Finanzausgleich (Deutschland)

Finanzausgleich (Deutschland)

Mit Finanzausgleich umschreibt man das in der Finanzverfassung des Grundgesetzes geregelte finanzverfassungsrechtliche Ordnungs- und Verteilungssystem, das die Verteilung der Aufgaben und die finanziellen Beziehungen in Form von Ausgaben und Einnahmen zwischen den Gebietskörperschaften zum Inhalt hat.

Der kommunale Finanzausgleich ist in Deutschland verfassungsrechtlich verankert und sichert den Ländern, Gemeinden und Gemeindeverbänden nach Art. 28 Abs. 2 GG die finanziellen Grundlagen ihrer Selbstverwaltung.

Inhaltsverzeichnis

Arten

Dabei wird unterschieden zwischen dem primären und sekundären sowie dem horizontalen und vertikalen Finanzausgleich. Beim primären Ausgleich werden die zu transferierenden Steuererträge durch Gesetz zugewiesen, wobei genau geregelt wird, wer welchen Steueranteil erhält. Der sekundäre Finanzausgleich regelt sodann die Steuerumverteilung nach bestimmten Schlüsseln, um Härten des primären Ausgleichs zu vermeiden.

Der horizontale Finanzausgleich betrifft den Ausgleich mehrerer gleichgeordneter Einheiten untereinander (Land/Land), während der vertikale zwischen über- und untergeordneten Gebietskörperschaften stattfindet (Bund/Land, Land/Gemeinden). Dieses Verteilungssystem ist im GG für die einzelnen Arten des Finanzausgleichs wiederzufinden:

Art vertikaler Finanzausgleich horizontaler Finanzausgleich
primärer Finanzausgleich Art. 106 Abs. 3 + 4 GG Art. 107 Abs. 1 GG
sekundärer Finanzausgleich Art. 107 Abs. 2 Satz 3 GG Art. 107 Abs. 2 Satz 1+2 GG

Hieraus ergeben sich dann folgende systematischen Kombinationen. Der primäre/vertikale Finanzausgleich legt die Ertragszuweisung Bund/Länder fest, während im primären/horizontalen Finanzausgleich eine grundsätzliche Aufteilung der Landessteuern (zuzüglich Länderanteil an der Einkommen- und Körperschaftsteuer) unter den Ländern erfolgt. Beim sekundären/vertikalen Ausgleich kann der Bund auf die finanzschwachen Länder Bundes-Ergänzungszuweisungen verteilen, während der sekundäre/horizontale Finanzausgleich nach der primären/vertikalen Ertragszuweisung eine begrenzte Steuerumverteilung unter den Ländern zum Ausgleich der unterschiedlichen Finanzkraft der Länder vorsieht.

Urteile des Bundesverfassungsgerichts

Die finanzrechtlichen Leitlinien des GG wurden durch drei umfassende Urteile des BVerfG konkretisiert. Es forderte zunächst, dass durch ein Maßstäbe- und ein Finanzausgleichsgesetz die allgemein gehaltenen Bestimmungen des GG umgesetzt und im Detail festgelegt werden müssen, wobei dem Maßstäbegesetz Vorrang zukomme.[1] Zweck des Maßstäbegesetzes ist die Rationalisierung und Entpolitisierung des Finanzausgleichs auf dritter Ebene zwischen dem GG und dem Finanzausgleichsgesetz durch Konkretisierung der verfassungsrechtlichen Normen.

Das Finanzausgleichsgesetz wiederum dient der Ableitung der konkreten jährlichen Zuteilungs- und Ausgleichsfolgen und regelt damit ein Teilgebiet des staatsfinanzwirtschaftlichen Vorgangs, den man als Finanzausgleich bezeichnet.[2] Hierzu werden die Ausgleichsansprüche und die Ausgleichsverbindlichkeiten im Detail festgelegt. Es handelt sich dabei um die Frage, wie die Gesamtmasse der öffentlichen Einnahmen, insbesondere der Steuern, auf die verschiedenen Träger öffentlicher Aufgaben sachgemäß zu verteilen ist.

