Gravitation

Gravitation
Gravitation hält die Planeten auf ihren Bahnen um die Sonne (nicht maßstabsgetreu)

Die Gravitation (von lateinisch gravitas, Schwere), ist eine der vier Grundkräfte der Physik. Sie bewirkt die gegenseitige Anziehung von Massen. Gravitation besitzt unbegrenzte Reichweite und lässt sich nicht abschirmen. Namentlich in der Astronomie und Kosmologie spielt sie eine entscheidende Rolle für die Bahnen, die Form und die Entwicklung aller Himmelskörper. Sie bestimmt nicht nur die großräumige Verteilung der Materie im Universum, sondern auch z.B. die Umlaufbahn der Erde um die Sonne oder des Mondes um die Erde. Auf der Erde bewirkt die Gravitation, dass alle Körper, sofern sie nicht durch andere Kräfte daran gehindert werden, „nach unten“, also mehr oder minder exakt in Richtung des Massemittelpunkts der Erde, fallen.

In der klassischen Physik wird die Gravitation durch Kraftfelder beschrieben. Deren Feldstärke wird Gravitationsbeschleunigung genannt. Ausgehend von der Masse, die von dem Gravitationsfeld umgeben ist, lässt sich die Gravitationsbeschleunigung für jeden Punkt im Raum mit Hilfe des newtonschen Gravitationsgesetzes berechnen. Eine zentrale Rolle spielt dabei die Gravitationskonstante G. Sie ist die bisher am ungenauesten bestimmte physikalische Fundamentalkonstante. Das liegt daran, dass die im Labor erzielbaren Gravitationseffekte relativ schwach sind.

In der allgemeinen Relativitätstheorie wird die Gravitation durch eine Krümmung der vierdimensionalen Raumzeit beschrieben, bei der die räumlichen und zeitlichen Koordinaten als gleichberechtigt betrachtet und alle Änderungen im Rahmen dieser Theorie als geometrisches Problem behandelt werden.

Inhaltsverzeichnis

Geschichte

Das Konzept der Gravitation von Galilei und Hooke besitzt recht alte Vorläufer. Altindische Autoren führten den freien Fall auf eine Kraft zurück, die proportional zur Masse eines Objektes ist und in Richtung des Erdmittelpunkts wirkt. Aristoteles beschrieb die Erde als den Körper, der die Anziehung aller anderen Körper hervorruft. Der persische Astronom Muhammad ibn Musa erklärte im 9. Jahrhundert die Bewegungen der Himmelskörper durch eine Anziehungskraft. Al-Biruni übersetzte im 11. Jahrhundert die Werke der indischen Autoren ins Arabische und ins Persische. Sein Zeitgenosse Alhazen formulierte eine Theorie der Massenanziehung. Der Perser Al-Khazini stellte im 12. Jahrhundert die Vermutung auf, dass die Stärke der Erdanziehung abhängig vom Abstand zum Erdmittelpunkt ist und unterschied zwischen Masse, Gewicht und Kraft. Im 16. Jahrhundert beschrieb Galileo Galilei den freien Fall eines Körpers als gleichmäßig beschleunigte Bewegung, die unabhängig von seiner Masse oder sonstigen Beschaffenheit ist. Der englische Gelehrte Robert Hooke erklärte um 1670 die Wirkung der Gravitation mit Hilfe von „Gravitationstrichtern“ und erklärte, dass die Gravitation eine Eigenschaft aller massebehafteten Körper sei und umso größer, je näher sich zwei Körper zueinander befänden. Die Theorie, dass die Schwerkraft umgekehrt proportional zum Quadrat des Abstands vom Massezentrum ist, taucht 1680 in einem Brief Hookes an Newton erstmals auf.

Mathematisch wurde die Gravitation erstmals von Hookes Landsmann und Zeitgenossen Isaac Newton in seinen Principia beschrieben. Das von ihm formulierte newtonsche Gravitationsgesetz war die erste physikalische Theorie, die sich in der Astronomie anwenden ließ. Es bestätigt die bereits zuvor entdeckten keplerschen Gesetze der Planetenbewegung und lieferte damit ein grundlegendes Verständnis der Dynamik des Sonnensystems mit der Möglichkeit präziser Vorhersagen bezüglich der Bewegung von Planeten, Monden und Kometen.

