Dirichlet-Prinzip

Dirichlet-Prinzip

Das Dirichlet-Prinzip in der Potentialtheorie besagt, dass Funktionen u in einem Gebiet G \subset \mathbb{R}^n (mit vorgegebenen Werten u = g auf dem Rand von G), die das „Energiefunktional“ (Dirichlet-Integral)

D(u)=  \int_G \left({\left( \frac {\part u}{\part x_1}\right)}^2 + {\left( \frac {\part u}{\part x_2}\right)}^2 + \dots + {\left( \frac {\part u}{\part x_n}\right)}^2\right)\, \mathrm d\lambda^n =  \int_G  |\nabla u|^2 \mathrm d\lambda^n \geq 0

minimieren, die Laplace-Gleichung

\triangle u = 0

in G erfüllen, also harmonische Funktionen sind.

Geschichte

Es wurde von Georg Friedrich Bernhard Riemann zur Begründung seiner Theorie riemannscher Flächen verwendet (insbesondere für den Beweis der Existenz analytischer Funktionen auf diesen Flächen), der es nach seinem Lehrer Peter Gustav Lejeune Dirichlet benannte. Bei analytischen Funktionen erfüllen der Real- und Imaginärteil separat die Laplacegleichung. Durch die Kritik von Karl Weierstraß, der ein Beispiel eines ähnlichen Variationsproblems gab, bei dem keine Funktion existierte, die das Minimum annahm, war das Dirichlet-Prinzip im 19. Jahrhundert in Misskredit geraten. Erst insbesondere durch die Arbeiten von David Hilbert (1904), der sogenannte „direkte Methoden“ der Variationsrechnung verwendete, wurde es rehabilitiert und dann häufig z.B. von Richard Courant in der Theorie der konformen Abbildungen und in der Theorie der Minimalflächen verwendet.

Das Dirichlet-Prinzip liefert eine Methode für die Lösung des für die mathematische Physik fundamentalen „Dirichlet-Problems“, nämlich die Laplace-Gleichung in einem vorgegebenem Gebiet G zu vorgegebenen Werten der Funktion auf dem Rand (Dirichlet-Randbedingung) zu lösen. Dieses Problem wird nämlich nun dadurch charakterisiert, einen Minimierer für ein geeignetes Funktional aufzufinden. Letztere Fragestellung gehört zum mathematischen Gebiet der Variationsrechnung.

Beweisskizze

Sei v eine beliebige stetig differenzierbare Funktion mit v = 0 auf dem Rand von G. Dann gilt für alle \varepsilon \in \mathbb{R}

D (u + \varepsilon v) = D (u) + 2 \varepsilon \int_G (\nabla u)(\nabla v) \mathrm d\lambda^n + {\varepsilon}^2 D(v)\ .

Insbesondere existiert der Limes

\lim_{\varepsilon\rightarrow 0}\frac { D (u + \varepsilon v) - D (u )} {\varepsilon} = 2 \int_G (\nabla u)(\nabla v) \mathrm d\lambda^n\ .

Da das Funktional D in u ein Minimum annimmt, ist \frac { D (u + \varepsilon v) - D (u )} {\varepsilon} \geq 0 für \varepsilon > 0 und \frac { D (u + \varepsilon v) - D (u )} {\varepsilon} \leq 0 für \varepsilon < 0. Also muss der Grenzwert 0 sein, d. h.

0 = 2 \int_G (\nabla u)(\nabla v) \mathrm d\lambda^n\ .

Die erste greensche Formel liefert

 0 = \int_G (\nabla u) (\nabla v) \mathrm d\lambda^n =  -\int_G (v \triangle u) \mathrm d\lambda^n + \int_{\partial G}v\frac{\partial u}{\partial \nu}\, \mathrm d\sigma = -\int_G (v \triangle u) \mathrm d\lambda^n\ ,

wobei v = 0 auf dem Rand \partial G benutzt wurde.

Da v bis auf die oben angegebenen Einschränkungen beliebig war, folgt aus dem Fundamentallemma der Variationsrechnung, dass u die Laplace-Gleichung in G erfüllen muss.

\Box

Vorsicht: Vorausgesetzt wurden hierbei, dass man a priori wusste, dass u zweimal stetig differenzierbar ist und dass auf dem Gebiet G der gaußsche Integralsatz gilt. Letzteres ist keine große Restriktion, hingegen ist die erste implizite Voraussetzung delikaterer Natur. Diese Fragestellung wird in der Regularitätstheorie behandelt.

Literatur

  • Lars Gårding: The Dirichlet problem. Mathematical Intelligencer. 2, Nr. 1, 1979, ISSN 0343-6993, S. 42–52.
  • Stefan Hildebrandt: Bemerkungen zum Dirichletschen Prinzip. In: Hermann Weyl: Die Idee der Riemannschen Fläche. Teubner, Leipzig u. a. 1913, S. 197 (Mathematische Vorlesungen an der Universität Göttingen 5, ZDB-ID 978485-8), (Nachdruck erweitert um einen Anhang. Herausgegeben von Reinhold Remmert. Teubner, Stuttgart u. a. 1997, ISBN 3-8154-2096-2 (Teubner-Archiv zur Mathematik. Supplement 5)).
  • A. F. Monna: Dirichlet´s Principle. A mathematical comedy of errors and its influence on the development of analysis, Oosthoek, Scheltema & Holkema, Utrecht 1975

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