Dr. Gerö Cup

Dr. Gerö Cup

Der Europapokal, offiziell Coupe Internationale européenne, war der erste regelmäßig durchgeführte Wettbewerb für Fußball-Nationalmannschaften in Europa und nimmt die Vorläuferrolle der Europameisterschaft der UEFA ein. Er wurde in den Jahren 1927 bis 1960 insgesamt sechs Mal ausgetragen und brachte unter anderem das österreichische Wunderteam, die Goldene Mannschaft Ungarns sowie die berühmte italienische Elf der 1930er Jahre hervor.

Inhaltsverzeichnis

Bezeichnung

Der Europapokal taucht in der Fußballliteratur in verschiedenster Bezeichnung auf, resultierend aus der Tatsache, dass die Bedeutung der Wettbewerbsbezeichnung in den Sprachen der einzelnen Teilnehmerländer nicht identisch war. Im deutschsprachigen Raum waren die Bezeichnungen „Europapokal“ wie auch „Europameisterschaft“ – ähnlich der ungarischen Bezeichnung Európa Kupa – in den Medien gleichermaßen präsent, während der Name „Internationaler Cup“, wie er beispielsweise in Italien als Coppa Internazionale oder in der Tschechoslowakei als mezinárodní póhar üblich war, nur selten verwendet wurde. Vielfach kommt es in auch zur Verwechslungen der Bewerbsbezeichnungen mit den Namen der Trophäen, die im Laufe der Geschichte des Bewerbes ausgespielt wurde. In der Zwischenkriegszeit spielte man um den in der Umgangssprache so genannten Švehla-Cup, benannt nach seinem Stifter, dem tschechoslowakischen Außenminister Antonín Švehla. Der in der Nachkriegszeit ausgespielte Pokal erhielt 1954 den Namen des plötzlich verstorbenen österreichischen ÖFB-Präsident Josef Gerö, in Anerkennung seines Verdiensts um die Reaktivierung des Wettbewerbes nach Kriegsende. Dies ist in etwa vergleichbar mit der Benennung des WM-Pokals nach Jules Rimet zwei Jahre später. Insbesondere in der englischsprachigen Literatur ist jedoch die Falschbezeichnung „Josef Gerö Cup“ für den Wettbewerb und dies sogar für die Zeit ab 1927 weit verbreitet. Korrekt wäre „International Cup“.

Allgemeines

Entstehung und Hintergründe

Der Europapokal entstand im Jahre 1927 auf Betreiben des österreichischen Sportfunktionärs Hugo Meisl. Hintergrund war die damalige Verbreitung des Professionalismus im (mittel)europäischen Fußball. Den Beginn machte Österreich, welches 1924 als erstes Land auf dem europäischen Kontinent komplett auf ein professionelles Meisterschaftssystem umstellte. 1925 zogen Ungarn, 1926 die Tschechoslowakei und bald auch Italien nach. Dieser Schritt sicherte diesen Ländern über einen längeren Zeitraum zwar die Vormacht im kontinentaleuropäischen Fußball, in wirtschaftlicher Hinsicht war dieses System allerdings ohne internationale Pflichtspiele der Vereine sowie Nationalmannschaften nur schwer tragbar. Nachdem langjährige Verhandlungen mit der FIFA über Europameisterschaften scheiterten, wurde im Juli 1927 im italienischen Venedig die Einführung des Mitropacups (Vereinsmannschaften) sowie eines Europapokals (Nationalmannschaften) beschlossen.

Teilnehmer und Ablauf

Zu den vier Gründungsländern Österreich, Italien, der Tschechoslowakei und Ungarn, die damals den kontinentaleuropäischen Fußball dominierten, gesellte sich bereits in der ersten Spielsaison die Schweiz. Später kam noch Jugoslawien hinzu, Rumänien hätte bei einer weiteren Austragung teilgenommen. Zudem wurde auf Grund des Interesses weiterer Länder an einer Europameisterschaft, die jedoch nicht gegen Profi-Teams antreten wollten beziehungsweise konnten, eine eigene Ausgabe für Amateur-Nationalmannschaften ausgetragen. Es handelte sich dabei um die Nationalteams von Polen und Rumänien sowie die Amateurteams von Ungarn, Österreich und der Tschechoslowakei. All die acht bisher genannten Länder waren naturgemäß auch Premierenteilnehmer der Europameisterschaft der UEFA 1960. Andere Länder hatten schlichtweg kein Interesse an einem solchen Wettbewerb oder hatten damals im zerstrittenen Europa diverse Vorbehalte, gegen bestimmte andere Länder zu spielen. Den Teilnehmern der Profi-Konkurrenz half der Wettbewerb, ihre Vormachtstellung im europäischen Fußballsport zu erhalten – sowohl bei der Weltmeisterschaft 1934 als auch 1938 trugen die Finals beispielsweise nur Mannschaften dieser Länder aus.