Zur Erklärung der Gravitation im Sinne eines Prozessgeschehens wurden seit der Zeit Newtons bis zur Entwicklung der allgemeinen Relativitätstheorie im frühen 20. Jahrhundert eine Reihe mechanischer respektive kinetischer Theorien vorgeschlagen (siehe Mechanische Erklärungen der Gravitation). Eine der bekanntesten ist die von Fatio und Le Sage entwickelte Theorie der Le-Sage-Gravitation. Diese argumentiert, dass die Gravitationsanziehung zweier Körper auf der Abschirmung des aus Richtung des jeweils anderen wirkenden Drucks beruht. Im Zusammenhang hiermit stehen die Theorien eines Äthers als Vermittler von Wechselwirkungen (anstelle einer Fernwirkung), zu diesen Wechselwirkungen gehört auch der Elektromagnetismus. Eine der letzten dieser Theorien war die um 1900 entstandene Lorentzsche Äthertheorie, die schließlich von dem neuartigen Ansatz der einsteinschen Relativitätstheorie verdrängt wurde. In dieser 1916 unter anderem von Albert Einstein aufgestellten allgemeinen Relativitätstheorie (ART) wird die Gravitation auf eine geometrische Eigenschaft der Raumzeit zurückgeführt[1], die von jeder Form von Energie gekrümmt wird. Diese Theorie sagt Gravitationswellen voraus, nach denen seit einigen Jahren aufwändig gesucht wird. Das newtonsche Gravitationsgesetz ergibt sich dabei als Grenzfall für die Situation hinreichend schwacher Raumzeitkrümmung, wie etwa bei einem Planeten. Die Beschreibung des Universums, von starken Gravitationsfeldern wie sie beispielsweise bei Schwarzen Löchern auftreten können oder die Erklärung der Periheldrehung des Merkur und die Lichtablenkung im Gravitationsfeld sind jedoch allein der ART vorbehalten. Offen bleibt, ob sich die ART in Form einer Quantengravitation mit der Quantenphysik vereinigen lässt.

Gravitation auf der Erde

Schwerkraft auf der Erdoberfläche im Vergleich zum idealen Erdellipsoid (überhöht). Die Schwereanomalien können etwa ±0,02 Prozent erreichen, sind aber für die Geowissenschaften essentiell.

Wenn ein Körper keine Gravitation verspürt, dann ist – da die Reichweite der Gravitation unendlich ist – ihre Wirkung lediglich nicht bemerkbar. In der Erdumgebung heben sich beispielsweise in den sogenannten Lagrange-Punkten die Gravitationskräfte von Erde und Sonne und die Zentrifugalkraft der Bahnbewegung gegenseitig fast auf. Dies wird etwa für das Planck-Weltraumteleskop genützt. Wenn von „Schwerelosigkeit“ gesprochen wird, dann ist zumindest in Erdnähe gemeint, dass hier ausschließlich die Schwerkraft wirkt[2] und deshalb – wegen der fehlenden Gegenkraft – nicht bemerkbar ist. Das geschieht etwa bei einem freien Fall im Vakuum oder in einem Satellitensystem.[3]

Die Begriffe „Gravitationskraft“ und „Schwerkraft“ bzw. „Gewichtskraft“ bedeuten nicht dasselbe: Während bei der Gravitationskraft (und den damit zusammenhängenden Begriffen Gravitationsbeschleunigung, Gravitationsfeld oder -potential) nur die Massenanziehung eine Rolle spielt, fließt in die Schwer- bzw. Gewichtskraft (und die damit zusammenhängenden Begriffe Schwerebeschleunigung, Schwerefeld, Schwerepotential, oder speziell Erdschwerebeschleunigung und Erdschwerefeld) aufgrund der Erdrotation außerdem die Zentrifugalkraft (bzw. Zentrifugalbeschleunigung) mit ein. Gemeinsam ist ihnen, dass sowohl Gravitations- als auch Gewichts- bzw. Schwerkraft eines Körpers stets seiner Masse proportional sind.

Die mit der Masse der Erde verbundene Gravitation ist Ursache der Beschleunigung, die ein frei fallender Körper über der Erdoberfläche erfährt, wenn außer der Gravitation keine weiteren Kräfte auf ihn wirken. Nach dem weiter unten erläuterten Gravitationsgesetz von Newton ist die auf einen Körper wirkenden Gravitationskraft \vec F_G seiner Masse \ m und der Gravitationsbeschleunigung \vec g am Ort der Messung direkt proportional:

\vec F_G = m \vec g

Die Masse \ m hat keine Richtung. Sie ist ein Skalar. Deshalb wird die Richtung der Kraft \vec F_G allein durch die Richtung der Beschleunigung \vec g bestimmt.

