Danziger Blutbad

Danziger Blutbad
Pommerellen im Ordensstaat

Die Übernahme von Danzig durch den Deutschen Orden am 13. November 1308 ist ein wichtiges Ereignis in der Geschichte der Stadt Danzig, in dessen Folge die Stadt bzw. das umliegende Pommerellen in den Ordensstaat eingegliedert wurde.

Inhaltsverzeichnis

Vorgeschichte

Danzig (Dantzike[1][2][3]) war im 13. Jahrhundert eine multiethnisch bewohnte Hafenstadt mit deutschem Lübischem Recht, die von mehreren Seiten umkämpft war, nicht zuletzt durch die pommerschen Herzöge untereinander.

Swantopolk von Danzig regierte als Zwantepolc de Danceke von 1220-1266 in Pomerellen. Er erhielt im Jahre 1227 den pommerschen Herzogtitel und Kaiser Friedrich II. bestätigte die schon vorhandene Lehnshoheit Brandenburgs über das Herzogtum Pommern. Während seiner Regierung wurde die deutschrechtliche Stadt Danzig mit Lübeck'schem Recht gegründet, wo sich schon deutsche Handels- und Kaufleute niedergelassen hatten. In 1236 im Vertrag zu Kremmen erkannte Wartislaw Brandenburgs Oberlehnshoheit über Pommern an. 1269 erhielt Brandenburg mit dem Vertrag von Arnswalde ebenfalls Oberlehnshoheit über Pomerellen, in dem sich die Stadt Dantzike (Danzig, heute Gdańsk) befand. Konrad, Markgraf von Brandenburg-Stendal erbte Pomerellen von Herzog Mestwin II. von Pommern. 1282 erbte der Deutsche Orden Mewe von Sambor II. und kam so auf die linke Seite des Weichselufers.

Die Region geriet in Erbfolgekriege des Pommerschen Adels. So rief Mestwin II. gegen seinen Bruder die Brandenburger zur Hilfe, von denen er 1271 wiederum seine Hauptstadt zurückerobern musste. Kämpfe innerhalb der Dynastie der Samboriden, wie auch die wachsende Bedrohung seitens der Mark Brandenburg und des Deutscher Orden führten zu einem engeren Anschluss Pommerellens an Polen. Als Mestwin II. 1294 ohne männliche Erben starb, fiel Danzig, laut dem Vertrag von Kempen (Kępno) von 1282 an den Herzog von Großpolen und König von Polen Przemyslaw II. Dieser gab Danzig Magdeburger Recht. Nach dessen Tod 1296 übernahm sein Erbe der spätere König von Polen und Herzog von Kujawien Władysław I. Ellenlang, der aber um 1300 vom Böhmen Wenzel II. aus Polen vertrieben wurde. Nach dem Mord am letzten Vorsteher der Przemysliden Wenzel III. 1306 konnte Wladyslaw aus dem ungarischen Exil nach Polen zurückkehren und sich wieder in Teilen Polens und in Pommerellen durchsetzen.

Pommersche Rebellion

Im Sommer 1308 kam es zu einer Pommerschen Rebellion in der Stadt Danzig gegen die seit 1306 anwesende kleine polnische Garnison von König Władysław. Die Stadt verbündete sich mit Waldemar von Brandenburg[4], der in die Stadt einmarschierte. Die wenigen polnischen Garnisonstruppen verschanzten sich in der direkt vor der Stadt gelegenen Burg, wo sie belagert wurden.

Sie, sowie der pommer'sche Richter und Kastellan der Stadt, Bogusza, riefen auf Anraten des Dominikaner-Priors Wilhelm[5] im Sinne von Wladyslaw I. den Deutschen Orden gegen die Brandenburger zu Hilfe[6].

Ein Entsatzheer der Deutschritter unter Heinrich von Plötzke und Günther von Schwarzburg (ein Verwandter des gleichnamigen Günther von Schwarzburg) erreichte im August die Burg, woraufhin die Brandenburger die Belagerung kampflos aufgaben und abzogen. Die rebellische Stadtbevölkerung leistete dagegen weiterhin Widerstand und wurde ab September nun ihrerseits von den polnischen Garnisonstruppen unter Bogusza sowie den Ordensrittern belagert. Während der Belagerung kam es unter den Belagerern zum Streit über ihre Entlohnung. Władysław lehnte es ab, den Ordensrittern 10.000 Mark Silber für ihre Hilfe zu bezahlen. Schließlich zog Bogusza mit den polnischen Garnisonstruppen ab. Die Deutschritter setzen die Belagerung Danzigs alleine fort. In der Nacht vom 12. auf den 13. November 1308 erstürmten die Ritter die Stadt und beendeten die Rebellion. Ob und wie viele Zivilisten bei der Erstürmung getötet wurden ist bis heute umstritten.

