Formalismusstreit

Formalismusstreit

Mit Formalismusstreit wird eine Phase der Kulturdebatte Anfang der 1950er Jahre in der DDR bezeichnet, die, staatlich initiiert, eine klare Abgrenzung der DDR-Kunst vom „westlich-dekadenten Kunstbetrieb“ zum Ziel hatte.

Inhaltsverzeichnis

Gegenstand

Inhaltlich zielte die Kampagne auf eine Abkehr von der Freiheit der Kunst, wie sie noch auf der ersten Zentralen Kulturtagung der SED vom 7. Mai 1948 gefordert worden war. Vor dem Hintergrund des beginnenden Kalten Krieges gab ein unter dem Pseudonym N. Orlow in der Täglichen Rundschau vom 20. Januar 1951 veröffentlichter Zeitungsartikel von Wladimir Semjonowitsch Semjonow den Anstoß: Wege und Irrwege der modernen Kunst. Darin sprach er sich gegen die antidemokratische Richtung der Modernisten, Formalisten, Subjektivisten und so weiter aus, wobei er Charles Crodel (abgebildet das Ölbild „Märchenerzähler“), Horst Strempel und Arno Mohr nannte. Dem war in der UdSSR auf einer Tagung des Zentralkomitees im Januar 1948 eine Formalismusdebatte über sowjetische Musik vorausgegangen. Der Kulturpolitiker Andrei Schdanow formulierte dabei, was unter Formalismus in der Musik zu verstehen sei, nämlich die Abwendung von der Volkstümlichkeit und vom Dienst am Volke sowie die Hinwendung zu „den rein individualistischen Empfindungen einer kleinen Gruppe auserwählter Ästheten“.[1]

Grundlage der Änderung war dann der Beschluss des 5. Plenums des Zentralkomitees (ZK) der SED vom 17. März 1951 gegen die Freiheit der Kunst: Kampf gegen Formalismus in Literatur und Kunst für eine fortschrittliche deutsche Kultur. Als Zielrichtung des Beschlusses nannte Otto Grotewohl:

„Literatur und bildende Künste sind der Politik untergeordnet, aber es ist klar, dass sie einen starken Einfluss auf die Politik ausüben. Die Idee der Kunst muss der Marschrichtung des politischen Kampfes folgen“

Unser rotes Blut siedet. In: Der Spiegel. Nr. 43, 1951, S. 30-32 (nur auszugsweise zitiert, online).

Daraufhin sprach sich auch Walter Ulbricht in seiner Rede vor der Volkskammer der DDR am 31. Oktober

„Wir wollen in unseren Kunstschulen keine abstrakten Bilder mehr sehen. Die Grau-in-Grau-Malerei, die ein Ausdruck des kapitalistischen Niedergangs ist, steht im schroffsten Widerspruch zum neuen Leben in der Deutschen Demokratischen Republik.“

Barbara Möller: Die DDR zahlte nach Quadratzentimetern. Hamburger Abendblatt, 28. Juli 2003, abgerufen am 23. Februar 2011.

Protestaktionen gegen die Unterdrückung fanden zum Beispiel in Halle an der Burg Giebichenstein, dem heutigen Sitz der Hochschule für Kunst und Design Halle statt. Die Folge der politischen Beschlüsse war eine Abwanderung der Künstler und Studenten.

Wladimir S. Semjonow wurde 1953 erster Hoher Kommissar der UdSSR in Deutschland. Im Januar 1954 wurde das Ministerium für Kultur der DDR gegründet, Johannes R. Becher wurde zum Minister berufen. Die alten Verwaltungsstrukturen wurden aufgelöst. Die Formalismuskonzeption verschwand aus den Leitlinien und Debatten.[2]

Siehe auch

Einzelnachweise

  1. Jan Knopf (Hrsg): Brecht Handbuch. J.B.Metzler, Stuttgart 2001, Bd. 1 S. 406 f
  2. Werner Mittenzwei: Das Leben des Bertolt Brecht oder der Umgang mit den Welträtseln. Suhrkamp, Frankfurt/M 1989 S.561f

Literatur

  • Elimar Schubbe (Hg.): Dokumente zur Kunst, Literatur und Kulturpolitik der SED. Stuttgart: Seewald Verlag 1972.
  • Verfemte Formalisten, Kunst aus Halle (Saale) von 1945 bis 1963, Hg.Dorit Litt, Kunstverein Talstr., Halle, 1998, ISBN 3-932962-03-6
  • Wolfgang Hütt: Gefördert. Überwacht. Reformdruck bildender Künstler der DDR. Das Beispiel Halle. Stekovics; Auflage: 1. 2004, ISBN 3-89923-073-6

Weblinks


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