Als Betrag der Gravitationsbeschleunigung |\vec g| ergibt sich auf der Erdoberfläche ein durchschnittlicher Zahlenwert von g = 9,81 m/s2, variiert aber wegen Erdabplattung, Zentrifugalkraft und Höhenprofil regional um einige Promille. Nach internationaler Konvention wurde ihr Standardwert auf g = 9,80665 m/s2 festgelegt.

Gravitation im Erdinnern nach dem seismischen PREM-Erdmodell, sowie Näherungen durch konstante und linear nach innen zunehmende Gesteinsdichte.

Veränderliche Schwerkraft auf der Erde

Dass der (beispielsweise mit einem Gravimeter) tatsächlich beobachtete Wert von |\vec g| in aller Regel von diesem Durchschnittswert abweicht, hat mehrere Gründe. An erster Stelle für solche Schwereanomalien stehen dabei Abweichungen aufgrund der Tatsache, dass die Erde keine perfekte homogene Kugel ist: Lokale Unterschiede in der Dichte des Untergrunds (z.B. Kontinentalplatten oder Meere) sowie die Abplattung der Erde zu einem Geoid ziehen örtliche Schwankungen der Gravitationsbeschleunigung von bis zu ±0,5 Prozent nach sich.

Ein weiterer Aspekt ist die Tatsache, dass zur real beobachteten Schwerkraft nicht nur die Gravitationskraft \vec F_G beiträgt, sondern infolge der Erdrotation auch eine Zentrifugalkraft, die mit der geografischen Breite variiert. Die verursacht die Erdabplattung, die immerhin 0,3 Prozent ausmacht (der Erdradius ist an den Polen um 21 km kürzer als am Äquator).
Gravitationsbeschleunigung und effektive Schwerebeschleunigung sind also nicht dasselbe, sondern nur am Nord- und Südpol ident, wo keine Zentrifugalbeschleunigung auftritt. Die effektive Schwerebeschleunigung nimmt von den Polen in Richtung Äquator um etwa 0,5% ab, wovon je die Hälfte auf die zunehmende Fliehkraft und auf den größeren Äquatorradius des Erdellipsoids entfallen.

Höheneffekt und Schwereanomalien

Als dritter Faktor kommt die Abhängigkeit der Gravitationsbeschleunigung vom Abstand \ r zur anziehenden Masse ins Spiel. Betrachtet man die Erde vereinfacht als Kugel, ist ihre Gravitation dieselbe, wie wenn ihre gesamte Masse im Erdmittelpunkt vereinigt wäre. Daher sinkt die Schwerkraft umso mehr, je höher der Ort eines Beobachters über dem Meeresspiegel liegt. In einem in 10 km Höhe fliegenden Verkehrsflugzeug verringert sich die lokale Fallbeschleunigung bereits auf etwa 99,7 Prozent des Ausgangswerts (an der Erdoberfläche), in einer Satellitenbahn von 200 km Höhe auf nur noch 94,0 Prozent.

Die Existenz solcher lokalen Unterschiede macht es folglich sinnvoll, stets von der Stärke der Gravitations- bzw. effektiven Schwerebeschleunigung |\vec g| am jeweiligen Ort der Messung zu sprechen, statt von „der“ Gravitations- bzw. Schwerebeschleunigung als solcher. Die Methoden, mit denen das lokale Schwerefeld der Erde vermessen wird, fasst man unter Gravimetrie zusammen.

Allgemein ist die Gravitationsbeschleunigung eines unregelmäßig geformten Körpers nicht an allen Raumpunkten auf seinen Schwerpunkt hin gerichtet. Das liegt daran, dass „nahe Massen“ für die Gravitationsbeschleunigung in Betrag und Richtung einflussreicher sind als „ferne Massen“. Somit ist auch bei einem System zweier oder mehrerer Himmelskörper das Gravitationsfeld im Nahbereich jedes Himmelskörpers, die sogenannte Gravisphäre, auf diesen hin ausgerichtet und nicht etwa auf den gemeinsamen Schwerpunkt, das Baryzentrum.


Newtonsches Gravitationsgesetz

Wenn ein Objekt mit einer der Erde vergleichbaren Masse zur Erde hin fallen würde, dann könnte man die resultierende Beschleunigung der Erde zum Objekt beobachten.