Der Markgraf von Brandenburg und die pommerschen Rebellen waren nun zwar geschlagen, dafür hielt aber nun der Deutsche Orden die Stadt besetzt. Da Władysław die versprochene Entschädigung der Ordensritter nicht auftreiben konnte, gliederte der Orden die Stadt in seinen Besitz ein. Um den Besitz Pommerellens mit Danzig rechtlich abzusichern kaufte der Orden am 13. September 1309 im Vertrag von Soldin den Brandenburgern alle ihre allerdings umstrittenen Besitztitel an Pommerellen, die sie seit dem Vertrag von Arnswalde im Jahre 1269 besaßen, für 10.000 Mark Silber ab.

Kontroverse

Was genau in der Nacht vom 12. auf den 13. November 1308 passierte, als die Ordensritter den Aufstand beendeten, war und ist umstritten, im 14. Jahrhundert ebenso wie im 20. Besonders in der Zeit zwischen und nach den Weltkriegen und im Kalten Krieg wurde dieses Thema immer wieder zu politischen und propagandistischen Zwecken aufgegriffen. Längst nicht mehr aktuell sind frühere Behauptungen, der Orden hätte 10.000 Polen massakriert. Allerdings sind wohl auch mehr als - wie vom Deutschen Orden behauptet - 16 polnische Ritter getötet worden. Błażej Śliwiński hat unlängst den Tod einiger Tausend Einwohner angenommen, blieb aber Belege schuldig. Unzweifelhaft ist mittlerweile allerdings, auch aufgrund archäologischer Untersuchungen, dass große Teile der alten Stadt Danzig vom Deutschen Orden zerstört wurden; daraufhin entstand an der Stelle der heutigen Rechtstadt eine neue Stadt.

Die Webseite Danzigs (Stand 31. Mai 2008) gibt an, dass die Ritter die Bevölkerung abgeschlachtet hätten,[7] was als "the Gdańsk slaughter" (im Englischen) bekannt sei, was jedoch eine Recherche nicht bestätigt[8]. Zudem gebe es ein Denkmal für das Massaker der Bevölkerung von Danzig im Jahre 1308.[9]

Norman Davies, ein in Polen sehr geschätzter englischer Historiker schreibt lapidar, dass die Ritter Waldemar vertrieben und kaltblütig die Einwohner abgeschlachtet hätten[10]. Johannes Voigt schrieb 1830, das Maasaker sei nach Abzug des brandenburgischen Markgrafen von den Verteidigern der Danziger Burg später an in der Stadt zurückgelassenen brandenburgischen Besatzungstruppen verübt worden sowie an Danziger Bürgern, die den brandenburgischen Truppen ursprünglich bei der Einnahme Danzigs behilflich gewesen waren; vergl. Geschichte der Stadt Danzig.

Das "New Cambridge Medieval History" (1999) berichtet im Detail, erwähnt jedoch keine Verbrechen, nur dass der Orden weitere Städte wie Schwetz erobert hätte[11]. Die Danziger Kolonie von Deutschen Kaufleuten sei jedoch von den Ordensrittern angegriffen worden, da sie im Wettbewerb lag mit der der Stadt Elbing (Elbląg), einer Hansestadt des Ordens.[12]

Ebenso umstritten ist die ethnische Zuschreibung der damaligen Bevölkerung Danzigs.

Folgen

Die Übernahme Danzigs durch den Deutschen Orden, in deren Verlauf eine umstrittene Anzahl der Einwohner von Danzig getötet wurden, führte zum Zerwürfnis zwischen dem Deutschen Orden und dem Königreich Polen, die zuvor enge Verbündete im gemeinsamen Kampf gegen die heidnischen Pruzzen waren.

