Ferro-Meridian

Ferro-Meridian
Der Pfeil auf dem Bild weist auf die Lage der Insel Ferro. Die in der Nähe der Pfeilspitze verlaufende horizontale Linie ist der 30. Breitengrad

Der Meridian von Ferro, einer der kanarischen Inseln, war der seit der Antike bis 1884 in Europa am weitesten verbreitete Nullmeridian, zuletzt gekoppelt an den Meridian von Paris und – durch das Vorherrschen des Meridians von Greenwich auf Seekarten – beschränkt auf Landkarten. Nach dem Meridian von Ferro sind die Koordinaten zahlreicher Navigations- und Landkarten insbesondere vom 16. bis ins 19. Jahrhundert ausgerichtet.

Erstmals um 100 legte Marinos von Tyros die insulae fortunatae (Kanarische Inseln), das westliche Ende der damals bekannten Welt, als Referenzpunkt fest. Ihre Durchsetzung hat diese Festlegung jedoch der Übernahme durch den bedeutenden Astronomen Claudius Ptolemäus im Jahre 150 zu verdanken. Sie war jedoch von eher theoretischer Bedeutung, da Ptolemäus bei seiner Arbeit auf seine Heimatstadt Alexandria Bezug nahm, deren Lage er auf 60,5° festlegte, was keineswegs die richtige Lage der Kanaren wiedergibt. Mit dem Mittelalter und seinen Radkarten wurden Meridiane bedeutungslos, die Kanaren verschwanden aus der bekannten Welt Europas. Auch die späteren Portolankarten gaben keine geographischen Koordinaten wieder.

Mit der Wiederentdeckung der Kanaren im 14. Jahrhundert und der anschließend einsetzenden Renaissance griff man die Ptolemäischen Vorstellungen wieder auf und legte die westlichste Insel Ferro (heute El Hierro) als Nullmeridian fest. Im Zusammenhang mit den Entdeckungsreisen und der Errichtung von Sternwarten in Europa, zunächst noch ohne Linseninstrumente, stieg die Zahl konkurrierender Nullmeridiane ab dem 16. Jahrhundert an. Jedoch erlangten die meisten nur lokale oder nationale Bedeutung. Unterstützend für die Beibehaltung Ferros wirkte auch, dass der Meridian des Magnetpols, der zunächst als mögliche natürliche Definition des Nullmeridians erschien, offensichtlich nur wenig westlich lag. Ein weiterer Vorteil dieser Längenzählung waren positive Werte für ganz Europa. Im April 1634 wurde von einem Gelehrtenkongress aller seefahrenden Nationen der Nullmeridian von Ferro bestätigt und gleichzeitig nochmals genauer auf die Punta Orchilla, die Westspitze der Insel, festgelegt.

Der Fehler der Längenbestimmung hatte bis dahin bei mehreren Grad gelegen: Ptolemäus bestimmte die Längenerstreckung des Mittelmeeres zu 62°, Mercator gab sie 1554 mit 52° wieder, tatsächlich liegt sie bei 42°. Das ab ca. 1610 bekannte Fernrohr ermöglichte durch Beobachtung astronomischer Ereignisse, insbesondere der Jupitermondumläufe, für die ab 1668 Tabellen vorlagen, die Verringerung des Fehlers auf 10 bis 12 Minuten, bei gleichzeitiger Beobachtung am Bezugsort auf 2 bis 3 Minuten. Damit begann die Bedeutung gut ausgebauter Sternwarten am Bezugsmeridian weiter zuzunehmen. Vorläufer war Brahes Uranienburg gewesen, internationale Bedeutung erlangten besonders das Pariser Observatorium ab 1666 und das Royal Greenwich Observatory ab 1676, die alle schon aus praktischen Gründen auch zu neuen Meridiansystemen führten. Auf Ferro war die Errichtung einer großen Sternwarte nicht denkbar. Da der Ferro-Meridian dennoch nicht aufgegeben werden sollte, wurde nach Bestimmung der Längendifferenz zum Pariser Observatorium 1724 durch Louis Feuillée auf zwischen 19°52' und 20°06' die Festlegung von Ferro auf exakt 20° westlich vom Pariser Observatorium Konsens. Damit war der Nullmeridian von Ferro ein verdeckter Nullmeridian von Paris geworden. Bis dahin war mit einer Längendifferenz Paris–Ferro von 22,5° kalkuliert werden.

In der Folge wurden viele nationale Nullmeridiane durch Ferro ersetzt oder auf Ferro zurückgeführt, so dass ab Mitte des 18. Jahrhunderts nur noch Ferro und Paris einerseits sowie, zunächst in geringerem Umfang, Greenwich andererseits größere Bedeutung hatten. Kurz darauf, ab dem letzten Drittel des 18. Jahrhunderts, wurde auch auf See die zuverlässige Längenbestimmung möglich durch Aufnahme ausreichend genauer Monddistanzen in Mondtafeln und durch ausreichend genaue Chronometer. Damit wurden ebenfalls genaue Längenangaben auf Seekarten erforderlich. Da die Seemacht Großbritannien hier führend war, setzte sich auf Seekarten der Nullmeridian Greenwich durch. Erst 1884 wurde aufgrund dessen Greenwich als Bezugspunkt international als Empfehlung vereinbart und setzte sich dann auch sehr schnell durch, verbindlich wurde es auf der internationalen Weltkartenkonferenz 1913.

Auch nach Umstellung der Kartenwerke wurde der Nullmeridian von Ferro innerhalb der Vermessungsverwaltungen meist noch weiter verwendet. In Deutschland wurde der Nullmeridian von Ferro im Rahmen der Vorbereitungen zum Übergang der Landesvermessung auf Gauß-Krüger-Koordinaten 1923 durch den von Greenwich ersetzt. Dazu wurde von den bisherigen Längenwerten der gerundete Wert von 17° 40' abgezogen, um den bisherigen Blattschnitt der topografischen Karten beibehalten zu können. Die österreichische Landesvermessung beruht bis heute auf dem Nullmeridian von Ferro. Die Umrechnung zu Greenwich-Längen erfolgt mit dem

  • international genormten Wert von 17° 40' 00" (siehe auch Hermannskogel und Rauenberg),
  • während sich der ältere Wert von 17° 39' 46,02" aus der Europäischen Längenausgleichung von Theodor Albrecht (um 1890) ergeben hatte. Wegen einer absoluten Lotabweichung von 13–14" bei Wien und bei Berlin wurde aber letztlich der runde Wert festgelegt.

Literatur

  • Gustav Forstner: Längenfehler und Ausgangsmeridiane in alten Landkarten und Positionstabellen. Dissertation, Universität der Bundeswehr München, Fakultät für Bauingenieur- und Vermessungswesen, Studiengang Geodäsie und Geoinformation, Neubiberg 2005. (= Schriftenreihe / Studiengang Geodäsie und Geoinformation, Universität der Bundeswehr München, Heft 80. Auch online als pdf, ub.unibw-muenchen.de).

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