Dywa

Dywa

Dywa ist der Name, unter dem der italienische Ingenieur Pietro „Dydo“ Monguzzi in den 1970er Jahren mehrfach erfolglos versuchte, einen Rennwagen für die Formel 1 zu bauen und einzusetzen.

Dywa gehört zu den kaum bekannten Projekten des Motorsports. Viele Details und Hintergründe sind nach wie vor ungeklärt. Das, was man heute weiß, basiert im Wesentlichen auf der Auswertung italienischer – meist regionaler – Presseberichte aus den 1970er- und 1980er-Jahren.

Inhaltsverzeichnis

Der Ursprung

Der in dem lombardischen Dorf Canegrate bei Mailand ansässige Techniker „Dydo“ Monguzzi verdiente in den 1960er-Jahren sein Geld damit, Rennwagen von Alfa Romeo, Ferrari und McLaren zu betreuen, die der Motorsport-Sponsor Marlboro für Ausstellungen und Werbezwecke benutzte. Zu seinen Aufgaben gehörte auch die Beförderung der Autos zu den jeweiligen Einsatzorten. In seiner Freizeit begann Monguzzi gemeinsam mit seinem Schwager Walter, in der heimischen Werkstatt eigene Rennwagen zu bauen. Sie nannten ihre Unternehmung „Dywa“, zusammengesetzt aus den jeweils ersten Silben ihrer Vornamen. Das erste Fahrzeug aus ihrer Werkstatt war ein Auto für die Formel Monza, eine italienische Nachwuchsklasse. Dieses Fahrzeug sowie ein 1969 konstruierter Formel-2-Wagen erreichten nie die Renntauglichkeit.

Die Formel-1-Versuche

Nach diesen ersten Versuchen nahm Monguzzi den Bau eines Wagens nach Formel-1-Kriterien in Angriff. Zwischen 1973 und 1983 gab es hierzu insgesamt vier Anläufe, die jeweils mit der von den Medien dokumentierten Präsentation eines Fahrzeugs endeten. Ob das Projekt „Dywa“ tatsächlich mit dem Ziel verbunden war, einen Rennbetrieb in der Formel 1 aufzunehmen, ist zweifelhaft; jedenfalls erschien Dywa nie zu einem Rennen der Formel-1-Weltmeisterschaft. Es gab lediglich vereinzelte Einsätze in deren Umfeld. Insgesamt ähnelte Monguzzis Projekt jenen englischen Garagisten, die in den 1970er-Jahren mehr oder weniger zahlreich versuchten, mit bescheidenen Mitteln und zugekauften Komponenten einen Formel-1-Wagen zusammenzubauen. Insoweit steht Dywa in der Tradition von Teams wie Token, Trojan oder Rebaque, aber auch von Merzario in Italien oder Eifelland in Deutschland.

1974

Das erste Projekt wurde 1974 vorgestellt. Der Dywa 001 war ein einfaches Baukastenauto mit Zubehörteilen von Cosworth (Triebwerk), Hewland (Getriebe) und KONI (Fahrwerk). Monguzzi hatte aus Aluminiumblechen ein sperriges, geradliniges Monocoque zusammengebaut, auf dem eine winklige, aerodynamisch sicher nicht optimierte Karosserie saß. Der Wagen war ausgesprochen klein; mit einem Radstand von 2400 mm unterbot er noch den Brabham BT44, den kompaktesten Wagen der Formel-1-Saison 1974. Fahrwerksseitig gab es vorn und hinten Dreieckslenker. Ein Exemplar wurde 1974 der Öffentlichkeit vorgestellt. Romolo Tavoni, in den frühen 1960er-Jahren Rennleiter bei Ferrari, lobte in der Presse die Professionalität des Konzepts. Mehr als diese Vorstellung gab es indes nicht; der Wagen fand nicht seinen Weg in die Formel 1.

