- Flügel (Tasteninstrument)
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Der Flügel ist eine Bauform des Klaviers. Sein Korpus besteht u. a. aus dem die Saiten haltenden Rahmen und dem Resonanzboden und liegt waagerecht auf drei Beinen. Er erreicht mit diesen eine Gesamthöhe von rund 1,4 Meter.
Die geschwungene Korpusform ähnelt dem Flügel eines Flugtiers und gab dieser Klavierform den Namen. Am geraden Korpusende sind Klaviatur, Mechanik und Stimmstock untergebracht. Das Gehäuse ist oben mit einem Deckel abgedeckt, der sich aufklappen lässt, z. B. um den Schall besser austreten zu lassen. Die Konstruktion, an der die Pedale angebracht sind, heißt „Lyra“, da ihre Form bei älteren Instrumenten dem gleichnamigen griechischen Saiteninstrument nachgebildet ist.
Während die aufrechte Bauform des Klaviers, das Pianino, aus Platz- und Kostengründen vorwiegend in Privathaus und Schule zum Einsatz kommt, ist der „klangstärkere“ Flügel das Instrument für den professionellen und konzertmäßigen Bereich.
Die englische Bezeichnung für Flügel ist grand piano.
Die Flügelform war bereits beim Cembalo die Norm. Auf die andersartige Tonerzeugung spielt die Bezeichnung Kielflügel für dieses Instrument an.
Inhaltsverzeichnis
Bestandteile
Schematischer Aufbau
Korpus
Die geschwungene Form des Korpus verleiht dem Flügel seinen Namen. Der Korpus ist zusammen mit der Raste das tragende Element aller Bestandteile eines Flügels. Der Deckel des Flügels lässt sich – oft auch mehrstufig – öffnen und bei Bedarf auch abnehmen, je nachdem wie die Abstrahlung des Klanges gewünscht ist. Die sichtbaren Teile des Korpus werden heute meist mit einer Polyesterlack-Schicht (meistens schwarz, seltener weiß oder farbig bzw. farblos wenn das Gehäuse furniert ist) ausgestattet. Früher wurden die Gehäuse arbeitsaufwändig mit Schellack politiert.
Das Aufbringen des Polyesterlackes, auch „Flügellack“ genannt in mehreren Schichten und insbesondere das anschließende Schleifen und Polieren des Polyesters ist Spezialistenarbeit: sie ist wegen der entzündlichen Schleifstäube gefährlich und kann nur in besonders eingerichteten Werkstätten ausgeführt werden.
Gusseisenplatte
Die Gusseisenplatte ist das tragende Element im Inneren des Flügels. Sie hält eine durch die Saiten auf ihr lastende Zugkraft von 150.000 bis 250.000 Newton. Früher wurde sie ausschließlich in Sandformen gegossen, seit einigen Jahren wird sie auch im Vakuumverfahren hergestellt.
Resonanzboden
Der Resonanzboden, der maßgeblich zur Klangcharakteristik eines Instruments beiträgt, ist unterhalb der Saiten auf dem Resonanzbodenlager gelagert. Er besteht aus Fichtenholz (ca. 10 mm Stärke). Der Resonanzboden ist nach obenhin gewölbt. Seine Wölbung wird durch die an der Unterseite angebrachten Resonanzbodenrippen stabilisiert.
Stimmstock
Der Stimmstock befindet sich im vorderen Teil des Korpus und trägt die Stimmwirbel, mit welchen die Saiten gestimmt werden. Er wird aus schichtverleimtem Hartholz (Rotbuche, Ahorn) hergestellt. Bei modernen Flügeln ist der Stimmstock durch die gusseiserne Platte, in diesem Fall oft auch als Panzerplatte bezeichnet, überzogen. Dies dient zur verbesserten Haltung der Stimmung.
