Deutscher Minenräumdienst

Deutscher Minenräumdienst
Doppelstander „C“ als Flagge aller deutschen Seeschiffe zwischen 1945 und 1951
Der Signalwimpel „8“ als Erkennungszeichen der DMRL-Fahrzeuge
Minenräumboot Pegasus der Bundesmarine etwa 1957, ex R 68 der Kriegsmarine, Dienst im Deutschen Minenräumdienst und als R 143 in der LSU/B, 1956 in die Bundesmarine übernommen

Der Deutsche Minenräumdienst wurde 1945 auf alliierte Weisung aus verbliebenen Teilen der Kriegsmarine gebildet und hatte die Aufgabe, die Seeminen in den deutschen Küstengewässern zu beseitigen. Die englische Bezeichnung war „German Minesweeping Administration“ (GMSA), während mehrere deutsche Bezeichnungen überliefert sind, darunter „Deutsche Minenräumleitung“ (DMRL), „Deutscher Minenräumdienst“ und „Deutsche Minenräumverwaltung“.

Inhaltsverzeichnis

Leitung

Bereits am Tag der bedingungslosen Kapitulation, dem 8. Mai 1945, ordnete der Oberbefehlshaber der Alliierten Streitkräfte an, dass die Kriegsmarine Minenräumfahrzeuge für die Räumung verminter Gewässer bereitzustellen habe. Nach der Auflösung des Oberkommandos der Marine am 21. Juli 1945 bestand weiterhin eine Marineverwaltung, die für den Erhalt und den Betrieb der deutschen Minenräumfahrzeuge, die Verwaltung der Seewege und die Personalverwaltung zuständig war. Als „Chef der Deutschen Minenräumleitung“ (Chef D.M./R.L.) wurde durch die britische Marine Konteradmiral Fritz Krauss eingesetzt, der diese Aufgabe bis Ende 1947 wahrnahm. Britischer Leiter war ein „Commodore German Minesweeping Administration“. Der Stab der DMRL befand sich zunächst in Glückstadt, später in Hamburg.

Für die Koordination der Minenräumung in europäischen Gewässern hatten die Alliierten das International Mine Clearance Board (IMCB) in London eingerichtet. Die DMRL erhielt ihre Räumaufträge über die britische Besatzungsmacht.[1]

Die Hakenkreuzflagge durfte vom Zeitpunkt der Kapitulation an nicht mehr geführt werden. Die Alliierten wiesen an, statt dessen eine als Doppelstander abgewandelte internationale Signalflagge „C“ zu setzen, die von deutschen Schiffen bis 1951 geführt wurde. Am 16. Mai 1945 ordnete die Reichsregierung in Flensburg an, dass die im britischen Auftrag im Minenräumdienst eingesetzten deutschen Kriegsschiffe an der Gaffel den nationalen Signalwimpel „8“ zu führen haben. Ohne dass dafür eine Anweisung überliefert ist, führten einige Fahrzeuge außerdem die schlicht gelbe Signalflagge Q, die wegen ihrer Bezeichnung als Flagge „Quatsch“ als Protest der Kommandanten gegen die Flaggenordnung verstanden wurde.[2]

Organisation

Deutsche Räumflottille im Kriegseinsatz

Der Deutsche Minenräumdienst gliederte sich in sechs Minenräumdivisionen. Hinzu kamen Kräfte unter französischer Führung, die nicht der Deutschen Minenräumdienstleitung unterstanden. In der mittleren Ostsee waren Kräfte unter sowjetischer Leitung eingesetzt.[1]

1. Minenräumdivision

Die 1. MRD in Kiel war für die deutschen Küstengewässer in der westlichen Ostsee zuständig und wurde von Fregattenkapitän Adalbert von Blanc geführt. Sie bestand (Stand 15. Oktober 1945) aus vier Minensuchflottillen, zwei Minenräumflotillen, einer Sperrbrecherflottille, einem KFK-Bewachungsverband aus sieben KFK-Gruppen, einer KFK-Sondergruppe, einer Bootsgruppe und einigen Werkstattschiffen.[1]

2. Minenräumdivision

Ein Artilleriefährprahm (vorderes Modell) und mehrere Marinefährprähme (dahinter) waren Teil der 2. Transportflottille

Die 2. MRD („Nordsee A“) in Cuxhaven war für die Gewässer vor der deutschen Nordseeküste zuständig und wurde von Fregattenkapitän Herbert Max Schulz geführt. Ihre Stützpunkte waren Cuxhaven, Bremerhaven und Wilhelmshaven. Ein Teil der an der Weser- und Jademündung stationierten Fahrzeuge wurde später zur → 6. Minenräumdivision zusammengezogen.

