Egon-von-Vietinghoff-Stiftung

Egon-von-Vietinghoff-Stiftung

Die gemeinnützige Egon von Vietinghoff-Stiftung wurde 1989 in Zürich gegründet. Sie und verwaltet die einzige nicht in Privatbesitz befindliche und unverkäufliche Gemälde-Sammlung mit 67 Werken des Malers und Autors Egon von Vietinghoff. Die Kunststiftung pflegt das Andenken des Künstlers, verbreitet sein Gedankengut (Visionäre Malerei, Schule reinen Schauens) und fördert das Interesse an der traditionellen mehrschichtigen Öl-Harz-Malerei, einem spezifisch europäischen Kulturerbe. Das umfangreiche Lebenswerk Egon v.Vietinghoffs soll einem breiten Publikum zugänglich gemacht werden, wofür kurz- und langfristige, periodische oder permanente Ausstellungsmöglichkeiten im In- und Ausland gesucht werden. Die Stiftung regt Studenten der Kunstgeschichte und Kunstwissenschaft an, fachliche Arbeiten über den Künstler und sein Werk zu schreiben. Es liegt umfangreiches Material vor, der Zugang zu Originalen ist möglich, die Fülle des Gesamtwerks ist recht gut dokumentiert. Wenn diese Stiftungsziele erfüllt sind (derzeit nicht abzusehen), hat die Stiftung auch die Möglichkeit, bildende Künstler zu fördern, die nach der Auffassung und der Technik Vietinghoffs arbeiten.

Die Themen, für deren Verständnis und Verbreitung sich die Stiftung einsetzt - das geistige, handwerkliche und künstlerische Vermächtnis Egon von Vietinghoffs - sind folgende (zur Person siehe Egon von Vietinghoff).

Inhaltsverzeichnis

Die Schule reinen Schauens

Im allgemeinen Umbruch der Wende zum 20. Jh. suchen viele Maler nach dem Ursprung künstlerischen Ausdrucks, streben nach "reiner Wirklichkeit", "reiner Energie", "reinen Farben", "reinen Kompositionen und Visionen". Sie plädieren dafür, sich vom Gegenstand zu lösen, Farben und Flächen als solche sprechen zu lassen, und gehen in Richtung abstrakte Kunst. Mit seiner "Schule reinen Schauens" teilt Vietinghoff ihren Ansatz und befreit sich auf seine Weise vom Naturalismus. Doch führt ihn seine Logik zu entgegengesetzten Konsequenzen: für ihn ist bildende Kunst eine Sprache, die gegenständlicher Formen bedarf, um verstanden zu werden. Da Farben (außer bei Lichtbrechung) immer an Objekte gebunden sind, muss für ihn Malerei gegenständlich sein. Zu einer Vision der Dinge, die über deren materiellen Aspekt hinausgeht, gelangt der Künstler über eine bestimmte Art des meditativen Sehens: eine ausschließlich Farbe und Licht wahrnehmende "ungegenständliche" Schau. Sie kommt zustande aufgrund der reinen Sehfunktion der Augen, führt jedoch nicht zu abstrakten (z.B. geometrischen, flächigen, symbolischen) Formen. Eine rein visuelle, "visionäre" Malerei basiert auf reiner Sinneswahrnehmung, ist unverfälscht durch Hinzufügen, Verfremden oder gedankliche Absicht - insgesamt befreit vom angelernten Wissen. Ein dreidimensionales Objekt wird - visuell-meditativ, nicht bewusst-intellektuell - vorübergehend in ein Nebeneinander von Farbflächen übertragen. Die Welt erscheint als Drama von Farbe, Licht und Form. Der Betrachter eines Gemäldes vollführt die Rückübertragung in die räumliche Sichtweise (s. visuelle Wahrnehmung) mühelos, da er als Kind lernte, gegenständlich zu sehen. In der meditativen Konzentration auf reines Schauen ist der Künstler vergleichbar mit dem Bogenschützen im Zen: beide schalten in Meditation Willen und Gedanken aus und öffnen sich für andere Erfahrungen als die bekannten, zur Alltagsbewältigung benötigten.

