Cisrhenanische Republik

Cisrhenanische Republik

Die Cisrhenanische Republik war eine im Zuge des französischen Revolutionsexports ausgerufene deutsche Tochterrepublik, die 1797 aus den besetzten linksrheinischen Gebieten des Heiligen Römischen Reichs geschaffen werden sollte, letztlich aber nicht zustande kam.

Im Verlauf der Koalitionskriege ab 1792 geriet das in zahlreiche Territorien zersplitterte linke Rheinufer unter französische Militärverwaltung, ohne dass sich vorerst eine politische Lösung abzeichnete. Die 1792 errichtete Mainzer Republik wurde 1793 nach der Belagerung durch die preußischen und österreichischen Truppen vernichtet, erst 1795 besetzten die Franzosen wieder das Land. Während des Frühjahrs/Sommers 1797 formierte sich unter dem Eindruck der von Napoléon Bonaparte während seines Italienfeldzugs errichteten Tochterrepubliken eine „cisrhenanische Bewegung“ deutscher Republikaner, wie beispielsweise Joseph Görres, zur Schaffung eines Staates nach dem französischen Vorbild.

Die am 5. September 1797 erstmals ausgerufene, aber keine tatsächliche Eigenstaatlichkeit aufweisende Republik umfasste insbesondere das Rheinland um Köln, Aachen, Bonn und Koblenz; als Flagge tauchte eine grün-weiß-rot gestreifte Trikolore auf. Jedoch brachte der am 17. Oktober 1797 geschlossene Frieden von Campo Formio die Anerkennung der Rheingrenze durch den Kaiser. Aufgrund dieser Entwicklung gab die französische Regierung die Schaffung einer Tochterrepublik zugunsten der direkten Integration in Frankreich auf. Was die seit Ludwig XIV. betriebene Reunionspolitik fortsetzte, mit der Elsass und Lothringen seit der Mitte des 17. Jahrhunderts französisch geworden waren, war schon längere Zeit vorgedacht worden; so propagierte bereits 1785 der rheinische Baron Johann Baptist von Cloots aus Cleve in seinem Werk Voeux d'un Gallophil („Wünsche eines Franzosenfreundes“) die Annexion des ganzen linken Rheinufers gemäß der Doktrin der natürlichen Grenzen und mit dem Verweis auf den Rhein als „natürlichen Ursprung“ der Gallier. Im November 1797 erfolgten die administrative Reorganisation der linksrheinischen Gebiete nach französischem Vorbild (Départemente Roer, Rhein-Mosel, Saar und Donnersberg) und die Übernahme französischen Rechts, auf Betreiben des Regierungskommissars François Joseph Rudler, was das faktische Ende der geplanten Cisrhenanischen Republik bedeutete. Die völkerrechtliche Anerkennung der Annexion geschah im Frieden von Lunéville vom 9. Februar 1801.

Nach dem Zusammenbruch des napoleonischen Herrschaftssystems beschloss der Wiener Kongress, das Rheinland neu dem Königreich Preußen zuzuschlagen (das 1822 daraus die Rheinprovinz bildete), während die arrondierte ehemalige Kurpfalz unter dem Namen „Rheinkreis“ (ab 1837 „Pfalz“) wieder bayerisch wurde. Erneute französische Annexionswünsche gegenüber der bayerischen Pfalz und dem hessischen Mainz als „Kompensation“ für die französische Neutralität im preußisch-österreichischen Krieg von 1866 wurden nach der Niederlage Frankreichs im deutsch-französischen Krieg von 1870 aufgegeben.

Bemerkungen

Flagge der Cisrhenanischen Republik
Flagge der Cisrhenanischen Republik (Variante)
  • Der Name der Republik leitet sich von den lateinischen Wörtern „cis“ für „diesseits“ und „rhenanus“ für „rheinisch“ ab. Die Cisrhenanische Republik war also die „Republik diesseits des Rheins“; einerseits spielte die Namenswahl auf die im Juni/Juli 1797 geschaffene Cisalpinische Republik in Oberitalien an (deren Trikolore überdies die gleichen Farben aufwies wie die cisrhenanische), anderseits war hier der geografische Blickwinkel ein französischer und verdeutlichte die enge Verbundenheit der „Cisrhenanen“ mit ihrer Schutzmacht.
  • Die Nationalflagge wurde meist in der vertikal-gestreiften Version gezeigt. So wurde sie am 28. August 1797 in Köln, am 14. September (oder am 28. September) 1797 in Koblenz, am 15. September 1797 in Mainz sowie am 22. September 1797 in Bonn gehisst. Dies geschah in der Regel im Einflussbereich des französischen Generals Lazare Hoche, dessen Truppen das Rheinland besetzt hatten.
  • Der Gebrauch der Flagge wurde Ende November 1797 eingestellt, als Frankreich das Territorium annektierte.
  • Gemäß den Vorstellungen der rheinischen Republikaner sollte die Cisrhenanische Republik ihre Fortsetzung in einer „Transrhenanischen Republik“ („Republik jenseits des Rheins“) auf dem rechten Rheinufer finden, die sich später sogar hätten vereinigen können wie die beiden Vorgängerrepubliken der Cisalpinischen Republik, die Cispadanische Republik und die Transpadanische Republik („Republik diesseits des Po“ bzw. „Republik jenseits des Po“). Das Projekt der „Transrhenanischen Republik“ verwirklichte Napoléon insoweit, als er zusammen mit der Auflösung des Reiches 1806 das Großherzogtum Berg und den von Frankreich abhängigen Rheinbund als eine Konföderation west- und mitteldeutscher Staaten schuf.
  • Die dem linken Rheinufer eigenen zentrifugalen politischen Kräfte manifestierten sich nochmals 1923 im kurzlebigen Versuch, nach dem Untergang des Wilhelminischen Kaiserreichs am Ende des Ersten Weltkriegs eine eigene Rheinische Republik zu gründen.
  • Die Farben der Cisrhenanischen Republik finden sich heute in der Flagge Nordrhein-Westfalens.

Weblinks

  • Marie-Luise Carl: Der Hintergrund zur Kartenaufname der Rheinlande durch Tranchot und von von Müffling im Spiegel einer Inschrift Weblink

Historische Schriften

  • Quelques réflexions sur l’établissement de la République cis-rhénane. Par le citoyen Dorsch, employé aux relations extérieures. (Paris, Imprimerie C. F. Cramer, an VI de la République française 15 SS. 8°).
Denkschrift von Anton Joseph Dorsch für die Annexion des linken Rheinufers durch die Französische Republik, gegen die Gründung einer besonderen Cisrhenanischen Republik. Gegensatz zu den Ausführungen von Georg Friedrich Rebmann über diesen Gegenstand. (1797 Oktober c. 10), Paris.

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