Zur 2. MRD gehörten vier Minensuchflottillen, zwei Minenräumflottillen, eine Sperrbrecherflottille, eine Transportflottille, ein Netzräumverband, eine Nebelträgergruppe und diverse sonstige Einsatzfahrzeuge.[1]

3. Minenräumdivision

Die 3. MRD in Kopenhagen war für die dänischen Gewässer zuständig und wurde von Fregattenkapitän Gustav Forstmann geführt. Sie bestand aus zwei Minensuchflottillen, einer Minenräumflottille, einer Sperrbrecherflottille und einer Netzräumgruppe. Hinzu kamen 28 deutsche Räumboote, die an die dänische Marine abgegeben worden waren.[1]

4. Minenräumdivision

Minensuchboote des Typs 1940 wurden von der 4. MRD in Norwegen eingesetzt

Die 4. MRD in Kristiansand war für die norwegische Küste verantwortlich und wurde von Fregattenkapitän Philipp geführt. Sein Führungsschiff war das Schnellbootbegleitschiff Adolf Lüderitz. Die 4. MRD bestand aus drei Minensuchflottillen, sechs Minenräumflottillen, fünf Vorpostenflottillen, einer KFK-Gruppe, sechs Transportflottillen und Verbänden, und zwei Landungsflottillen. Sie operierten von den Häfen Kristiansand als Hauptstützpunkt und Stavanger, Oslo, Trondheim, Tromsö und Bergen aus.[1]

5. Minenräumdivision

Die 5. MRD in Ijmuiden und Borkum war für die niederländischen Gewässer zuständig und wurde von Korvettenkapitän Harald Schaper geführt. Sie bestand aus einer Minensuchflottille und zwei Minenräumflottillen. Hinzu kamen elf deutsche Räumboote, die an die niederländische Marine abgegeben worden waren.[1]

6. Minenräumdivision

Die 6. MRD („Nordsee B“) in Bremerhaven und Wilhelmshaven war aus der 2. MRD ausgegliedert worden. Sie war für die Gewässer zuständig vor der Weser-, Jade- und Emsmündung und wurde von Korvettenkapitän Kurt Ambrosius geführt. Die 6. MRD bestand aus einer Minensuchflottille, einer Nebelträgergruppe und diversen sonstigen Einsatzfahrzeugen.[1]

Personal und Fahrzeuge

Ein ehemaliger Passagierdampfer diente als Unterkunft der Besatzungen von Minensuchbooten in Wilhelmshaven

Im Mai 1945 wurden über 800 Fahrzeuge für den Räumdienst übernommen. Im Herbst 1945 verfügte die DMRL noch über etwa 300 Fahrzeuge und 27.000 Marinesoldaten, also über erheblich mehr Personal als der Reichsmarine nach dem Versailler Vertrag zugestanden hätte. Bis 1946 reduzierte sich diese Zahl auf etwa 15.000 Mann. Sie dienten als nicht aus der Kriegsmarine entlassenes Personal und waren dienstverpflichtet. Zunächst trugen die Besatzungen ihre alten Marineuniformen mit allen Orden, jedoch ohne Hakenkreuze. Der Zusammenhalt der Soldaten und der sich angesichts der Gefahr beim täglichen Räumdienst entwickelnde Korpsgeist wurden den Alliierten bald suspekt. Deshalb wurden im Mai 1946 neue Uniformen eingeführt.

Auflösung

Die von der DMRL ausgemusterten M-Boote 388 und 460 liegen 1949 für den Umbau zu Passagierschiffen in der Werft. Statt dessen versahen sie ab 1951 Dienst in der LSU-B und ab 1956 in der Bundesmarine als Seehund und Seeigel.

Als die Sowjetunion gegen den Bestand des Verbandes als heimliche deutsche Wiederbewaffnung protestierte, wurde er zum 31. Dezember 1947 aufgelöst. Zu diesem Zeitpunkt waren die deutschen Gewässer von Ankertauminen geräumt, jedoch bestand weiterhin Gefahr durch Grundminen.

Um die Räumung der noch nicht beseitigten Grundminen fortzusetzen, wurde im Januar 1948 unter britischer Kontrolle der Minenräumverband Cuxhaven (MRVC) aufgestellt, der die Aufgaben der DMRL bis 1951 fortführte. Diese erheblich kleinere, zivil eingekleidete Folgeorganisation mit Heimathafen Cuxhaven verfügte nur noch über 12 Minensuchboote und etwa 600 Mann. Nach Auflösung des MRVC wurde ein kleiner Teil des Personals vom neu entstehenden Seegrenzschutz und der amerikanisch geführten Labor Service Unit (B) übernommen.

Bei verschiedenen Minenexplosionen und Unfällen gingen insgesamt 10 Fahrzeuge verloren. 348 Angehörige ließen im Deutschen Minenräumdienst ihr Leben.

Verweise

Interne Verweise

Weblinks

Literatur

  • Heinz-Ludger Borgert, Walter Stürm, Norbert Wiggershaus. Dienstgruppen und westdeutscher Verteidigungsbeitrag – Vorüberlegungen zur Bewaffnung der Bundesrepublik Deutschland. Boppard am Rhein 1982. ISBN 3-7646-1807-8
  • Hartmut Klüver (Hg.): Stationen deutscher Marinegeschichte (II): Deutsche Seeverbände 1945–1956, Düsseldorf 2001, ISBN 3-935091-08-7.
  • Axel Schrader: Deutsche Minensucher im alliierten Räumdienst ab 1945, in: Marineforum 10-2001, S. 27ff.

Einzelnachweise

  1. a b c d e f g h Übersicht über die deutschen Minenräumverbände 1945–47 im Bestand der Württembergischen Landesbibliothek
  2. Andreas Herzfeld. Funkspruch an alle – Die letzte Flaggenanordnung des Deutschen Reiches. In: Marineforum 5-2010 S. 51

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