Daher veränderte Monguzzi im Winter 1974/75 den Dywa 001, dass er dem Reglement der europäischen Formel 5000 entsprach. Motorseitig wurde ein 5,0-Liter-Triebwerk von Chevrolet eingebaut. In den offiziellen Meldeunterlagen der Veranstalter der britischen Formel 5000 finden sich zwei Einträge im Zusammenhang mit Dywa:

  • Der erste Eintrag bezieht sich auf das dritte Rennen des Jahres am 31. März 1975 in Brands Hatch. Unter der Start-Nr. 51 wurde dort ein „Dywa Chevrolet“ geführt, einsetzendes Team war „Dydo Monguzzi“, und als Fahrer war Luigi-Mimmo Chevasco gemeldet. Der Einsatz wurde von dem italienischen Schuhhersteller Rossetti finanziert, dessen Namenszug an mehreren Stellen auf dem Auto erschien. An dem Rennen selbst nahm Chevasco nicht teil.
  • Ein zweiter Eintrag findet sich in der Meldeliste zum ersten Rennen der Shellsport International Series 1976 am 21. März 1976 in Mallory Park. Gemeldet wurde ein Auto mit dem Namen „Dywa 75“, wiederum mit einem Achtzylinder von Chevrolet. Als Fahrer war Livio Panzone vorgesehen. Auch an diesem Rennen nahm der „Dywa“ nicht teil.

1979

1979 präsentierte Monguzzi ein weiteres Fahrzeug nach Formel-1-Konfiguration. Das Auto hieß nunmehr „Dywa 008“. Angeblich handelte es sich dabei um ein Auto, das nach Wing-Car-Gesichtspunkten konstruiert worden war, also durch einen speziell geformten Unterboden einen Saugeffekt erzeugen sollte. Die Nase war spitz; eine italienische Pressenotiz ging so weit, sie mit der Form des Überschallflugzeugs Concorde zu vergleichen. Seitliche Frontspoiler hatte der Dywa nicht; insofern glich er dem zeitgenössischen Brabham BT48 und partiell auch dem Tyrrell 009. Die Antriebstechnik kam von Cosworth und Hewland. Der Dywa 008 wurde auf der Ausstellung Motor Sud in Salerno 1979 offiziell vorgestellt. Angeblich war ein Sponsor bereit, Geld für einen baldigen Einsatz des Wagens beim Großen Preis von Belgien 1979 zur Verfügung zu stellen. Als Fahrer wurde Alberto Colombo benannt, der zeitweilig bei ATS (Formel 1) und im Team von Arturo Merzario Rennen gefahren war. Tatsächlich wurde daraus nichts.

1980

1980 erfolgte eine weitere Präsentation eines Dywa. Dieser Wagen wird in einzelnen Quellen als „Dywa 0010“ bezeichnet, andere Quellen verwenden diese Bezeichnung dagegen erst im Zusammenhang mit einem Auto, das im Herbst 1983 vorgestellt und getestet wurde. Das 1980 präsentierte Auto stellte vermutlich eine erheblich überarbeitete Fassung des 008 von 1979 dar. Der Radstand war, möglicherweise um eine größere Unterbodenfläche und damit eine bessere Ausgangslage für den Groundeffect zu haben, auf 2880 mm verlängert worden. Die Seitenkästen waren geschwungen und folgten dem Vorbild des Ligier JS 11, zudem hatte eine frühe Version einen geschwungenen Heckflügel, ähnlich der Konzeption des (erfolglosen) Formel-1-Wagens Kauhsen WK 1. Nach einigen kurzen Testfahrten kehrte Monguzzi zu einem traditionellen, geraden Heckflügel zurück. Der Motor war ein Cosworth-DFV-Achtzylinder.

Im Frühjahr 1980 wurde der Wagen auf dem Flughafen Schiranna (Varese) getestet. Die Testrunden fuhr Dydo Monguzzi selbst.

Vermittelt durch den italienischen Formel-2-Meister Mauricio Flammini, kam es 1980 zu einer Meldung des Dywa für ein Rennen nach Formel-1-Regeln. Anlass war das „Monza Lotteria“-Rennen im Juni 1980. Allerdings handelte es sich hierbei nicht um ein Rennen zur Formel-1-Weltmeisterschaft, sondern lediglich um eine Veranstaltung im Rahmen der Aurora-Serie, einer rein britischen Meisterschaft, in der Nachwuchsfahrer mit ausgedienten Formel-1-Wagen gegeneinander antraten. Die meisten Rennen dieser Serie wurden auf den britischen Inseln gefahren; eine Ausnahme war die „Monza Lotteria“ im Königlichen Park von Monza. Als Fahrer wurden – je nach Quelle – Piercarlo Ghinzani oder Maurizio Flammini gemeldet. Tatsächlich erschien Monguzzi mit seinem Auto, allerdings qualifizierte sich der Dywa bei dieser Veranstaltung nicht. Irgendetwas ging irreparabel kaputt, sodass sich die Truppe vorzeitig zurückzog.

