Erdbeben in Wenchuan

Erdbeben in Wenchuan
Lage

Das Erdbeben in Sichuan (chin. 汶川大地震, Wènchuān dà dìzhèn „Großes Erdbeben von Wenchuan“) war ein schweres Erdbeben, das sich am 12. Mai 2008 um 06:28:01 UTC (14:28:01 Uhr Ortszeit) etwa 1550 Kilometer südwestlich von Peking in der chinesischen Provinz Sichuan ereignete. Die meisten Todesopfer wurden aus den Gebieten der Städte Mianyang, Deyang, Chengdu und Guangyuan gemeldet. Die Auswirkungen des Erdbebens waren selbst in Peking, Shanghai, Hanoi und Bangkok zu spüren. Das Beben beschädigte in Sichuan und den anliegenden Provinzen mehr als fünf Millionen Gebäude, und 5,8 Millionen Menschen wurden obdachlos.

Inhaltsverzeichnis

Details

Das Zentrum des Erdbebens (geographische Koordinaten: 31° 0′ 54″ N, 103° 21′ 54″ O31.015103.3657Koordinaten: 31° 0′ 54″ N, 103° 21′ 54″ O) befand sich knapp außerhalb des Sichuan-Beckens in der Großgemeinde Yingxiu (映秀镇) im Kreis Wenchuan des Autonomen Bezirks Ngawa der Tibeter und Qiang etwa 75 Kilometer nordwestlich der Millionenstadt Chengdu in neunzehn Kilometer Tiefe. Bei dem Beben handelte es sich um ein Erdbeben in geringer Tiefe. Solche Erdbeben verursachen tendenziell große Schäden. Es erreichte nach den Angaben des United States Geological Survey eine Magnitude der Stärke 7,9 Mw.[1] Nach dem Hauptbeben gab es eine Reihe von Nachbeben, von denen viele eine Magnitude größer als 4,5 aufwiesen.[2]

Tektonische Situation

Intensität des Bebens in der betroffenen Gegend

Das Erdbeben in Sichuan vom 12. Mai ereignete sich infolge einer Bewegung an der Longmenshan-Verwerfungszone am nordwestlichen Rand des Sichuan-Beckens. Sowohl die geographische Lage des Epizentrums als auch der Herdmechanismus stimmen mit einem Spannungsbruch entlang dieser Störungszone gut überein. Die Auswertungen deuten auf eine Bewegung auf der Beichuan-Störung hin, einem südöstlichen Element der Longmenshan-Verwerfungszone.[3]

Die seismische Aktivität in Mittel- und Ostasien ist durch die konvergente Plattenbewegung bedingt. Das Erdbeben spiegelte dabei die tektonische Spannungssituation wider, die aus der Bewegung der indischen Platte gegen die eurasische Platte resultiert. Die indische Platte schiebt sich jährlich etwa um 50 mm nach Norden. Diese Bewegung wird durch die Hebung des tibetischen Hochlandes und der Bewegung von Teilen der Erdkruste in dieser Zone in östlicher Richtung aufgefangen. Dabei wird Krustenmaterial des hochgelegenen westlichen Tibet-Plateaus langsam gegen die feste Kruste unterhalb des Sichuanbeckens und des südöstlichen China gedrückt.[4] Durch diesen Druck sind Überschiebungszonen wie die Longmenshan-Zone entstanden, an der das nach Osten ausweichende Material über den Westrand des Sichuan-Beckens geschoben wird.

Die betroffene Gegend wurde schon früher von destruktiven Erdbeben getroffen. Ein Erdbeben am 12. September 1850 mit der Magnitude 7,5 forderte 20.000 Opfer,[5] und ein Beben am 25. August 1933 mit einer Magnitude von 7,5 tötete mehr als 9.300 Menschen.[6]

Erdbeben seit 1900 in der Region mit einer Magnitude ≥ 7,0
Datum Uhrzeit Koordinaten Tiefe (km) Magnitude Lagekarte
1917-07-30 23:54 28° 0′ 0″ N, 104° 0′ 0″ O281047 7,3
1923-03-24 12:40 30° 33′ 11″ N, 101° 15′ 29″ O30.553101.2587 25 7,2
1933-08-25 07:50 31° 48′ 36″ N, 103° 32′ 28″ O31.81103.5417 25 7,3
1947-03-17 08:19 33° 0′ 0″ N, 99° 30′ 0″ O3399.57 7,5
1948-05-25 07:11 29° 30′ 0″ N, 100° 30′ 0″ O29.5100.57 7,2
1950-08-15 14:09 28° 30′ 0″ N, 96° 30′ 0″ O28.596.57 8,6
1955-04-14 01:29 29° 58′ 52″ N, 101° 36′ 47″ O29.981101.6137 10 7,5
1967-08-30 04:22 31° 37′ 52″ N, 100° 13′ 55″ O31.631100.2327 8,1 7,0
1973-02-06 10:37 31° 21′ 40″ N, 100° 30′ 14″ O31.361100.5047 6,6 7,4
2008-05-12 06:28 31° 0′ 54″ N, 103° 21′ 54″ O31.015103.3657 19 7,9
Quelle: United States Geological Survey

Folgen

Region Tote (Schätzung)[7]
Sichuan Mianyang 21.963
Ngawa 20.258
Deyang 17.121
Guangyuan 4.822
Chengdu 4.276
Nanchong 30
Ya'an 28
Suining 27
Ziyang 20
Meishan 10
Bazhong 10
Garzê 9
Leshan 8
Neijiang 7
Dazhou 4
Liangshan 3
Zigong 2
Luzhou 1
Guang'an 1
gesamt 68.636
Gansu 365
Shaanxi 122
Chongqing 18
Henan 2
Guizhou 1
Hubei 1
Hunan 1
Yunnan 1
Gesamtzahl (Schätzung): ≥ 69.197
Eine durch das Erdbeben zerstörte Straße

Nach offiziellen Angaben (Stand: 25. September 2008) wurden durch das Erdbeben 69.227 Menschen getötet und 374.643 verletzt, 17.923 weitere werden noch vermisst.[8] Es werden mehr als 80.000 Tote befürchtet,[9] der USGS gibt 87.652 Opfer an.[10] Durch das Erdbeben sind komplette Dörfer und Stadtteile eingestürzt, ganze Straßenzüge, Fabriken und Schulen brachen in sich zusammen.

