.
- ↑ Landesamt für Denkmalpflege Sachsen und Stadt Radebeul (Hrsg.): Stadt Radebeul. Denkmaltopographie Bundesrepublik Deutschland. Denkmale in Sachsen
- ↑ a b Verzeichnis der Kulturdenkmale der Stadt Radebeul. Große Kreisstadt Radebeul, 17. April 2008, S. 19, abgerufen am 28. Februar 2010 (PDF).
- ↑ Die Biedenkopfs ziehen in Radebeuler Tengelmann-Villa. Nach: Dresdner Neueste Nachrichten vom 7. Juni 2001
- ↑ Matthias Donath, Jörg Blobelt (Fotos): Sächsisches Weinland. Historische Weingüter und Weinberghäuser im Elbtal. 1. Auflage. Redaktions- und Verlagsgesellschaft Elbland, Dresden 2010.
51.11433333333313.625388888889Koordinaten: 51° 6′ 52″ N, 13° 37′ 31″ OKategorien:- Herrenhaus in Radebeul
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