Das newtonsche Gravitationsgesetz in seiner vektoriellen Form besagt, dass sich die Gravitationskraft \vec F_G(\vec r), mit der sich zwei Massenpunkte (oder isotrope Kugeln) der Massen m1 und m2 anziehen, proportional zu den beiden Massen und umgekehrt proportional zum Quadrat ihres Abstandes r verhält und dabei außerdem (anders als z.B. die Coulombkraft zwei elektrische Ladungen) stets beide Massen zueinander hinzieht:

\vec F_G(\vec r) = -G \cdot \frac{m_1 m_2}{r^2} \cdot \vec e_{r} = -G \cdot \frac{m_1 m_2}{r^2} \cdot \frac{\vec r}{r} = -G \cdot \frac{m_1 m_2}{r^3} \cdot \vec r,

wobei \ G die Gravitationskonstante ist, deren Wert zum Beispiel mit einer Gravitationswaage ermittelt werden kann, und \vec e_{r} bzw. \textstyle \frac{\vec r}{r} den Einheitsvektor in radialer Richtung für den Fall bezeichnet, dass eine der beiden Massen im Zentrum des gewählten Koordinatensystems liegt.

Neben der vektoriellen Form kann das Gravitationsgesetz auch in seiner skalaren Schreibweise

 F_G(r) = -G \frac{m_1 m_2}{r^2}

ausgedrückt werden. Wieder ist \ G die Gravitationskonstante, \ r steht für den Abstand der beiden Massen \ m_1 und \ m_2 und das Minuszeichen drückt aus, dass die Gravitationskraft \vec F_G(r) bzw. \ F_G(r) stets entgegen der Richtung zunehmenden Abstands \ r wirkt.

Es ist sehr schwierig, im Labor die sehr geringe Gravitationskraft zwischen zwei bekannten Massen zu messen, um dadurch die Gravitationskonstante zu bestimmen.[4] Die Gravitationskonstante G ist diejenige Fundamentalkonstante der Physik, deren Wert bisher am ungenauesten bestimmt ist (nur auf vier Dezimalstellen).[5]

In diesem Zusammenhang besitzt vor allem das 1798 von Henry Cavendish in einem Labor durchgeführte Experiment historische Bedeutung für die Entwicklung der experimentellen und theoretischen Grundlagen der Gravitation.

Die Gravitationsbeschleunigung \ g in der Nähe eines Himmelskörpers der Masse M ist zum einen zu M proportional, zum anderen dem Quadrat des Abstandes zum Mittelpunkt von M umgekehrt proportional. Für \ g gilt damit die Definitionsgleichung

 g = G  \cdot \frac {M}{r^2}.

Den Wert der Gravitationskonstanten G kann man, sofern die Werte der übrigen Größen durch Messung bekannt sind, durch Umstellen obiger Gleichung nach G berechnen:

 G = \frac {g\cdot r^2}{M} = const.

Newtonsches Schalentheorem

Newton leitete die folgenden drei Theoreme aus seinem Gravitationsgesetz ab:

  1. Das externe Gravitationsfeld einer sphärisch-symmetrischen Massenverteilung ist gleich dem einer Punktmasse in der Sphärenmitte. Dies ist das wichtigste dieser drei Theoreme. Es gilt auch analog in der allgemeinen Relativitätstheorie, wo es als Birkhoff-Theorem bekannt ist.
  2. Eine Probemasse im Inneren einer sphärisch-symmetrischen Massenverteilung (Hohlkugel) erfährt keine Gravitationskraft von dieser. Daraus folgt: Die Gravitation an einem Punkt einer sphärisch-symmetrischen (kugelförmigen) Massenverteilung im Abstand r von ihrem Schwerpunkt ist gleich der Gravitation, die von der innerhalb dieses Radius liegenden Masse ausgeübt wird.
  3. Eine Testmasse innerhalb einer elliptischen Massenschale erfährt keine Gravitationskraft von dieser.

Das dritte Theorem Newtons stellt eine Verallgemeinerung des zweiten dar.

Gravitationsfeld

Durch Lösen der Poisson-Gleichung

\Delta \Phi(\vec r)= 4 \pi G \rho(\vec r)

erhält man das Gravitationspotential \Phi(\vec r) einer beliebig gewählten Massenverteilung \rho(\vec r). Über die Beziehung

\vec F(\vec r)=-m \nabla\Phi(\vec r)

kann anschließend das Gravitationsfeld bestimmt werden. Ähnlich wie in der Elektrodynamik das elektrische Feld über das gaußsche Gesetz bestimmt werden kann, lässt sich auch das gravitative Beschleunigungsfeld \vec g(\vec r) einer Massenverteilung bestimmen mit

\oint_A \vec g(\vec r) \mathrm d \vec A= - 4 \pi G M,

oder in differentieller Form und für allgemeine Massenverteilungen

\nabla \cdot \vec g(\vec r) = -4 \pi G \rho(\vec r).