Da sich in dem betroffenen Gebiet eine Vielzahl von Staudämmen befindet, haben die Behörden eine Überprüfung der Bauwerke angeordnet. Insbesondere am Min-Fluss geriet die Stabilität etlicher Staudämme in Gefahr. Am Kuzhu-Damm wurden Risse festgestellt, und am Zipingpu-Damm wurde zur Druckverminderung der Wasserspiegel gesenkt.[11] Der Drei-Schluchten-Damm wurde, nach offiziellen Pressemeldungen, durch die Erschütterungen nicht beschädigt.[12]

Das Erdbeben löste viele Erdrutsche und Steinschläge aus, wodurch Straßenverbindungen in der betroffenen Region blockiert wurden. Dadurch wurde die Evakuierung von Verletzen und der Zugang der Rettungsmannschaften und Hilfslieferungen erschwert. An mehreren Stellen bewirkten diese Erdrutsche den Rückstau von Flüssen, weil das jeweilige Flussbett durch die Erdmassen völlig blockiert wurde. Durch das steigende Wasser entstanden neue Bedrohungen, so durch das Ansteigen des Wasserstands über die Höhe der Blockade oder aber den wachsenden Druck auf die Blockade. Derartige Gefahrenstellen entstanden etwa am Jian Jiang oberhalb von Beichuan, wo deswegen die Überlebenden des Erdbebens und die Rettungsmannschaften höher gelegene Gebiete aufsuchten.[13] Das Bersten einer solchen Blockade hatte bei dem letzten folgenschweren Erdbeben in Sichuan 1933 zum Ertrinken von über zweitausend Personen geführt.

Nach Schätzungen der Behörden betraf die Gefährdung solcher Überflutungen zeitweise 750.000 Einwohner der Region. Einheiten der chinesischen Armee bereiteten deswegen die Sprengung solcher Barrieren vor, um den Abfluss des aufgestauten Wassers zu ermöglichen.[14]

Da viele der Opfer in den Trümmern verschüttet wurden und die Bergung der Leichen nur langsam vonstatten ging, stieg die Gefahr des Ausbruchs von Seuchen stark an.

Ein Eisenbahntunnel der Bahnlinie von Baoji nach Chengdu stürzte teilweise ein. Ein gerade hindurchfahrender Güterzug mit 27 Güterwaggons und 12 Tankwagen entgleiste. Ein Feuer brach aus und der Zug brannte aus.[15]

Zu den schwersten Erdbeben in China zählen das Beben von Tangshan 1976 und das Erdbeben in Shaanxi 1556.

Siehe auch

Einzelnachweise

  1. Magnitude 7.9 - EASTERN SICHUAN, CHINA (englisch). United States Geological Survey. Abgerufen am 12. Mai 2008.
  2. GFZ Potsdam - Earthquake Bulletin
  3. Rodolphe Cattin; Julia de Sigoyer, Manu Pubellier. Le séisme du Sichuan du 12 Mai 2008 Magnitude 7.9 (französisch). CNRS, Laboratoire de Géologie de l’Ecole normale supérieure. Abgerufen am 21. Mai 2008.
  4. H. Yao. Modeling crustal channel flow, crustal deformation and anisotropy with application to the Tibetan Plateau (englisch). Abgerufen am 14. Mai 2008.
  5. Xichang - lishishang de dizhenqu (Xichang - historisches Erdbebengebiet)
  6. Magnitude 7.9 - EASTERN SICHUAN, CHINA: Earthquake summary (englisch). United States Geological Survey. Abgerufen am 12. Mai 2008.
  7. 12时汶川地震造成34073人遇难 245108人受伤(中国网)更新 (chinesisch). news.sina.com. Abgerufen am 13. Juli 2008.
  8. Death toll from China's May earthquake remains unchanged at 69,227 (englisch). Xinhua. Abgerufen am 25. September 2008.
  9. AFP: Mehr als 80.000 Tote durch Erdbeben in China befürchtet (Zugriff am 24. Mai 2008)
  10. Historic Worldwide Earthquakes. Liste historischer Erdbeben, nach Datum sortiert. United States Geological Survey (englisch). Zugriff am 24. November 2008
  11. Petra Kolonko (15. Mai 2008). Erdbeben in Sichuan: Peking rechnet mit 50.000 Toten. Frankfurter Allgemeine Zeitung. Abgerufen am 15. Mai 2008.
  12. Erdbeben der Stärke 7,8 erschüttert China (12. Mai 2008). Abgerufen am 12. Mai 2008.
  13. Tausende fliehen aus Angst vor Riesen-Flutwelle. Spiegel Online (17. Mai 2008). Abgerufen am 17. Mai 2008.
  14. Sprengung soll Gefahr einer Flutwelle bannen. Neue Zürcher Zeitung (26. Mai 2008). Abgerufen am 26. Mai 2008.
  15. Clean-up starts on 11th tanker in No.109 tunnel (englisch). SINA (19. Mai 2008). Abgerufen am 19. Mai 2008.

Weblinks

Allgemeines

Schlagzeilen


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