- Ene mene muh und raus bist du
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Ein Abzählreim ist ein Reim, der in Kinderspielen benutzt wird, um pseudozufällig ein Kind aus einer Gruppe auszuwählen, dem eine bestimmte Rolle in einem Spiel (zum Beispiel Räuber und Gendarm) zugewiesen wird. Daher ist ein Abzählreim auch eine Art vermeintlicher „Zufallsgenerator“.
Inhaltsverzeichnis
System
Beim Abzählreim wird bei jeder Silbe oder auch nur bei jeder betonten Silbe der Reihe nach auf eines der in einem Kreis stehenden Kinder gezeigt und das Kind, auf das bei der letzten Silbe des Reims gewiesen wird, ist damit bestimmt.
Die Anzahl der Silben übersteigt in der Regel das intuitive Rechenvermögen der teilnehmenden Kinder, so dass, egal mit welchem Kind auch der Reim begonnen wird, für die Kinder das Ergebnis tatsächlich unvorhersagbar und somit einem Zufallsgenerator gleich erscheint. Da sich die Zahl der Silben leicht abzählen lässt, ist in Wirklichkeit die Wahl im Prinzip schon durch den Beginn des Reims erfolgt; weil manche älteren Kinder schon gut rechnen können, enthalten einige Abzählreime daher Erweiterungen, die die Silbenzahl in Echtzeit um eine weitere Zufallszahl erhöhen (z. B. um das Alter dessen, auf den zuletzt gedeutet wurde, z. B. bei Ene mene muh).
In einigen Fällen wird von den Kindern nicht auf die genaue Synchronität zwischen Silbenanzahl und Deuten geachtet. Es wird dabei zwar reihum auf jeden gezeigt, bis der Abzählreim komplett vorgetragen wurde, aber die Dauer des Reimes hat einen größeren Einfluss auf das Ergebnis als die Anzahl der Silben. Kindern, die schon besser rechnen können, erscheint das meist als guter Kompromiss, um einem Zufallsgenerator näher zu kommen.
Abzählreime scheinen eine lange Tradition zu haben und auch über größere Strecken „gewandert“ zu sein, was man z. B. an französischen Elementen in Abzählreimen sehen kann, die in mehr als 150 km von der historischen deutsch-französischen Sprachgrenze gebraucht werden. (Siehe: Ene dene dorz)
Traditionelle Abzählreime und ihr Verbreitungsgebiet
Überregional
- [Ene, mene, miste, es rappelt in der Kiste,] ene, mene, muh und raus bist du ist ein Kinderspruch bzw. ein Abzählreim, der meist benutzt wird, um einen Beginner oder Ausscheider zu bestimmen. Oft wird er mit Raus bist du noch lange nicht, sag mir erst wie alt du bist! erweitert, um quasi einen Zufallsgenerator zu integrieren. Gewinner oder Verlierer ist derjenige, auf den zuletzt der Zeigefinger des Sprechers deutet.
- Little Joe, hockt auf'm Klo, hat den Finger im Popo, kriegt ihn nicht mehr raus, und du bist aus. („Bonanza-Variante“)
- Ene mene miste, es rappelt in der Kiste, ene mene meck, und du bist weg. Durch die Kindersendung Rappelkiste entstandene Variation des „Ene, mene, muh“-Abzählreims.
- Einer der bekanntesten Verse lautet:
- Eins zwei drei vier fünf sechs sieben,
- eine alte Frau kocht Rüben,
- eine alte Frau kocht Speck
- und Du bist weg.
- Ein etwas vulgärerer Vers lautet:
- Peter hat ins Bett geschissen,
- gerade aufs Paradekissen,
- Mutter hat's gesehen
- und Du musst gehen.
- Weitere Verse:
- Eine kleine Dickmadam
- zog sich eine Hose an.
- Die Hose krachte,
- Dickmadam lachte,
- zog sie wieder aus
- und du bist raus.
- Feuersalamander,
- Arsch auseinander,
- Arsch wieder zu
- und raus bist du.
- Ein bekannter Abzählreim aus den 1920er-Jahren als Reaktion auf den Serienmörder Fritz Haarmann:
- Warte, warte nur ein Weilchen,
- bald kommt der Haarmann auch zu dir,
- mit dem kleinen Hackbeilchen
- macht er Leberwurst aus dir.