Weitere Konflikte zwischen Danzig und dem Orden gab es nach der Schlacht von Tannenberg 1410, da Danzig sich voreilig auf die Seite des polnischen Königs schlug, der zwar die Schlacht gewann, jedoch nicht den Krieg. Der neue Hochmeister Heinrich von Plauen ließ deswegen 1411 einige Ratsherren Danzigs ermorden, darunter Arnold Hecht und Konrad Letzkau. Dies trug bei zur Ablehnung der Ordenherrschaft und zur Bildung des Preußischen Bundes.

Danzig sagte sich 1454 zusammen mit dem Preußischer Bund vom Orden los und unterstellte sich als autonomer Teil von Königlich Preußen dem polnischen König. 1795 wurde das polnische Königreich endgültig aufgelöst, und auch Danzig ins Königreich Preußen annektiert, nachdem es 1772 noch ausgeklammert wurde. Unter Napoleon und zwischen den Weltkriegen war Danzig eine Freie Stadt. Die deutsch-polnische Geschichte der Hafenstadt war ein Zankapfel zwischen Deutschen und Polen, nicht zuletzt begann hier der Zweite Weltkrieg.

Verweise

Literatur

  • Werner Neugebauer: Neue polnische Forschungen zur Vor- und Frühgeschichte Westpreußens, Westpreußen Jahrbuch 1953, Leer/Ostfriesland
  • Andrzej Zbierski: Początki Gdańska w świetle najnowszych badań (Die Anfänge Danzigs im Lichte der neuesten Forschungen) in: Gdańsk, jego dzieje i kultura, Warschau 1969, S. 11 – 27
  • Wilhelm Brauer: Prußische Siedlungen westlich der Weichsel, Siegen 1983, J. G. Herder-Bibliothek Siegerland e. V.
  • Heinz Lingenberg: Die Anfänge des Klosters Oliva und die Entstehung der deutschen Stadt Danzig, Stuttgart, Klett-Cotta, 1982, ISBN 3-12-914900-7
  • Błażej Śliwiński, Rzeż i zniszczenie Gdańska przez Krzyżaków w 1308 roku. Gdańsk 2006.

Weblinks

Fußnoten

  1. das älteste Siegel der Bürger in Danzig, aus dem 13. Jhd. ist beschriftet mit Sigillum Burgensium in Dantzike - Edmund Cieślak, Historia Gdańska, 1978 [1]
  2. Die Schreibweise "Dantzike" erscheint in Dokumenten von 1248 bis 1305 - Heinz Lingenberg, Die Anfänge des Klosters Oliva und die Entstehung der Deutschen Stadt Danzig, 1982 [2]
  3. während das Siegel noch 1352, 1379 und 1399 in Gebrauch war - Erich Keyser, Die Baugeschichte der Stadt Danzig, 1972 [3]
  4. Norman Davies, God's Playground: A history of Poland, 1979 [4]
  5. Poland's Ministerstwo Spraw Zagranicznych, Dzieje miast Rzeczypospolitej Polskiej: Polska w słowie i obrazach, 1928 [5]
  6. Gieysztor, Alexander, Stefan Kieniewicz, Emanuel Rostworowski, Janusz Tazbir, and Henryk Wereszycki. History of Poland. PWN. Warsaw, 1979. ISBN 83-01-00392-8
  7. the governor of the castle, Bogusza, called on the Teutonic Knights for help. Those, having captured the castle in 1308 butchered the population. Since then the event is known as "the Gdańsk slaughter ". - www.gdansk.pl [6]
  8. Google Books Suche nach "Gdansk slaughter" Gdańsk slaughter 1308
  9. "Monument commemorates the massacre of the population of Gdansk in 1308." - Lech Krzyżanowski, Gdańsk, Sopot, Gdynia: A Guide to the Triune City, 1974 [7]
  10. the Knights "drove Waldemar from the city, and calmly slaughtered its inhabitants" - Norman Davies, God's Playground: A history of Poland, 1979 [8]
  11. "when the Poles refused to accept monetary compensation, the Order resolved the ensuing conflict by conquering further towns like Schwetz" - David Abulafia et al., The New Cambridge Medieval History, 1999, Vol.5 [9]
  12. Urban, William. The Teutonic Knights: A Military History. Greenhill Books. London, 2003. ISBN 1-85367-535-0

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