Die visionäre Malerei

Eine andere Sehweise bewirkt eine andere Sicht der Dinge, eine Vision. Die solche Visionen sichtbar machende Malerei nennt Vietinghoff "visionäre Malerei". Sie beschreibt nicht die Oberfläche der Objekte, sondern gibt deren Auflösung in farbliche Wechselwirkungen, d.h. ein natürliches Farbenspektakel wieder, in das er sich meditativ versenkt. Durch die Objektgebundenheit der Farbspiele ist "visionäre Malerei" zwar gegenständlich, insofern sie aber die Sinneseindrücke vor dem geistigen Auge (die Vision) und nicht die messbaren Eigenschaften der Objekte wiedergibt, ist "visionäre Malerei" gleichzeitig das Gegenteil von kopierendem Naturalismus, denn sie basiert nicht auf akribischer Beobachtung. "Visionäre Malerei" bildet einerseits nicht ab, erfindet andererseits auch nichts mittels intellektueller Konstruktion. Sie sucht das Wesen der Welt über das Sehen als solches und gelangt über rein sinnliche Kontemplation zu metaphysischen Einsichten. Sie ist die Alternative zu den Polen Naturalismus und Abstraktion bzw. Kopie und Konstruktion. Von einem philosophisch-mystischen Ansatz ausgehend versteht Vietinghoff unter Phantasie die Fähigkeit des menschlichen Geistes zu transzendentem Wahrnehmen und nicht den originellen Gedanken, die spekulative Träumerei, willentliche Umformung oder Verfremdung der Phänomene. Die Intuition - eine Art Siebter Sinn - führt in künstlerischer Steigerung zur Inspiration und bedient sich der Phantasie als eines Wahrnehmungsorgans für die irrationale, absolute Wirklichkeit, die wir mit unserem beschränkten Weltbild nur zeitweise erahnen (vgl. Kants "Ding an sich").

Die mehrschichtige Öl-Harz-Malerei

Bei mehrschichtiger Malweise werden mehrere Farben getrennt übereinander gelegt. Damit sie (im Gegensatz zum einschichtigen Nass-in-Nass-Malen, al primo, Alla-Prima-Malerei) getrennt bleiben, muss die untere Farbe trocken sein bzw. müssen beide Schichten einander trennende Bindemittel enthalten. Die Grundlage bilden Harze und Öle als Träger der Farbpigmente. Es können mehrere flüssige Farbaufträge dick, halbdeckend oder durchscheinend übereinander liegen. Durch verschiedene Stufen der Lichtreflexion entstehen Tiefenwirkung und Farbdifferenzierungen, die bei einschichtiger Malerei nicht zu erzielen sind. Die Plastizität entsteht aus dem Farbauftrag selbst und bedarf keiner auffälligen Perspektiven in der Bildkomposition. Auf diesen Kenntnissen basieren die warme Leuchtkraft und farbliche Tiefe, die für Vietinghoffs Bilder sowie die seiner großen Vorbilder typisch sind (Rembrandt, Rubens, Frans Hals, van Dyck, van Goyen, Matthias Grünewald, Leonardo, Michelangelo, Guardi, Tizian, Chardin, Velazquez, Goya, Turner). Sie alle beherrschten diese Lasurentechnik. Vietinghoff definiert dabei erstmalig aus Sicht eines Malers die Transparenz bzw. Transluzenz der Farbe als deren vierte Eigenschaft neben den drei bekannten Ton, Wert und Intensität. Sie lässt einfallendes Licht in unterschiedlichem Maße durch die einzelnen Farbschichten, wobei es auf mehreren Ebenen teilweise reflektiert wird. Die Summe vieler Reflexionen macht die Farben "licht" und "tief", die Wirkung ist natürlich, sinnlich, plastisch. Wenn die letzte Reflexion auf der hellen Grundierung mit einbezogen ist, spricht man von Tiefenlicht. Nach dem Bruch der Impressionisten mit der Tradition gingen diese Kenntnisse verloren, Egon v.Vietinghoff hat sie in 35 Jahren Experimentierens rekonstruiert, die Stiftung trägt dazu bei, dass dieses spezifisch europäische Kulturgut gewürdigt wird.

