Erzincan

Erzincan

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Erzincan
Wappen von Erzincan
Erzincan (Türkei)
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Basisdaten
Provinz (il): Erzincan
Koordinaten: 39° 45′ N, 39° 29′ O39.74638888888939.4913888888891185Koordinaten: 39° 44′ 47″ N, 39° 29′ 29″ O
Höhe: 1.185 m
Einwohner: 102.173[1] (2010)
Telefonvorwahl: (+90) 446
Postleitzahl: 24 000
Kfz-Kennzeichen: 24
Struktur und Verwaltung (Stand: 2011)
Bürgermeister: Yüksel Çakır (AKP)
Webpräsenz:
Landkreis Erzincan
Einwohner: 149.422[1] (2010)
Fläche: 1.622 km²
Bevölkerungsdichte: 92 Einwohner je km²

Erzincan (kurdisch Erzingan, armenisch Երզնկա Erznka) ist eine Stadt und Verwaltungssitz der gleichnamigen Provinz Erzincan im Osten der Türkei. Die Stadt hat 102.173 Einwohner und der Landkreis 149.422 Einwohner (Stand Ende Dezember 2010).

Inhaltsverzeichnis

Lage

Erzincan liegt auf dem Hochland Ostanatoliens in einer weiten Ebene am Nordufer des Flusses Karasu, der ostwärts fließend in den Euphrat mündet. An ihrer Nordseite wird die Ebene vom bis zu 3549 Meter hoher Gebirgszug Esence Dağları begrenzt, im Süden sind die ebenso steilen Vorberge des 3462 Meter hohen Mercan Dağları zu sehen. Durch die Talebene führt die Autobahn E 80 etwa zwei Kilometer südlich der Stadt vorbei, die Sivas, etwa 250 Kilometer westlich, mit Erzurum, 190 Kilometer östlich verbindet. Die nächstgelegene Kleinstadt in dieser Richtung ist Tercan. Nach Divriği (und weiter nach Sivas) besteht zwar eine kurvenreiche Bahnverbindung im Tal des Euphrat, der hier Fırat Nehri heißt, aber keine ausgebaute direkte Straßenverbindung. Ostwärts führt die Eisenbahnstrecke über Erzurum bis Kars. Die Schnellstraße nach Elazığ umgeht das Mercan-Gebirge und zweigt 35 Kilometer östlich der Stadt vom Tal des Karasu nach Süden ab.

Der Flughafen Erzincan liegt acht Kilometer südöstlich. Es gibt regelmäßige Verbindungen nach Ankara und Istanbul.

Klima

Erzincan hat ein kontinentales Klima. Die Sommer sind warm bis heiß und trocken. Die Winter sind rau und schneereich. Der meiste Niederschlag fällt im Frühjahr. Die Jahresniederschlagssumme beträgt ca. 480 mm und die Jahresdurchschnittstemperatur liegt bei 11 °C. Kältester Monat ist der Januar mit minus 3,3 °C, wärmste Monate sind der Juli und August mit ca. 22 °C.

Geschichte

Antike und Spätantike

Die Region gehörte in der zweiten Hälfte des 2. Jahrtausends v. Chr. zum hethitischen Reich, jedoch wurde bis heute keine hethitische Siedlung gefunden. Sagona will Erzincan mit Urussa gleichsetzen, dies beruht jedoch auf der veralteten Gleichsetzung von Kizwatna/Kizzuwatna mit dem Pontusgebiet.[2]

Nach dem Niedergang der Hethiter herrschten hier ab 900 v. Chr. die Urartäer. Im Jahre 1953 wurde in der Nähe der Stadt bei einer Grabung urartäische Funde gemacht. 600 v. Chr. erlangten die Meder die Oberherrschaft über Erzincan. Die Schlacht zwischen dem Mederkönig Kyaxares II. und den Lydern hat sich wohl in der Gegend um Erzincan abgespielt. Ab 550 v. Chr. wurden die Meder von den Persern abgelöst.

