- Cortes Generales
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Die Cortes Generales sind das Parlament in Spanien. Das Verfassungsorgan besteht aus zwei Kammern: dem Congreso de los Diputados (Abgeordnetenhaus) und dem Senado (Senat). Sie üben die gesetzgebende Gewalt im Staat aus, bewilligen den Staatshaushalt, kontrollieren die Tätigkeit der Regierung und führen alle weiteren Aufgaben aus, die ihnen die Verfassung zuweist. Niemand kann gleichzeitig Mitglied in beiden Kammern sein. Es existiert kein imperatives Mandat. Zur Wahl und zur Kandidatur berechtigt sind alle spanischen Bürger ab 18 Jahren, die im Vollbesitz ihrer politischen Rechte sind. Der Name der Cortes Generales leitet sich aus den mittelalterlichen Ständeversammlungen ab.
Abgeordnetenhaus
Nach Artikel 68 der spanischen Verfassung besteht das Abgeordnetenhaus aus 300 bis 400 Abgeordneten, die in allgemeiner, freier, gleicher, unmittelbarer und geheimer Wahl gewählt werden. Die Verfassung enthält folgende weitere Regelungen: Wahlkreise (circunscripciones) sind die 50 Provinzen und die zwei Exklaven Ceuta und Melilla in Nordafrika. Insgesamt bestehen also 52 Wahlkreise (Art. 68.2). Die Wahl erfolgt in den einzelnen Wahlkreisen nach Verhältniswahlrecht (Art. 68.3).
Das Nähere regelt das Wahlgesetz (Ley Organica del Régimen Electoral General, LOREG)[1]. Die Vorschriften zum Wahlsystem (also wie die abgegebenen Stimmen in Sitze umgesetzt werden) finden sich dort in Titel II, Kapitel III.
Es werden 350 Abgeordnete gewählt (Art. 162.1 LOREG). Die Verteilung auf die einzelnen Wahlkreise regelt sich wie folgt: Ceuta und Melilla stellen jeweils einen Abgeordneten, außerdem erhält jede Provinz vorab zwei Sitze (Art. 162.2 LOREG). Damit sind also 102 Sitze bereits verteilt. Die restlichen 248 werden auf die Provinzen im Verhältnis der Bevölkerungszahl verteilt und zwar nach dem Hare-Niemeyer-Verfahren (Art. 162.3 LOREG).
- Beispiel: Die Provinz Granada hat 884.099 Einwohner, Spanien gesamt 45.200.737 (Stand: 1. Januar 2007)[2]: 884.099 / 45.200.737 x 248 = 4,85, also gerundet 5 + 2 Basismandate ergibt 7 Abgeordnete.
Da die Bevölkerungszahlen der Provinzen sehr unterschiedlich sind (kleinste: Soria mit 94.000, größte Madrid mit 6,1 Mio.[3]), ergibt sich durch das System der 2 Basismandate eine gewisse Überrepräsentation kleiner Provinzen, faktisch handelt es sich um eine degressive Proportionalität. So wählt Soria in der Wahl vom 9. März 2008 zwei Abgeordnete, Madrid 35[4]. D.h. Soria stellt einen Abgeordneten je 47.000 Einwohner, bei Madrid ist es einer auf ca. 147.000.
In jedem Wahlkreis werden die Sitze nach dem D’Hondt-Verfahren auf die Parteien verteilt, wobei Wahlvorschläge, die im jeweiligen Wahlkreis weniger als 3% der Stimmen erhalten haben, nicht berücksichtigt werden (Art. 163 LOREG).
Zum Wahlsystem zum Deutschen Bundestag besteht ein wesentlicher Unterschied: In Deutschland wird im ersten Schritt das nationale Wahlergebnis nach dem Verhältnis der erzielten Stimmen auf die Parteien verteilt. Damit wird (sieht man von der 5%-Hürde und Überhangmandaten ab) eine verhältnisgetreue Sitzverteilung auf die Parteien erreicht. Im spanischen Wahlsystem dagegen findet die Sitzverteilung ausschließlich auf der Ebene der Wahlkreise statt, die von der Größe her sehr unterschiedlich sind und es insbesondere viele kleine Wahlkreise gibt (Wahl 2008: 2 mit einem, 1 mit zwei, 8 mit drei, 9 mit vier, 7 mit fünf, 8 mit sechs, 4 mit sieben, 5 mit acht, 1 mit neun, 2 mit zehn, 2 mit zwölf, Valencia mit 16, Barcelona mit 31 und Madrid mit 35 Abgeordneten[5]). Die durchschnittliche Wahlkreisgröße beträgt 6,7 Abgeordnete.