- Dieser Reim erfuhr im Film M – Eine Stadt sucht einen Mörder seine künstlerische Verarbeitung :
- Warte, warte nur ein Weilchen,
- bald kommt der schwarze Mann zu dir,
- mit dem kleinen Hackbeilchen
- macht er Schabefleisch aus dir.
Kurpfalz
- Ene dene dorz, de Deiwel loßt en Forz, un loßt noch ener naus, un du bischt draus (Wie bei vielen pfälzischen Abzählreimen sind die ersten drei Worte eine Verballhornung von französisch un, deux, trois.)
- Modernere, hochdeutsche Form: Ene dene Dörzchen, der Teufel lässt ein Förzchen. Er lässt’s auf’n Kuchen – und du musst suchen!
Vorderpfalz
- Ene dene dorz, de Deiwel lossd en Forz, de Deiwel lossd en Drache schdeige, die Kordl is zu korz
Baden
- Rennfahrer Bibele hat em Arsch a Zwiebele, furzt`s wieder raus un du bisch draus.
Schwaben
- Enzele zenzele zizele zäh eichele beichele knäll.
- Enne denne dubbe denne, dubbe denne dalia, ebbe bebbe bembio, bio bio buff, und du bischt duss (draußen). (Wurde vertont durch Wolle Kriwanek)
Niedersachsen
- Ene mene mopel,
- wer frisst Popel,
- süß und saftig,
- für eine Mark und achtzig,
- für eine Mark und zehn
- und Du darfst gehn.
Ostfriesland
- Ene mene micken macken,
- eene Fru, de kunn nich kacken,
- nimmt 'n Stock,
- bohrt 'n Loch,
- schit 'n halben Heringskopp.
Berlin
- Ene mene mink mank pink pank
- ene mene acke backe eia peia weg.
Homburg (Saar)
- Ong dong dee ist ein alter Abzählreim aus Homburg (Saar). Er gehört zu der Gruppe der Abzählreime, die größtenteils aus einer Reihe Silben ohne eigentlichen Sinn bestehen. Relativ deutlich sind die ersten vier Silben Ong dong dee, kader... eine Verballhornung von un deux trois quatre. Viele Abzählreime beginnen mit Zahlen, die meistens von eins bis mindestens drei und maximal acht gehen.
Der vollständige Abzählreim lautet:
- Ong dong dee,
- Kader lemer see,
- Lemer sie, lemer so
- Die Kabell in Sandimo.
- Sandimo die Tebberie,
- Teberie die Kohlebrie,
- Ong dong dee.
Schweiz
- Piff, paff, puff und du bisch duss
- Aa zelle Bölle schelle, d’Chatz gaht'uf Walli-selle, chunt'si wider hei, hät'si chrummi Bei, piff paff puff und du bisch ehr und re-dlich duss.
Elsass
- Änne, dänne, Dindefass, Geh in d’Schuel un lehr din Sàch! Kummsch mer heim un kànnsch au nix. Krejsch mi’m Hewel dinni Wix!
Abzählreime gibt es nicht nur im deutschen Sprachgebiet, sondern mindestens auch im Englischen, Französischen, Katalanischen und Tschechischen.
Zusatzfunktion
Die Abzählverse besitzen zusätzlich eine tabubrechende Funktion die spielerisch aufgenommen und verarbeitet wird. Der deutsche Autor Peter Rühmkorf hat dies in seiner Sammlung von Versen dieser Art deutlich gemacht. Es werden sowohl gesellschaftliche als auch sexuelle Tabus, manchmal beides in einem Reim angetastet.
Als Beispiele mögen dienen:
- Vor dem Zweiten Weltkrieg:
- Harry Piel sitzt am Nil
- wäscht sein’ Stiel mit Persil.
- Nebendran sitzt Mia Mai,
- schüttelt ihm das linke Ei
- und du bist frei.
- In den 50er Jahren:
- Caterina Valente,
- hat ’n Arsch wie 'ne Ente,
- hat ’n Bauch wie 'ne Kuh
- und raus bist du.
Siehe auch
Literatur
- Peter Rühmkorf: Über das Volksvermögen, Exkurse in den journalistischen Untergrund. Reinbek bei Hamburg 1967.
Weblinks
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