Adalbert Probst

Adalbert Probst

Adalbert Probst (* 27. Juli 1900 in Regensburg; † 2. Juli 1934) war ein deutscher politischer Aktivist und Jugendbundführer. Probst wurde vor allem bekannt als Reichsführer der DJK und als einer der Getöteten des „Röhm-Putsches“.

Adalbert Probst (um 1932).

Inhaltsverzeichnis

Leben und Wirken

Probst wurde 1918 zur bayerischen Armee eingezogen und noch in den letzten Tagen des Ersten Weltkrieges an die Westfront geschickt. Nach dem Krieg gehörte er einem Freikorps an. In den 1920er Jahren begann sich der tiefgläubige Probst im Bereich des politischen Katholizismus zu betätigen.

1929 wurde Probst von Ludwig Wolker in den Dienst des Katholischen Jungmännerverbands (KJMVD) nach Düsseldorf geholt. In den folgenden Jahren stieg er zum Führer der katholischen Jugendbewegung im Rheinland auf und wurde als solcher zu einer „respektierten Figur des öffentlichen Lebens“[1] Daneben schrieb er für die katholischen Zeitschriften Die Wacht und Deutsche Jugendkraft.

1932 wurde Probst zum Beauftragten (Referent) für den sogenannten „Geländesport“ ernannt, der in seiner vormilitärischen Ausrichtung umstritten war. Im Dezember 1933 wurde Probst zum Reichsführer der Deutschen Jugendkraft (DJK), dem Dachverband der katholischen Turn- und Sportvereine, berufen, womit die DJK unter dem sich abzeichnenden Konflikt mit dem NS-Staat das bisherige Präsides-Führungsprinzip (priesterliche Leitungsspitze) aufgab.

Über die Motive der Nationalsozialisten, Probst zu ermorden besteht bis heute eine gewisse Unklarheit. Lewis wertet Probst in ihrer Studie zur Hitlerjugend als „einen der Jugendführer“ die mit der Hitlerjugend um die junge Generation rivalisiert hätten, und legt damit implizit nahe, dass Probst vom Regime als ein Konkurrent beim Kampf um die junge Generation beseitigt wurde.[2] Probst' Mutter meinte im Gegensatz dazu, dass ihr Sohn, der Kontakte zu vielen hoch aufgestiegenen NS-Politikern unterhielt, umgebracht worden sei weil er „zu viel wusste“.[3] Edmund Forschbach verweist zudem darauf, dass Probst eine gewisse Rolle bei den konservativen Staatsstreichplänen der Gruppe um Edgar Jung in den Jahren 1933/1934 gespielt habe: Probst, der über seinen Freund Johannes Schauff, Kontakte zu den konservativen Regimegegnern gehabt haben soll, spielte Forschbach zufolge in den Monaten vor dem 30. Juni 1934 eine „Vermittlerrolle“ zwischen der Reichswehr einerseits und den St. Sebastian-Schützenbruderschaften andererseits. Den St. Sebastian-Schützen hätte im Falle eines, auf die Reichswehr gestützten, konservativen Losschlagens gegen die NS-Diktatur die Aufgabe zufallen sollen, eventuelle SA und SS-Aufstände im Rheinland niederzuschlagen, das die Reichswehr aufgrund der Bestimmungen des Versailler Vertrages nicht betreten durfte. Probst hätte dabei, so Forschbach, die Übergabe von Waffen und Ausrüstung für diesen Kampf durch die Reichswehr an die St. Sebastian-Schützenvereine organisieren sollen.[4]

Am 30. Juni oder 1. Juli 1934[5] wurde Probst in Braunlage im Harz verhaftet, während er dort den Präses Wolter besuchte. Am 30. Juni, 1. oder 2. Juli wurde er „auf der Flucht“ erschossen.[6] Probsts Leichnam wurde ohne Rücksicht auf den katholischen Glauben des Toten (die katholische Kirche lehnte damals die Einäscherung von Toten noch offiziell ab) kremiert. Die Asche wurde einige Tage nach seiner Tötung an Probst Gattin übersandt, die bisher noch keine Kenntnis vom Tod ihres Mannes hatte.[7]

Während einige Quellen die Männer, die ihn verhafteten, der Gestapo zurechnen,[8] sprechen andere davon, dass Probst von SS-Leuten festgenommen wurde.[9] Alvarez und Graham beschränken sich wiederum darauf die Mörder kurz als „Agenten Heydrichs“ zu kennzeichnen.[10]

Der Mord an Probst als einem an den politischen Machtkämpfen im Staat „völlig Unbeteiligten“ wird in der Literatur häufig als ein Beleg für den selbst-decouvrierenden Charakter der Mordaktion vom 30. Juni bis 2. Juli herangezogen. Üblicherweise wird dabei argumentiert, dass die Tatsache, dass die Nationalsozialisten während des „Röhm-Putsches“ nicht bloß ihre realen - oder denkbaren - machtpolitischen Rivalen liquidierten, sondern auch vollkommen harmlose Leute wie Probst ermordeten, den Deutschen ein Alarmzeichen hätte sein müssen, von welcher Wesensart das NS-Regime und seine Machthaber waren.[11]