Im Jahre 70 v. Chr. unternahmen die Römer Feldzüge nach Ostanatolien und eroberten Erzincan. Aber kurze Zeit später (68 v. Chr.) konnte das Reich von Pontus das Gebiet um Erzincan den Römern abnehmen. In den folgenden Jahrhunderten gehörte Erzincan zu dem Gebiet, das zwischen dem Römischen Imperium bzw dem Byzantinischen Reich und den iranischen Reichen der Parther und Sasaniden umkämpft war. Im Jahre 629 konnten die Byzantiner unter dem Kaiser Herakleios Erzincan erobern.

Islamische Zeit

Während der islamischen Expansion konnte der arabische Feldherr Habib bin Mesleme Erzincan im Jahre 655 erobern. Mit dem Niedergang der Sasaniden kämpften jetzt die Byzantiner gegen die Araber in Ostanatolien. So musste 859 der Statthalter der Abbasiden in Malatya Omar bin Abdullah das Gebiet um Erzincan wieder von den Byzantiner zurückerobern.

Als im 11. Jahrhundert die Türken nach Anatolien kamen, schlugen diese unter König Alp Arslan 1071 die Byzantiner bei der Schlacht von Manzikert. Durch diesen Sieg konnten sich die Türken dauerhaft in Anatolien ansiedeln. Einer der Generäle Alp Arslans, Mengücek Ahmet Ghazi, erkundete und eroberte unter anderem das Gebiet von Erzincan. Er herrschte bald über das Gebiet von Erzincan, Kemah, Divriği und Şebinkarahisar. Kemah wurde sein Hauptsitz.

Seine Nachfolger begründeten das Beylik der Mengücek, das bis 1228 existierte. Unter den Herrschern der Mengücek und ganz besonders unter Fahrettin Bahram Schah, der zwischen 1165 und 1225 herrschte und Schwiegersohn des seldschukischen Sultans Kılıç Arslan II. war, erlebte Erzincan eine wirtschaftliche und kulturelle Blüte. Mit der Eroberung von Erzincan und Kemah beendete 1228 Kai Kobad I. die Herrschaft der Mengücek. Kai Kobad I. kämpfte wenig später 1230 in der Schlacht von Yassı Çemen in der Nähe von Erzincan gegen den letzten Choresm-Schah Dschalal ad-Din, der auf der Flucht vor den Mongolen mit seinem Gefolge nach Anatolien kam. Kai Kobad I. ging als Sieger aus der Schlacht hervor.

1240 eroberten die mongolischen Ilchane Erzurum und rückten auf Erzincan vor. 1243 besiegten sie die Seldschuken unter Kai Chosrau II. bei der Schlacht vom Köse Dağ. Die große armenische Gemeinde erlangte unter den Mongolen ab etwa 1260 eine gewisse Selbstbestimmung und die Wirtschaft blühte während dieser Zeit. Die Vertreter der Ilchane machten sich wenig später selbständig und gründeten 1335 das Beylik Eretna, das auch Erzincan umfasste. Handelsbeziehungen mit Venedig zeigen, dass Erzincan zumindest noch im gesamten 14. Jahrhundert wirtschaftlich erfolgreich war, die Waren wurden vom Mittelmeer über Malatya und Arapgir hertransportiert. Es dürften eine größere Zahl Europäer in der Stadt gelebt haben, die zum Zentrum eines großen Emirats geworden war.

Erzincan war im 14. Jahrhundert ständig zwischen den lokalen Fürstentümern, die teilweise die Unterstützung anderer großer Staaten hatten, umkämpft. Später erhoben sowohl die Osmanen als auch Timur Anspruch auf Erzincan. Timur besiegte die Osmanen unter Bayezid I. 1402 in der Schlacht bei Ankara und konnte so über den größten Teil Anatoliens regieren. Von 1402 bis 1410 hielten die Timuriden die Stadt in ihrem Besitz.