Der Europapokal war, anders als die UEFA-Europameisterschaft, als Dauerkonkurrenz konzipiert, da ja nur so regelmäßige Pflichtspiele zustande kamen. Die Nationalmannschaften trafen in einem Meisterschaftsmodus aufeinander, jeweils in einem Heim- und einem Auswärtsspiel. So erstreckte sich eine Konkurrenz auf etwa zwei bis drei Jahre. Einerseits sollte so jedem Teilnehmer dieselbe Anzahl von Spielen garantiert werden und zusätzlich erachtete man damals dieses System als gerechter zur Findung des Europameisters. Überdies hatte die Tatsache, dass es sich jeweils um ein Heimspiel für eine Nationalmannschaft handelte, ein hohe Zuschauerinteresse garantiert, was bei zahlreichen Spielen in der Anfangszeit der später eingeführten Fußball-Weltmeisterschaft im Turniersystem nicht der Fall war.

Verlauf des Europapokals

Der erste Europapokal-Wettbewerb wurde in den Jahren 1927 bis 1930 mit großem Erfolg ausgetragen. Die damaligen Zuschauerzahlen übertreffen beispielsweise den heutigen Schnitt einer Europameisterschaft, wobei dies insbesondere auf die damals größeren Stadien mit vielen Stehplätzen zurückzuführen ist. Die erste Konkurrenz wurde erst mit dem letzten Spiel am 5. November 1930 entschieden: Vittorio Pozzos italienische Mannschaft konnte Ungarn 5:0 besiegen, wobei allein drei Tore Giuseppe Meazza schoss, und damit erster Gewinner der von Antonín Švehla gestifteten Trophäe werden. Auf Grund des Erfolges wurde bereits drei Monate später der zweite Europapokal gestartet. Dieser brachte das berühmte österreichische „Wunderteam“ hervor, welches rund um Kapitän Matthias Sindelar den Bewerb gewinnen konnte. Italien, das sich mit dem zweiten Platze begnügen musste, konnte allerdings bereites 1935 erneut die Trophäe zurückholen, nach dem Squadra Azzurra nur ein Jahr davor erstmals Weltmeister geworden war. Während seiner vierten Auflage musste der bei den Zuschauern sehr beliebte Europapokal auf Grund des Zweiten Weltkriegs allerdings abgebrochen werden. Bis dahin waren auch zwei Amateur-Konkurrenzen ausgetragen worden, aus denen Polen und Rumänien als Sieger hervorgingen.

Bereits wenige Monate nach Ende des Krieges bemühten sich die ehemaligen Europapokal-Länder um eine Wiederauferstehung des Bewerbes, der wieder ab 1948 ausgespielt wurde. Als erster Sieger in der Nachkriegszeit trug sich die Ungarische Nationalelf um Ferenc Puskás ein, damals „Goldene Elf“ genannt. Letztmalig wurde der Europapokal von 1954 bis 1960 gemeinsam mit der UEFA ausgetragen. Letzter Gewinner wurde die Tschechoslowakei, die auch nur zwei Jahre später das WM-Finale in Chile erreichte. Mit der Beendigung des sechsten Wettbewerbes 1960 wurde er plangemäß vom Europapokal der Nationen, einer Europameisterschaft in Cupform, abgelöst.

Ehrentafel des Sieger

Jahre Siegermannschaften
Europapokalsieger Punkte Zweiter Platz Punkte Dritter Platz Punkte
1927–1930
Details

Italien
11
Österreich
10
Tschechoslowakei
9
1931–1932
Details

Österreich
11
Italien
9
Ungarn
8
1933–1935
Details

Italien
11
Österreich
9
Ungarn
9
1936–1938
Details
Der vierte Europacup musste zwangsläufig nach der Annexion Österreichs durch das Deutsche Reich am 12. März 1938 abgebrochen werden.
1948–1953
Details

Ungarn
11
Tschechoslowakei
9
Österreich
9
1955–1960
Details

Tschechoslowakei
16
Ungarn
15
Österreich
11


Jahre Siegermannschaften (Amateurbewerb)
Europapokalsieger Punkte Zweiter Platz Punkte Dritter Platz Punkte
1929–1930
Polen
7
Ungarn (A)
6
Österreich (A)
6
1931–1934
Rumänien
9
Ungarn (A)
6
Tschechoslowakei (A)
5

Torschützenkönige

Ferenc Puskás – mit 15 Toren einer der erfolgreichsten Schützen im Europapokal
Jahre Torschützenkönige
Tore Schütze Nationalmannschaft
1927–1930 6 Tore Julio Libonatti
Gino Rossetti
Italien
Italien
1931–1932 8 Tore István Avar 1 Ungarn
1933–1935 7 Tore Leopold Kielholz
György Sárosi
Schweiz
Ungarn
1936–1938 10 Tore György Sárosi Ungarn
1948–1953 10 Tore Ferenc Puskás Ungarn
1955–1960 7 Tore Lájos Tichy Ungarn

1Hierbei handelt es sich um Stefan Auer, einen Fußballspieler altösterreichischer Herkunft, der für Ungarn unter diesem Namen spielte.

Siehe auch


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