Die Rolle der Werkstoffe

Vietinghoff erkennt, dass er mit den industriell hergestellten Materialien seine künstlerischen Ansprüche nicht zufriedenstellend realisieren kann. Seine differenzierte, visionäre Sehweise verlangt nach einer Maltechnik, die nur mit ausgesuchten, vorwiegend natürlichen und sorgfältig verarbeiteten Substanzen erreicht werden kann – abgesehen von einigen unverzichtbaren Pigmenten chemischer Herkunft. Also produziert er seine Farben, Lösungs- und Bindemittel selber, kocht Naturleim und Leinwände, spannt diese auf Keilrahmen oder klebt sie auf zurechtsägte Spanplatten. Es folgen bis zu sieben Grundierungen, Abschleifen, Tönung und das Isolieren des Malgrundes. Insgesamt verbrauchen diese handwerklichen Vorbereitungen mindestens 50% der Entstehungszeit eines Gemäldes. Wesentlich für die natürliche Wirkung seiner Werke ist auch die Verwendung von Naturprodukten, den organischen Grundstoffen Ei, Kasein, Leinöl und Mohnöl, Leder-Leim, Wachs, Gummi arabicum, Kirschgummi, Lärchen-Terpentin, fossiles Harz sowie verschiedener Erden. Der Stifter legte großen Wert auf die Qualität der Werkstoffe und die Beherrschung dieses Handwerks.

Das Werk des Egon von Vietinghoff

Naturgemäß setzt sich die Egon von Vietinghoff-Stiftung auch für das künstlerische Vermächtnis ihres Stifters ein. Dafür stehen ihr die eigene Gemäldesammlung, eine Tonbildschau, ein Video und die Online Galerie im Internet (s. Weblink) zur Verfügung. Als Medien setzte der Künstler Bleistift, Feder, Kreide, Nadel und Pinsel ein. Er machte hervorragende Porträtzeichnungen mit Rötel und arbeitete auch mit Tempera, im Laufe der Zeit verwendete er Tempera normalerweise jedoch nur zum Untermalen als Vorstufe des Bildes über der Grundierung. Während einiger Jahre versuchte er sich auch in Radierungen. Seine Ausdrucksstärke fand er in der Öl-Harz-Malerei. Vietinghoffs immenses Werk umfasst alle klassischen Motive: Blumen, Stillleben, Landschaften, Porträts, Akte und figürliche Szenen. Infolge der Nachfrage machen die Früchte-Stillleben über die Hälfte des gesamten Schaffens aus. Die natürliche Distanz zum Bild vermittelt Ausgewogenheit der Darstellung und in sich ruhende Geschlossenheit des Gegenstandes. Ohne sich in Einzelheiten zu verlieren, führt er den Blick durch das Spektrum farblicher Nuancen und findet die Balance zwischen Intensität und behutsamer Stille. Es entsteht der Eindruck von Einheit und stimmigem Zusammenwirken von Sujet und Hintergrund, von Licht und Schatten, von Form und Farbe, von Detail und Ganzem. Sein ausschließlich auf Licht- und Farbenspiele ausgerichteter Blick erschließt die schlichten Wunder des Lebens. Damit provoziert sogar seine Kunst in Zeiten politisch engagierter und abstrakter Malerei. Er setzt sich technisch und geistig mit den alten Meistern auseinander, dennoch imitiert oder zitiert er sie nicht und findet seine eigene malerische Handschrift. Seine Gemälde vermitteln Natürlichkeit und fallen auf durch faszinierende Plastizität, innere Leuchtkraft und virtuos gesetzte Glanzlichter. Handwerk und künstlerische Absicht führen gemeinsam hin zu in sich abgerundeten Kunstwerken. Die virtuelle Galerie auf der Website der Stiftung gibt einen breiten Einblick in die Farbenwelt des Egon von Vietinghoff.

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