Gemäß der klassischen Feldtheorie der Gravitation ist jede (schwere) Masse von einem Gravitationsfeld umgeben, in der allgemeinen Relativitätstheorie aber auch jede andere Energieform, also neben schweren Massen auch Licht- und Gravitationsenergie.

Allgemeine Relativitätstheorie

In der allgemeinen Relativitätstheorie wird die Gravitation nicht wie eine Kraft im Sinne der klassischen Physik behandelt. Die Theorie ist daher keine gewöhnliche Feldtheorie. Im Rahmen der allgemeinen Relativitätstheorie werden Raum und Zeit als Einheit durch eine vierdimensionale pseudo-riemannsche Mannigfaltigkeit beschrieben, die als Raumzeit bezeichnet wird. Die Raumzeit wird lokal durch die Anwesenheit von Energie (= Masse) gekrümmt. Ein Gegenstand, der nur dem Einfluss der Gravitation folgt, bewegt sich zwischen zwei Raumzeitpunkten (Ereignissen) stets entlang der längsten Verbindung, gemessen mit der vierdimensionalen Metrik (für flache Raumzeit ds2 = c2dt2 − dx2 − dy2 − dz2). Dort wo die Raumzeit flach ist, ist dies eine Gerade. Auf einer gekrümmten Mannigfaltigkeit spricht man allgemein von einer Geodäte. Die Gravitation lässt sich auf diese Weise auf ein geometrisches Phänomen zurückführen, für dessen Erklärung keine besondere Kraft mehr herangezogen werden muss. Im Gegensatz zu den Theorien der anderen Grundkräfte ist die allgemeine Relativitätstheorie also keine Eichtheorie mit unbeteiligter Hintergrundraumzeit, sondern die Raumzeit selbst ist der Gegenstand der Theorie.

In diesem Sinne reduziert die allgemeine Relativitätstheorie die Gravitationskraft auf den Status einer Scheinkraft: Auf einem Stuhl sitzend wird man nur scheinbar durch eine „Gravitationskraft“ zur Erde gezogen, weil man nicht wahrnehmen kann, dass man durch die Stuhlfläche von der längsten Bahn durch die von der Erdmasse gekrümmten Raumzeit abgedrängt wird. Die Kraft, mit der die Stuhlfläche einen Beobachter von seiner längsten Bahn durch die gekrümmte Raumzeit abdrängt, ist keine Scheinkraft. Sie geht zurück auf elektrostatische Abstoßung der Atome des Beobachters und des Stuhls. Nach der Sichtweise der allgemeinen Relativitätstheorie verschiebt sich also die Interpretation der Ereignisse. Während nach der klassischen Mechanik die Erde eine nach unten gerichtete Kraft auf den Beobachter ausübt und der Stuhl ihn nur in Ruhe hält, übt nach der allgemeinen Relativitätstheorie der Stuhl eine nach oben gerichtete Kraft aus, die den Beobachter konstant beschleunigt.

Senkrecht frei fallende Körper hingegen, aber auch Satelliten oder Parabelflüge folgen einer Geodäte durch die Raumzeit. Ihre Bewegungen werden in der Allgemeinen Relativitätstheorie als (netto) kräftefrei angesehen. Denn die Erdmasse beeinflusst durch die Raumzeitkrümmung lediglich die Definition davon, was z. B. im Sinne der Trägheit von Körpern oder für Strahlung „geradeaus“ bedeutet. Die tatsächliche Bahn durch die Raumzeit hängt außerdem ab von Randbedingungen wie Startort, -zeit und -geschwindigkeit und gegebenenfalls zusätzlicher Wechselwirkungen wie Elektromagnetismus.