Minimal- und Maximalausgleich wurden verfassungsrechtlich durch Leitlinien des BVerfG auf der Grundlage finanzwissenschaftlicher Gutachten festgelegt. Die Urteile gehen detailliert sowohl auf die Mindesterfordernisse als auch die Grenzen des Ausgleichssystems ein und bestimmen konkret, wie der Verteilungsprozess verfassungskonform vorzunehmen ist. Einerseits darf das Ausgleichssystem nicht dazu führen, dass der Bund die Ergänzungszuweisungen dazu benutzt, leistungsschwachen Ländern eine überdurchschnittliche Finanzkraft zu verschaffen.[3] Die Solidarität zwischen den Gliedstaaten im Bundesstaat soll die Unterschiede mindern, aber nicht einebnen (Nivellierungsverbot).[4] Deshalb spricht das Maßstäbegesetz von der Annäherung der Finanzkraft (§ 6). Wo genau die Grenze liegt, bleibt weiterhin offen; eine Anhebung der finanzschwachen Länder auf 95 % der durchschnittlichen Länderfinanzkraft erschien aber dem BVerfG jedenfalls vertretbar.[5] Andererseits wurden zwar zusätzliche „Sanierungsbeiträge“ an die hochverschuldeten Stadtstaaten Berlin und Bremen verneint; dies jedoch nur mit dem Hinweis, dass eine Bundeshilfe noch nicht als einzig verbliebene Option zu erkennen und ein bundesstaatlicher Notstand nicht feststellbar sei.[6]

Ziele

Durch den jährlichen Finanzausgleich soll erreicht werden, dass die jeweilige Staatsebene bis hin zur Gemeinde angemessen - unter Berücksichtigung ihrer eigenen Steuereinnahmen - an den übrigen Steuereinnahmen beteiligt wird, damit sie die ihr zugewiesenen Aufgaben finanzieren und damit erfüllen kann. Dem horizontalen Ausgleich kommt die Aufgabe zu, die Ergebnisse der primären Steuerverteilung unter den Ländern zu korrigieren, soweit sie auch unter Berücksichtigung der Eigenstaatlichkeit der Länder aus dem bundesstaatlichen Gedanken der Solidargemeinschaft, des bündischen Einstehens füreinander, unangemessen erscheinen. Das bündische Prinzip ist zugleich Grundlage und Grenze der Hilfeleistungspflichten.[7] Außerdem ist der Finanzausgleich die wesentliche materielle Grundlage dafür, dass ein Insolvenzverfahren nach § 12 Insolvenzordnung bei Bund, Bundesländern und Gemeinden sowie bei den meisten Anstalten und Körperschaften des öffentlichen Rechts unzulässig ist. Damit wird deren Gläubigern das Insolvenz- und Repartierungsrisiko ihrer Forderungen abgenommen. Das wiederum ist die Grundlage für den Kommunalkredit der Kreditinstitute.

Finanzausgleich in anderen Staaten

Ein Finanzausgleichsystem besteht nicht nur in Deutschland. Auch andere Staaten verfügen über mehr oder weniger detailliert organisierte Ausgleichsmechanismen wie in Deutschland. Ein ähnlich detailliertes und verbindliches System weisen die Schweiz und Österreich auf, wo der Finanzausgleich wie in Deutschland verfassungsrechtlich verankert ist.

Einzelnachweise

  1. BVerfGE 101, 158, 215 aus 1999
  2. BVerfGE 1, 117 aus 1952
  3. BVerfGE 72, 330, 404 aus 1986
  4. BVerfGE 101, 158, 221 aus 1999
  5. BVerfGE 101, 158, 221
  6. BVerfGE 101, 158, 160
  7. BVerfGE 72, 330, 384, 386 f.

Literatur

  • Model/Creifelds: Staatsbürger-Taschenbuch. 32. Auflage, ISBN 3406552641.
  • Junkernheinrich (Hrsg.): Sonderbedarfe im bundesstaatlichen Finanzausgleich. Forum Öffentliche Finanzen Bd. 7. Berlin 2005. ISBN 3-929342-67-7
  • Henckel: Sonderlasten im bundesstaatlichen Finanzausgleich. Arbeitspapier Nr. 56, Schriftenreihe Finanzwissenschaftz / Betriebswirtschaftliche Steuerlehre / Wirtschaftsprüfung und Controlling. Trier 2002. ISBN 3-925851-84-4

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