Die Osmanen konnten erst unter Fatih Sultan Mehmed II. wieder an Einfluss gewinnen. Zwischenzeitlich nahmen die Qara Qoyunlu 1419 Erzincan ein. 1455 eroberte Uzun Hasan die Stadt und die Qara Qoyunlu wurden von den Aq Qoyunlu verdrängt. Als am 11. August 1473 die Osmanen unter Mehmed II. Uzun Hasan bei der Schlacht von Otlukbeli besiegten, kam Erzincan unter osmanische Herrschaft.

1502 errichte der erste Safawiden-Schah Ismail in Erzincan ein Hauptquartier. Die Safawiden mussten jedoch nach der Schlacht von Tschaldiran 1514 Ostanatolien und damit auch Erzincan räumen, so dass die Osmanen wieder Erzincan kontrollierten und es zur Hauptstadt eines Eyâlets machten. Süleyman I. besuchte die Stadt zweimal, zum ersten Mal 1534, als er gegen Täbriz, die Hauptstadt der Safawiden, zog und ein weiteres Mal 1540, als er wieder gegen den Iran zog.

Über Hauptgeschäftsstraße und zentrale Wohnviertel nach Süden
Fußgängerzone im westlichen Zentrum
Weitläufige Wohngebiete im Norden

Vermutlich Ende des 17. Jahrhunderts verlagerte sich die Handelsroute zwischen dem westlichen Kleinasien und Persien weiter nach Norden, wodurch Erzincan seine Bedeutung verlor und ein großer Teil der Bevölkerung wegzog. Ende des 19. Jahrhunderts erfuhr die Stadt erneut einen Aufschwung, als das zuvor in Erzurum stationierte Hauptquartier einer türkischen Armeeeinheit hierher verlagert wurde.[3]

Zu Beginn des 20. Jahrhunderts war die Gegend auch von Armeniern bewohnt, die um 1915 ermordet oder vertrieben wurden. Ab den Sommermonaten des Jahres 1915 bis 1918 war Erzincan von russischen Truppen unter General Judenitsch besetzt.

Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs wurde die Stadt zur Garnison ausgebaut, ohne dass nennenswerte Industrie angesiedelt wurde. Ab 1960 und verstärkt um 1970 wanderten viele Einwohner nach Mitteleuropa aus. 1985 lebten etwa 85.000 Menschen in der Stadt und 139.000 in der Provinz. Bei einem Anteil der städtischen Bevölkerung von unter 40 Prozent war die Infrastruktur der Provinz agrarisch-ländlich geprägt. Bei Bevölkerungszahlen von 102.173 in der Stadt und 149.422 im Landkreis (2010) hat der Anteil der Stadtbewohner geringfügig zugenommen.

Erdbebenrisikogebiet

Erzincan gehört zu den Regionen mit dem höchsten Erdbebenrisiko (Gefahrenzone 1) in der Türkei. 1047 wurde die Stadt vollständig zerstört. Vom 15. bis zum 19. Jahrhundert gab es mehrere schwere Erdbeben mit Todesopfern in fünfstelligen Zahlen. Das größte Erdbeben im 20. Jahrhundert ereignete sich am 26. Dezember 1939 mit einer Stärke von M=8. Dabei starben 32.958 Menschen, etwa 100.000 wurden verletzt und 116.720 zerstörte Gebäude wurden gezählt. Die Stadt wurde danach einige Kilometer nordwestlich neu aufgebaut und der frühere Ort Eski Erzincan („Alt-Erzincan“) ist seitdem verlassen. Weitere Erdbeben in den folgenden Jahrzehnten richteten überwiegend nur geringe Schäden an.