Klaviatur
Pro Oktave gibt es 7 Stammtöne und 12 Halbtonschritte. Für jeden Stammton (C-D-E-F-G-A-H) eine weiße Vordertaste (früher mit Elfenbein, heute mit Kunststoff belegt). Fünf kürzere schwarze Obertasten (auch heute bei qualitativ hochwertigeren Modellen noch aus Ebenholz). Flügel verfügen im allgemeinen über 88 Tasten, (7¼ Oktaven). Stuart & Sons in Australien baut Flügel mit 102 Tasten.[1]
Die schwarzen Tasten liegen nicht symmetrisch zwischen den weißen, die äußeren der drei sind seitlich nach außen versetzt, ebenso die zwei schwarzen nach außen, damit man beim Spiel besser dazwischenkommt. Die Tasten sind breiter als bei der Orgel.
Spielwerk
Das Spielwerk (die Flügelmechanik) überträgt die Kraft der Taste auf den Hammer, der die Saiten anschlägt. Die Hämmer bestehen aus einem Holzkern und einer unter Spannung darauf angebrachten verpressten Filztafel aus langfaserigen Wollfäden; sie schlagen die Saiten von unten an. Die Dämpfer werden kurz vor dem Anschlag von den Saiten gehoben. Nach dem Loslassen der Tasten kehren sie in die Ausgangsposition zurück und dämpfen dabei den Ton ab. Die Teile der Flügelmechanik werden aus Weißbuche, Ahorn, Birke, Schichtholz und teilweise auch aus Kunststoff gefertigt. Geschichtlich hat ca. 1700 Cristofori aus einer Cembalomechanik zum ersten Mal lederüberzogene Hämmerchen statt der Feder-Zupfkiele eingebaut, so dass man leise=piano und laut=forte spielen konnte: Das PianoForte war geboren. Sodann machte erst Sébastien Érard 1825 den nächsten Entwicklungsschritt der Flügelmechanik und baute die sogenannte Repetitionsmechanik, bei der am „Hammerröllchen“ gleichzeitig die „Stoßzunge“ und der „Schenkel“ anlagen, so dass eine Tonwiederholung mit minimaler Tastenbewegung möglich wurde. Diese Eigenschaft haben Mechaniken von (vertikalen) Klavieren nicht, sondern nur Flügel. Seit Erard hat es wohl punktuelle Verbesserungen der Mechanik gegeben, jedoch keinen wesentlichen Entwicklungsschritt.
Saiten
Ein Flügel hat etwa 230 Stahlsaiten. In Diskant und Mittellage jeweils 3 Saiten pro Ton (Saitenchor). Im Bassbereich 1, 2 oder 3 mit Kupferdraht (früher auch Messing- und Eisendraht) umsponnene Saiten pro Ton. Die Berechnung der Saitenmensur (Länge der Saiten, Stärke, Prozentuelle Auslastung, Spannung, ...) ist eine wesentliche, für die Klangcharakteristik des Instrumentes (z. B. die Inharmonizität) entscheidende Arbeit bei der Konstruktion eines Flügels.
Lyra und Pedale
Der Bauteil an dem die Pedale angebracht sind, heißt im Fachgebrauch „Lyra“, da seine Form bei älteren Instrumenten zunächst dem gleichnamigen griechischen Saiteninstrument nachgebildet war. Die Pedale beeinflussen den Klang des Tons:
- Mit dem rechten Pedal werden sämtliche Dämpfer von den Saiten abgehoben, so dass jeder Ton nach dem Anschlagen und Loslassen einer Taste weiterklingt. Außerdem schwingen die nun ungedämpften Saiten anderer Töne mit, was dem Klavier einen volleren, rauschenden, aber auch verschwommeneren Klang gibt.