Der Versuch, einen Sponsor für weitere Einsätze zu finden, blieb erfolglos, sodass der Dywa zunächst für einige Jahre im Werk verblieb.

1983

Einen weiteren Anlauf gab es im Herbst 1983. Der Wagen, der in einem Artikel der italienischen Fachzeitschrift Autosprint (Nr. 47/1983) als „Dywa 010“ bezeichnet wird, sah wesentlich anders aus als sein Vorgänger. Tatsächlich dürften die wesentlichen Technikkomponenten von dem bisherigen Fahrzeug übernommen worden sein; die Karosserie hingegen war stark modifiziert. Insgesamt ähnelte das Auto dem Tyrrell 011. Die Nase war vergleichsweise breit und trug einen über die gesamte Wagenbreite gehenden Frontflügel. Die Kühler saßen nunmehr knapp vor den Hinterreifen. Die langen Seitenkästen des Vorgängers waren entfernt worden; stattdessen dominierten die langen Flanken des Monocoques. Die neuen Seitenkästen waren kurz und hatten – jedenfalls bei ersten Tests – auf jeder Seite unterschiedlich gestaltete Öffnungen. Der Heckflügel wurde von einer mittig platzierten Strebe gehalten. Als Antrieb wurde wiederum ein Cosworth DFV eingebaut; Zeitungsberichten zufolge handelte es sich um das Triebwerk, das bis Sommer 1983 bei Osella eingesetzt und dort später durch Zwölfzylinder-Saugmotoren von Alfa Romeo ersetzt worden war. Der Dywa wurde im Oktober und November 1983 zweimal von dem italienischen Rennfahrer Giampiero „Peo“ Consonni, einem italienischen Formel-2000-Meister und späteren Teilnehmer an der Rallye Paris–Dakar, auf dem Junior-Kurs von Monza getestet. Mehrere zeitgenössische Zeitungsartikel berichten, dass Monguzzi das Auto mit Peo Consonni in der Saison 1984 in einzelnen – wahrscheinlich den europäischen – Rennen zur Formel 1 habe einsetzen wollen. Dazu kam es allerdings nicht. Am wahrscheinlichsten ist, dass sich kein Sponsor finden ließ, der bereit war, das Abenteuer zu unterstützen, ein selbst gebautes Rennauto mit Wurzeln in den 1970er-Jahren und einem gegen die aufkommende Turbo-Konkurrenz unterlegenen Saugmotor in der Formel 1 einzusetzen. („Peo“ Consonni betreibt heute in Muggiò bei Mailand einen Tuningbetrieb für Rennwagen.)

Dywa in der Formel 3000

Nach dem vierten Anlauf erkannte Monguzzi, dass ein eigenes Projekt in der Formel 1 für einen Garagisten nicht zu realisieren war. Stattdessen konzentrierte er sich auf die neu gegründete Formel 3000, eine Nachwuchsklasse, die die 1984 letztmalig durchgeführte Formel-2-Europameisterschaft ersetzen sollte. Die Formel 3000 war angesichts des Umstandes, dass die Formel 1 mittlerweile von Turbotriebwerken dominiert wurde, als reine Saugmotor-Klasse ausgeschrieben worden. Alte Saugmotor-Wagen der Formel 1 mit Cosworth-DFV-Motor waren ausdrücklich zugelassen. Tatsächlich nutzten nur wenige Teams diese Möglichkeit; schon im ersten Jahr setzten sich eigenständige Formel-3000-Konstruktionen von Lola oder March gegenüber den ausgedienten Formel-1-Modellen durch.

1985: Ein erster Versuch?