1983 wurden 1331 Tote bei einem Erdbeben der Stärke M=5,8 und am 13. März 1992 wurden 653 Tote bei einem weiteren Erdbeben der Stärke M=6,8 gezählt. Tausende waren danach obdachlos. Zwischen 1939 und 1992 wurden insgesamt 19 Erdstöße registriert. Aus dem Jahr 1975 existiert eine Bauvorschrift, wonach für Gebäude in der Gefahrenzone 1 als Vorsichtsmaßnahme vor künftigen Erdbeben maximal zwei Stockwerke über dem Kellergeschoss zulässig sind. Laut einer Untersuchung nach dem Erdbeben von 1992 wurde die zulässige Stockwerkshöhe bei zahlreichen Häusern, auch bei öffentlichen Gebäuden überschritten.[4]

Eski Erzincan

Die Überreste der früheren Stadt liegen in der Nähe des Flughafens an der Straße nach Cağlayan. Die Stadtmauer, für deren Unterhalt bis zum 16. Jahrhundert gesorgt wurde, umschloss eine Fläche von etwa 200 × 150 Metern. Einzelne kurze Abschnitte in geringer Höhe lassen ihre Lage erkennen. An der Südwestecke blieb ein sechseckiger Wehrturm bis zur ersten Etage aufrecht stehen, 20 Meter nördlich ist ein großes Torgebäude aus osmanischer Zeit ebenfalls erhalten. Zwei breite Hamams mit flachen Kuppeldächern stehen in 50 Meter Abstand zwischen Gemüsefeldern. Eine weitere Gebäuderuine wird als Medrese angesprochen.[5]

Stadtbild

Durch die verheerenden Erdbeben im 20. Jahrhundert blieben keine älteren Gebäude und Sehenswürdigkeiten erhalten. Das Stadtbild ist geprägt durch in einem rechtwinkligen Raster angelegte Wohnquartiere, die von einigen Hauptstraßen und einem Gitter von Verbindungsstraßen erschlossen werden. Nur entlang der Hauptgeschäftsstraße und einer Parallelstraße wurden drei- bis maximal viergeschossige Wohnblocks mit Ladenzeilen im Erdgeschoss errichtet. Ansonsten überwiegen mit einer Ausnahme – den Bauvorschriften entsprechend – in der gesamten Stadt mit Ziegelwalmdächern gedeckte zweigeschossige Einfamilienhäuser oder Reihenhäuser für mehrere Parteien.

Hauptgeschäftsstraße ist die frühere Ortsdurchfahrt Sivas Erzurum Yolu, der Eisenbahnhof liegt einen Kilometer entfernt am südlichen Ortsrand. In Bahnhofsnähe befindet sich ein nach 2000 errichtetes weitläufiges Neubaugebiet, dessen uniforme Wohnblocks eine Höhe von fünf Stockwerken erreichen. Ein neuer Busbahnhof etwa drei Kilometer östlich der Stadt war Ende 2011 fast fertiggestellt.

Das Geschäftszentrum mit Läden für Waren des täglichen Bedarfs befindet sich zusammen mit einem offenen Lebensmittelmarkt im Zentrum der Stadt. Hierzu gehören auch Metall verarbeitende Kleinbetriebe und Fachgeschäfte für landwirtschaftliche Geräte. Nach Norden dehnen sich bis zum Ende der Talsohle weitläufige flache Wohngebiete des Mittelstands aus. In einem Viertel zwischen Hauptstraße und Bahnlinie im Südwesten verstecken sich hinter Mauern Billigbauten der Unterschicht. Dort weiter südlich produziert eine Zuckerfabrik. Auf einem Gelände südlich vom Bahnhof brennt eine Ziegelei in den Kammern eines etwa 50 Meter langen Ofengebäudes.

Weblinks

Einzelnachweise

  1. a b Türkisches Institut für Statistik, abgerufen 7. Juni 2011
  2. Antonio Sagona/Claudia Sagona: Archaeology at the North-East Anatolian frontier, I. A historical geography and a field survey of the Bayburt province. Ancient Near Eastern Studies 14, Louvain Peeters 2004, S. 28
  3. Thomas Alexander Sinclair: Eastern Turkey: An Architectural and Archaeological Survey. Vol. II. The Pindar Press, London 1989, S. 438–441
  4. Elke M. Geenen: Katastrophensoziologische Aspekte der Erdbebenkatastrophe in Erzincan am 13. März 1992. Institut für Soziologie der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel, 1993
  5. Sinclair, S. 426–430

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