- Das mittlere („Sostenuto-“)Pedal („Tonhaltepedal“) wurde von Steinway & Sons 1875 zum Patent angemeldet und wird heute von nahezu allen Flügelherstellern als Standard angeboten. Es dient dem Halten einzelner Töne. Die Dämpfer der zum Zeitpunkt des Pedaldrucks niedergedrückten Tasten bleiben oben – auch wenn die Tasten wieder losgelassen werden, während alle anderen Dämpfer ihre Position (auf den Saiten liegend) weiter behalten. Dieses Pedal findet vor allem in der Klaviermusik des 20. Jahrhunderts Gebrauch.
- Die Betätigung des linken Pedals („Verschiebungspedal“) verschiebt die gesamte Klaviatur mit Mechanik nach rechts, so dass die Hämmer nicht mehr alle drei Saiten eines Saitenchors treffen, daher auch die Bezeichnung una corda („eine Saite“). Außerdem treffen bei der Verschiebung andere Stellen des Hammerfilzes auf die Saiten. Diese Stellen am Hammerkopf werden bei manchen Herstellern auch speziell bezüglich des Klanges bei gedrückten linken Pedal (Verschiebung) „intoniert“ – also vom Fachmann (Intoneur) mit z. B. Intoniernadeln bearbeitet. Daraus resultiert eine veränderte Klangfarbe, sowie eine etwas geringere Lautstärke.
- Der Hersteller Fazioli bietet für sein Modell 308 ein viertes Pedal an, das wie das Piano-Pedal beim Klavier die Hämmer näher an die Saiten führt und so das Piano-Spiel erleichtert, ohne wie das linke Pedal die Klangfarbe zu verändern.
Bauweise
Flügel werden in vielen verschiedenen Größen gebaut. Eine nicht normierte Einteilung lautet:
- Stutzflügel (Länge: etwa 1,4 m bis 1,8 m)
- Studioflügel (Länge: etwa 1,9 m)
- Salonflügel (Länge: etwa 1,8 m bis 2,1 m)
- Halbkonzertflügel (Länge: etwa 2,1 m bis 2,4 m)
- Konzertflügel (Länge: etwa 2,4 m bis 3,06 m, die „klassische“ Konzertflügellänge ist etwa 2,75 m)
Die Bezeichnung „Stutzflügel“ für einen kurzen Flügel stammt aus dem 19. Jahrhundert, als das Musizieren zunehmend auch im Bürgertum üblich wurde und ein großer Bedarf an Instrumenten gegeben war. In den Schlössern der Adeligen war genug Platz für bis zu 3 m lange Hammerflügel, in den kleineren Wohnräumen der Bürger nicht. So wurden alte lange Instrumente kurzerhand abgeschnitten, gekürzt – „gestutzt“. Damit war natürlich auch eine Änderung der Besaitung – kürzere aber dickere Saiten – in der unteren Mittellage und im Bass notwendig, was natürlich dazu führt, dass ein wesentlicher Teil des klanglichen Vorteils gegenüber der Klavier-Bauform verloren geht. Verglichen mit diesem unterscheiden sich Flügel kürzerer Bauart jedoch immer noch in der Mechanik, der Form des Resonanzbodens, und der Klangabstrahlung. Der erste „Stutzflügel“ wurde von der Firma Ernst Kaps Klavierfabrik AG im Jahr 1865 gebaut. Die Breite von Flügeln beträgt generell zirka 150 cm.
Bekannte Hersteller
Bekannte Flügelhersteller sind (in alphabetischer Reihenfolge): Bechstein, Blüthner, Bösendorfer, Fazioli, Feurich, August Förster, Grotrian-Steinweg, Ibach, Kaps, Kawai, Carl Mand, Petrof, Pfeiffer, Sauter, Schiedmayer, Schimmel, Seiler, Steingraeber & Söhne, Steinway & Sons, Yamaha, Young Chang. Bis 1913 war Carl Julius Gebauhr in Königsberg i. Pr. einer der erfolgreichsten Klavierbauer in Deutschland.
Einzelnachweise
Siehe auch
Weblinks
Commons: Flügel – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien
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