Das allererste Formel-3000-Rennen fand im März 1985 in Silverstone statt. Viele bisherige Formel-2-Teams hatten sich gemeldet, daneben gab es neue Konkurrenten, die erstmals auf diesem Niveau antraten. Für dieses Rennen war auch ein Auto namens „Dywa“ angekündigt. Zeitungsberichten zufolge waren tatsächlich ein Auto und ein paar Mechaniker auf dem Weg nach Großbritannien. Allerdings soll auf der Anreise in Belgien der Renntransporter beschädigt worden sein, sodass sich der Renneinsatz nicht verwirklichen ließ. Ob diese Meldung zutrifft, ist heute ebenso wenig zu prüfen wie der mögliche Name des Teams und der des Fahrers (einer vereinzelten Pressenotiz zufolge sei Guido Daccò im Gespräch gewesen). In der offiziellen Meldeliste des Veranstalters erscheint ein Fahrzeug mit der Bezeichnung „Dywa“ jedenfalls nicht.

1986: Ein Renneinsatz

Eineinhalb Jahre später erschien das Fahrzeug ein letztes Mal bei einem Rennen. Unter dem Namen „Ecurie Monaco“ wurde der Dywa, nunmehr Monte Carlo 001 benannt, zum Formel-3000-Rennen in Imola gemeldet.

Zentrale Figur dieses Unternehmens war der frühere Formel-2- und Formel-3000-Pilot Fulvio Maria Ballabio aus Mailand. Ballabio hatte 1985 in Monaco ein Unternehmen unter dem Namen Monaco Racing Services gegründet, einen Rennstall, der eine monegassische Lizenz hielt. Ballabios Ziel war es, mit einem eigenen, selbst konstruierten Auto in der Formel 3000 anzutreten. Allerdings schien ihm die Aussicht, „bei Null anzufangen“, als zu riskant. Daher schloss er sich mit Dydo Monguzzi zusammen, der seine bisherige Dywa-Konstruktion als Grundlage für Ballabios „neues“ Auto bereitstellte.

Monguzzi überarbeitete Anfang 1986 seinen Dywa in mehreren Phasen erheblich. Die Aerodynamik wurde modifiziert, es gab neue Seitenkästen, die etwa auf der Höhe des Fahrersitzes begannen und die Hälfte der Flanken umfassten. Zudem trug das Auto eine sehr hohe, stark abfallende Motorabdeckung. Als Triebwerk war erneut der Cosworth DFV vorgesehen.

Das Auto erhielt den Namen Monte Carlo 001. Es war rot-weiß (in den Nationalfarben Monacos) lackiert und wurde Anfang 1986 auf der privaten, dem Formel-1-Team AGS gehörenden Rennstrecke von Le Luc im südfranzösischen Département Var im Beisein von Prinz Albert II. der Öffentlichkeit vorgestellt. Mit dabei war auch der französische Rennfahrer Richard Dallest, der möglicherweise als Fahrer des Monte Carlo 001 vorgesehen war. Dallest kam letzten Endes nicht zum Zug, wohl weil er vorrangige vertragliche Pflichten gegenüber AGS hatte. Daher sollte Fulvio Ballabio das Steuer selbst übernehmen.

Der Monte Carlo 001 wurde erstmals zum Großen Preis von Imola gemeldet, dem fünften Formel-3000-Rennen der Saison. Ballabio bewegte das Auto tatsächlich im Training, brauchte allerdings für eine einzige Runde nahezu doppelt so lange wie seine Kollegen und qualifizierte sich nicht zum Rennen. Daraufhin zog sich das Team zunächst zurück. Zum übernächsten Formel-3000-Rennen im sizilianischen Enna versuchten es Ballabio und die Ecurie Monaco noch einmal, allerdings nicht mit dem vom Dywa abgeleiteten Monte Carlo 001. Vielmehr meldete das Team nunmehr einen gebrauchten March 85B. Auch damit scheiterte Ballabio an der Qualifikation. Die Ecurie Monaco erschien danach nie wieder, und Ballabio beendete seine Karriere. Der Monte Carlo 001 ist heute im Besitz eines Sammlers und steht in einer Garage an der Côte d'Azur.

Quellen

  • David Hodges: Rennwagen von A bis Z nach 1945, 1. Auflage Stuttgart 1994 (ISBN 3-613-01477-7)
  • Adriano Cimarosti: Das Jahrhundert des Rennsports, 1. Auflage Stuttgart 1997
  • Robert Teso: Tanto Giovane eppur già Dywa, Artikel in Autosprint 47/1983, S. 25 (italienisch)

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