Dezimation

Dezimation

Die Dezimation oder Dezimierung (lat. decimatio, decem = zehn) bezeichnete eine Militärstrafe im Römischen Heer bei kollektiven Vergehen wie Meuterei oder Feigheit vor dem Feind. Dabei wurde in der betroffenen Einheit mittels eines Loses je einer unter zehn Mann für die Bestrafung (meistens Exekution) ausgelost. Die Strafe wurde auch auf Offiziere angewandt. Es existieren Berichte über die Anwendung der Strafe im Mittelalter und in der Frühen Neuzeit.[1]

Eine Abmilderung der Strafe waren die vicesimatio oder die centesimatio, bei der jeder 20., bzw. jeder 100. Mann ausgelost wurde.[2]

Inhaltsverzeichnis

Anwendung

Die Dezimation wurde in der Armee des Römischen Reiches als Strafmaßnahme nur dann angewandt, wenn das kollektive Fehlverhalten einer ganzen militärischen Einheit vorlag. Da in diesen Fällen kein Täter ermittelt werden konnte, wurde so die Schuld gesühnt und die Disziplin wiederhergestellt.

Ausgesprochen wurde sie, wenn in einem Truppenteil eine Meuterei oder ein Aufruhr ausgebrochen war oder auszubrechen drohte. Auch wenn nach Auffassung des Oberbefehlshabers eine Schlacht aufgrund von Befehlsverweigerung oder Feigheit verlorengegangen war, wurde sie verhängt.

Nachdem alle Soldaten der für schuldig befundenen Einheit angetreten waren, wurde ein Zehntel der Soldaten durch das Los bestimmt. Das geschah durch eine braune und neun weiße Saubohnen, die den Soldaten in die Hand gelegt wurden. War sie braun, musste der betroffene Krieger von den eigenen Kameraden mit dem Schwert oder durch Prügel getötet werden. Diese äußerst drastische Strafmaßnahme wurde in der Geschichte des Römischen Reiches nur selten angewendet.

Berichte über die Dezimation

Die früheste Erwähnung der Dezimierung stammt von Titus Livius für das Jahr 471 v. Chr.[3] Häufige Anwendung fand die Dezimation während der Römischen Bürgerkriege und unter den Kaisern.

So ist von Caesar folgende Episode überliefert: Nachdem es im norditalienischen Placentia zur Meuterei unter den unzufriedenen Truppen gekommen war, soll Caesar den aufsässigen Einheiten seiner 9. Legion angedroht haben, die Dezimation durchführen zu lassen und die übrigen als untauglich nach Hause zu schicken. Er tat dies, um die Meuterei zu unterdrücken, sich aber gleichzeitig nicht anmerken zu lassen, wie sehr er auf jeden Mann angewiesen war. Als die Soldaten darum baten, im Dienst bleiben zu dürfen, gab Caesar erst nach längerem Sträuben nach, verlangte aber, dass ihm die 120 Rädelsführer ausgeliefert würden. Von diesen ließ er jeden zehnten auslosen und hinrichten.[4]

Während der Kaiserzeit scheint die Dezimation in der römischen Armee immer seltener angewendet worden zu sein; mutmaßlich hängt dies damit zusammen, dass die Stellung der Soldaten nun immer mächtiger wurde. Zu den spätesten sicher belegten Beispielen zählt der Bericht des Augenzeugen Ammianus Marcellinus über eine Dezimation, die Kaiser Julian Apostata 363 n. Chr. während seines Feldzugs gegen die Sassaniden anordnete.[5]

Auch nach dem Ende der Antike kam es vereinzelt zu Dezimationen. Berichte über die Anwendung der Strafe sind von Karl dem Großen und aus dem Dreißigjährigen Krieg bekannt. Ebenso wie die Österreicher 1642 bei Leipzig ließ der französische Marschall de Créquy im Holländischen Krieg bei Trier aufrührerische Truppen dezimieren.[1]

General Blücher soll den Befehl zur Dezimation aufsässiger sächsischer Bataillone gegeben haben, der Befehl wurde allerdings nicht ausgeführt. Sogar aus dem Ersten Weltkrieg sind Berichte erhalten, die die Anwendung der Dezimierung nach Niederlagen bzw. bei „Feigheit vor dem Feind“ belegen.

In seinem Buch „Stalingrad“ berichtet der britische Historiker Antony Beevor von der Durchführung der Dezimation durch einen sowjetischen Kommandanten.[6]

Literatur

Siehe auch

Einzelnachweise

  1. a b Dezimation. In: Meyers Konversations-Lexikon. 4. Auflage. Band 4, Bibliographisches Institut, Leipzig 1885–1892, ‎ S. 923.
  2. William Smith (Hrsg.): A Dictionary of Greek and Roman Antiquities, London 1875, [1]
  3. Ab urbe condita 2,59,11: [...] cetera multitudo sorte decimus quisque ad supplicium lecti
  4. Christian Meier: Caesar, Berlin 1982, S. 460f. In der Fernsehsendung Rom - Caesars Spiel um die Macht wird fälschlicherweise dargestellt, wie Caesar die meuternde Legion dezimieren läßt.
  5. Amm. 24,3,2.
  6. Antony Beevor: Stalingrad. Goldmann Verlag 2001, ISBN 3-442-15101-5 (Seite 117)

Weblinks


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