Gravitation und Quantentheorie

Hauptartikel: Quantengravitation und Quantenfeldtheorie

Im Rahmen einer Quantenfeldtheorie wird die Gravitation in linearer Näherung durch den Austausch eines als Graviton bezeichneten masselosen Teilchens beschrieben, das den Spin 2 hat. Darüber hinaus führt schon die Formulierung einer Quantentheorie der Gravitation zu prinzipiellen Problemen, die bisher ungelöst sind. Auch die supersymmetrische Erweiterung führte bisher nicht zu einer konsistenten Theorie. Als derzeit aussichtsreichste Kandidaten gelten die Stringtheorie und die Loop-Quantengravitation. Ein wesentliches Ziel ist dabei, die Gravitation mit den übrigen Wechselwirkungen zu einer Großen Vereinheitlichten Theorie (GUT) zu vereinen, um somit eine Theorie zu formulieren, die alle Naturkräfte auf einmal beschreiben kann. Das bedeutet, dass die Gravitation, welche die Effekte der Quantenfeldtheorie nicht berücksichtigt, um diese erweitert würde. Im Rahmen der vereinigten Superstringtheorien, der M-Theorie, wird das Universum als 11-dimensionale Mannigfaltigkeit beschrieben. Dabei stellt der Teil des Universums, in welchem wir existieren, eine höherdimensionale Membran (D-Brane) dar, welche selbst in eine noch höherdimensionalere Mannigfaltigkeit eingebettet ist, in der noch weitere Branen schwingen könnten und somit parallele Raumzeiten innerhalb desselben Universums darstellen. In der M-Theorie werden die Gravitonen als geschlossene Strings dargestellt, welche nicht an die Grenzen einer Brane gebunden sind. Daher sind sie in der Lage, sich durch alle zusätzlichen Raumdimensionen auszubreiten und auch in andere Branen zu gelangen. Auf diese Weise wird die Stärke der Gravitation hinreichend abgeschwächt, so dass sie im Rahmen unserer 4-dimensionalen Erfahrungswelt als die schwächste der vier Wechselwirkungen erscheint.

Spekulationen im Umfeld der Gravitation

Im Bereich der Science-Fiction gibt es zahlreiche Konzepte einer gravitativen Abschirmung oder einer Antigravitation. Jenseits des Wissenschaftsbetriebs bzw. des wissenschaftlichen Mainstreams gibt es immer wieder Bemühungen, einen solchen Effekt nachzuweisen. Relative Bekanntheit haben Experimente von Quirino Majorana, der um 1920 eine abschirmende Wirkung durch schwere Elemente gefunden haben will[6] (entkräftet u. a. durch Henry Norris Russell[7]), und von Jewgeni Podkletnow, der (1995) bei rotierenden Supraleitern eine Abnahme der Gewichtskraft behauptete,[8] was allerdings ebenfalls nicht bestätigt werden konnten.[9][10][11]

Siehe auch

Anschauungsbeispiel auf dem Mond
  • David Randolph Scott, Commander der Mondmission Apollo 15 (1971), demonstriert anhand einer Feder und eines Hammers, die er im luftleeren Raum auf dem Mond fallen lässt, dass alle Körper unabhängig von ihrer Masse gleich schnell fallen.

Literatur

Weblinks

Wiktionary Wiktionary: Gravitation – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen
 Commons: Gravitation – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. Albert Einstein: Die Grundlagen der Allgemeinen Relativitätstheorie. In: Annalen der Physik. 4, 49. PDF
  2. Ludwig Bergmann, Clemens Schaefer: Lehrbuch Der Experimentalphysik: Mechanik, Relativitat, Wärme, Band 1. de Gruyter, 1998, ISBN 3110128705 (Eingeschränkte Vorschau in der Google Buchsuche).
  3. Walter Greiner: Klassische Mechanik I. Harri Deutsch, 2007, ISBN 978-3817118151 (Eingeschränkte Vorschau in der Google Buchsuche).
  4. Die Gravitation im Test
  5. CODATA Recommended Values. National Institute of Standards and Technology, abgerufen am 21. Juni 2011. Relative Unsicherheit 1,2 · 10-4
  6. Majorana, Q., (1920). “On gravitation. Theoretical and experimental researches”, Phil. Mag. [ser. 6] 39, 488-504.
  7. Russell, H.N. (1921). “On Majorana’s theory of gravitation”. Astrophys. J. 54, 334-346.
  8. American Anti Gravity, Podkletnov's Original Paper
  9. Li, N., Noever, D., Robertson, T., Koczor, R., and Brantley, W., "Static Test for a Gravitational Force Coupled to Type II YBCO Superconductors," Physica C, 281, 260-267, (1997).
  10. Woods, C., Cooke, S., Helme, J., and Caldwell, C., "Gravity Modification by High Temperature Superconductors," Joint Propulsion Conference, AIAA 2001-3363, (2001).
  11. Hathaway, Cleveland, & Bao. 2003. Gravity modification experiment using a rotating superconducting disk and radio frequency fields. Physica C. 385: 488-500.

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Synonyme:

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