Bewertung durch die Nachwelt

Nach 1945 ist Adalbert Probst durch die katholische Amtskirche wiederholt als exemplarisches „Opfer der totalitären Gewalttätigkeit“ des NS-Regimes bemüht worden.[12] Da der „Fall Probst“ von der katholische Kirche in Deutschland bis 1945 offiziell als „nicht-existent“ behandelte wurde, wurde er später von ihren Kritikern wiederholt als beispielhafter Beleg für das Versagen der Kirchenführung in der Auseinandersetzung mit dem NS-Systems angeführt. Besonders schwer wog dabei, dass die Kirchenführung ihre Stimme nicht einmal gegen Verbrechen erhob, die an Angehörigen der katholischen Kirche begangen wurden. So monierte beispielsweise Reinhold Billstein 1979, das Schweigen der Kirche zum Fall Probst sei „ein Beispiel für das opportunistische Verhalten der katholischen Kirchenführung der Nazidiktatur gegenüber“ gewesen.[13]

Literatur

  • Barbara Schellenberger: Adalbert Probst (1900-1934), Katholischer Jugendführer - Opfer des Nationalsozialismus, in: Düsseldorfer Jahrbuch. Beiträge zur Geschichte des Niederrheins, Bd. 69, Düsseldorf 1998

Einzelnachweise

  1. Joel Colton: The Twentieth Century, S. 169.
  2. Brenda Ralph Lewis: Hitler Youth. The Hitlerjugend in Peace and War, 1933-1945, 2000, S. 45. Der DJK hatte immerhin knapp 150.000 Mitglieder.
  3. Dieter Marc Schneider: Johannes Schauff, 1902-1990. Migration und „stabilitas“ im Zeitalter der ..., 2001, S. 67.
  4. Edmund Forschbach: Edgar Jung, 1984, S. 128.
  5. Hans-Peter Görgen: Düsseldorf und der Nationalsozialismus. Studie zur Geschichte einer ..., 1969, S. 110. Werner Klose: Generation im Gleichschritt. Die Hitlerjugend. Ein Dokumentarbericht, 1964, S. 230.
  6. Den 30. Juni als Todestag geben an: Das Deutsche Volk klagt an. Hitlers Krieg gegen die Friedenskämpfer in..., 1936, S. 272, Carl Diem: Weltgeschichte des Sports und der Leibeserziehung, 1960, S. 612, und Edmund Forschbach: Edgar J. Jung ein Konservativer Revolutionär, S. 86. Den 1. Juli als Todestag geben an Karl Heinz Jahnke: Dr. Joseph Cornelius Rossaint (1902-1991). Aus seinem Leben und Werk, 1997, S. 30, Inge Sbosnky/Karl Schabrod: Widerstand in Solingen. Aus dem Leben Atifaschistischer Kämpfer, 1975, S. 56, und Felix Dietrich/ Reinhard Dietrich: Bibliographie der Deutschen Zeitschriftenliteratur, S. 1159. Den 2. Juli nennen Thomas Stramm/ Jürgen Elvert [Hrsg.]: Geschichtsbilder. Festschrift für Michael Salewski zum 65. Geburtstag, 2003, S. 287.
  7. Henri Daniel-Rops: A Fight for God, 1870-1939, 1966, S. 320. Auch J. Derek Holmes: The Papacy in the Modern World, 1914-1978, 1981, S. 107.
  8. Walter Laquer: Young Germany. A History of the German Youth Movement, 1962, S. 213. Arno Klönne: Gegen den Strom. Bericht über den Jugendwiderstand im Dritten Reich, 1960, S. 73.
  9. Inge Sbosnky/Karl Schabrod: Widerstand in Solingen. Aus dem Leben Atifaschistischer Kämpfer, 1975, S. 56.
  10. David J. Alvarez/ Robert A. Graham: Nothing Sacred. Nazi Espionage Against the Vatican, 1939-1945, 1997, S. 88.
  11. Fritz Meyers: Die Baronin im Schutzmantel. Emilie von Loe im Widerstand gegen D ..., 1975, S. 100.
  12. So beispielsweise bereits 1949 anlässlich des 72. Deutschen Katholikentags in Mainz: Der Christ in der Not der Zeit, 1949, S. 302. Oder auch in American Benedictine Academy: The American Benedictine Review: Ut in Omnibus Glorificetur Deus, 1950, S. 498: „Catholicism had its first prominent martyrs.“
  13. Reinhold Billstein: Das Andere Köln. Demokratische Traditionen seit der Französischen Revolution, 1979, S. 356.



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