Dies hat zwei Effekte, die zu einer Abweichung von einer rein proportionalen Verteilung führen:
1. Bevorzugung großer Parteien gegenüber kleinen
- In den kleinen Wahlkreisen besteht faktisch eine viel höhere Prozenthürde als die im Gesetz normierten 3 %. So sind etwa noch bei einem schon relativ großen Wahlkreis mit 10 Abgeordneten rechnerisch etwa 9,1 % der Stimmen nötig, um ein Mandat zu erringen. Kleine Parteien haben praktisch also nur in den größten Provinzen überhaupt eine Aussicht ein Mandat zu erringen. Wohl auch aufgrund dieses Wahlsystems gibt es auf nationaler Ebene nur drei relevante Parteien, nämlich die „Großen“ PSOE (sozialdemokratisch) und PP (konservativ) und die kleine IU (linkssozialistisch). So konnte die IU bei den Wahlen vom 14. März 2004 Abgeordnete nur in den drei größten Wahlkreisen Madrid, Barcelona und Valencia stellen.[6]
- Dies hatte bei den Wahlen 2004 folgende Auswirkung:
- Hiermit ist auch ein mehrheitsbildender Effekt verbunden. In den sieben Wahlen seit 1982 hat sich vier Mal eine absolute Mehrheit für die stärkste Partei im Congreso ergeben (1982, 1986 und 1989: PSOE; 2000: PP), ohne dass diese auch in den Wahlen die absolute Mehrheit der abgegebenen Stimmen erhalten hätte.
- Dies bestätigt am Beispiel Spaniens die Lehre[7], dass sich die Verhältniswahl in Wahlkreisen im Ergebnis umso mehr der Mehrheitswahl annähert je kleiner die Wahlkreise (von der Zahl der zu wählenden Abgeordneten her) sind.
2. Bevorzugung regionaler Parteien gegenüber kleinen gesamtspanischen
- In Spanien gibt es eine Reihe von Regionalparteien, die nur in ihrer jeweiligen Region antreten, dort aber relativ hohe Stimmenanteile erzielen. Dies führt zum einen zu einer Bevorzugung solcher Parteien gegenüber kleinen gesamtspanischen (z.Zt. nur die IU), zum anderen dazu, dass im Congreso Parteien vertreten sind, die auf nationaler Ebene nur einen verschwindend geringen Anteil der Stimmen erzielt haben.
- Am Beispiel des Wahlergebnisses von 2004[8]:
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Partei Region %Stimmen in der Region %Stimmen Gesamtspanien Sitze Convergència i Unió (CiU) Katalonien 20,8 3,2 10 Esquerra Republicana de Catalunya (ERC) Katalonien 16,0 2,5 8 Partido Nacionalista Vasco (PNV) Baskenland 33,7 1,6 7 Izquierda Unida (IU) Gesamtspanien 5,0 5 Coalición Canaria (CC) Kanaren 23,5 0,9 3 Bloque Nacionalista Galego (BNG) Galizien 11,8 0,8 2 Chunta Aragonesista (CHA) Aragon 12,1 0,4 1 Eusko Alkartasuna (EA) Baskenland 6,5 0,3 1 Nafarroa Bai (Na-Bai) Navarra 18,0 0,2 1
- Hierdurch steigt die Wahrscheinlichkeit, dass gerade diesen Regionalparteien die Rolle des „Züngleins an der Waage“ zukommt, wenn weder der PSOE noch der PP eine absolute Mehrheit der Sitze erreichen können. Da der PSOE eher bereit ist, Kompetenzen an die Regionen abzugeben, stehen die Regionalparteien insoweit diesem näher. Andererseits handelt es sich insbesondere bei der katalanischen CiU und dem baskischen PNV um bürgerliche Parteien, die „ideologisch“ dem PP näher stehen. Es ist also eine Unterstützung beider Lager durch Regionalparteien möglich und beides ist auch schon vorgekommen: So verhalfen Regionalparteien in den sieben Legislaturperioden seit 1982 zweimal dem PSOE (1993, 2004) und einmal dem PP (1996) zur Regierung.
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