Burg Giebichenstein

Burg Giebichenstein
Burg Giebichenstein
Gesamtansicht von Westen

Gesamtansicht von Westen

Entstehungszeit: 900 bis 1000
Burgentyp: Niederungsburg, Ortslage
Erhaltungszustand: Grundmauern, Bergfried
Ständische Stellung: Klerikale
Ort: Halle-Giebichenstein
Geographische Lage 51° 30′ 12″ N, 11° 57′ 14″ O51.50333333333311.95388888888987Koordinaten: 51° 30′ 12″ N, 11° 57′ 14″ O
Höhe: 87 m ü. NN
Burg Giebichenstein (Sachsen-Anhalt)
Burg Giebichenstein

Die Burg Giebichenstein ist eine Burg auf etwa 87 m über NN in Ortslage des Stadtteils Giebichenstein der Stadt Halle in Sachsen-Anhalt. Sie ist Bestandteil der Straße der Romanik. Auf ihrem Gelände befindet sich ein Teil des Kunstcampus der Burg Giebichenstein Kunsthochschule Halle. Die Burg Giebichenstein war die erste der in großer Zahl gebauten Burgen entlang der Saale. Die Stadt Halle besitzt mit der Burg Giebichenstein und der Moritzburg die älteste und die jüngste aller Saaleburgen.

Inhaltsverzeichnis

Alte Burg

Der historische Ort Giebichenstein lag zur Zeit des Fränkischen Reiches inmitten des Gaues neletici. Obwohl er nicht als Burgward benannt wurde, kann man davon ausgehen, dass er als wichtiger Herrschaftsort eine burgwardähnliche Funktion innehatte. Die Burgwardorganisation war der erste Versuch des deutschen Königs, die im 9. Jahrhundert eroberten slawischen Gebiete einer feudalen Ordnung zu unterwerfen. Die Wichtigkeit der an einer Handelsstraße und Salzquellen gelegenen Siedlung unterstreicht die Tatsache, dass Otto I. in Giebichenstein Urkunden ausstellte. 961 erfolgte die Ersterwähnung als „civitas, que Givicansten nuncupatur“, Hauptort des Gaues Neletici. In einer anderen Urkunde vom gleichen Tag wurde er „urbs videlicet Giviconsten cum salsugine“ genannt. Der Gau Neletici und Giebichenstein wurden dem Moritzkloster in Magdeburg übereignet. Aus dem Kloster ging 968 das neu gegründete Erzbistum Magdeburg hervor.

Mit den Bauten der heutigen Burg Giebichenstein hatte die Burg des 10. Jahrhunderts wenig zu tun. Ihr genauer Standort ist nicht sicher geklärt. Es ist jedoch wahrscheinlich, dass sie sich auf der Bergkuppe östlich der heutigen Befestigung auf dem als Alte Burg oder Amtsgarten bezeichneten Gelände befand. Die Erwähnung 1116 von castrum Givekenstein und die Nennung einer Burgkapelle beziehen sich wahrscheinlich auf die Alte Burg.

Für das junge Erzbistum Magdeburg hatte die Burg eine besondere Bedeutung, die sich heute nicht mehr zweifelsfrei erschließen lässt. So war sie Sterbe- bzw. Aufbahrungsort von drei Bischöfen, Bischof Adalberts 981, Bischof Taginos 1012 und im gleichen Jahr Bischof Walthards. Darüber hinaus diente sie dem König als Staatsgefängnis für Mitglieder des Hochadels. Unter den Gefangenen waren so bedeutende Personen wie Heinrich von Schweinfurt 1004, Adalbert von Este 1014–1018, Ernst von Schwaben 1027–1029 und Gottfried von Lothringen. Nicht zuletzt war dort auch Ludwig der Springer, der Landgraf von Thüringen wegen seines Mordes am Pfalzgrafen von Sachsen in Haft.

Burg Giebichenstein, Grundmauern des mittelalterlichen Wohnturms in der Oberburg
Burg Giebichenstein, freigelegte Fundamente des mittelalterlichen Palas

Die Bedeutung der Burg wird auch durch die Anwesenheit von Heinrich IV. 1064 auf der Burg unterstrichen. Friedrich I. Barbarossa berief 1157 die Fürstenversammlung auf die Burg ein, die den zur Durchführung der deutschen Ostexpansion geplanten Polenfeldzug vorbereitete.

Oberburg

Die entscheidende Umgestaltung der Herrschaft Giebichenstein vom Burgward zum landesherrlichen Territorium des Erzbistums Magdeburg erfolgte unter Erzbischof Wichmann (regierte 1152–1192). Wichmann urkundete seit 1154 mehrfach auf Giebichenstein. In diese Zeit datieren auch die ältesten ergrabenen Mauerreste auf der Oberburg. Auf dem vorher unbebauten Burgfelsen entstanden baueinheitlich Torturm, Ringmauer und Südturm. Neben dem engen Eingang durch den massiven romanischen Torturm existierte an der Ostseite offenbar ein zweiter Eingang. An der Südseite befand sich ein weiterer Turm. Für die Ringmauer wurde eine Höhe von mindestens 4,50 Metern ermittelt. Ansichten aus dem 16./17. Jahrhundert zeigen zwei übereinander gelegene Wehrgänge, die aber spätere Ergänzungen sein dürften. Ebenfalls in der zweiten Hälfte des 12. Jahrhunderts erbaute man an die Ringmauer angelehnt an der Nordseite einen Wohnturm und den Palas.

Der spätromanische Wohnturm, eventuell als Kemenate zu bezeichnen, hatte annähernd eine Grundfläche von elf Metern im Quadrat. Er war mit hohem Komfort ausgestattet und hatte eine im Mauerwerk eingebaute Treppe und Kamine. Bei der Ausgrabung fand man einen hohlen Pfeiler mit Vierpassöffnungen. dessen Funktion ungeklärt ist. Er zeugt aber neben anderem Bauschmuck von dem repräsentativen Aussehen des Bauwerkes. Der Eingang zum Wohnturm befand sich genau gegenüber dem Eingang zur Burgkapelle.

Man errichtete auch eine im Hof freistehende Kirche, die mit Sicherheit ebenfalls wie bei einer Residenz eines Kirchenfürsten üblich, repräsentativ ausgestattet war. Als Vergleichsbauwerke werden die Klosterkirche in Wimmelburg und die Kirche des Kollegialstiftes auf Schloss Seeburg angeführt.

Burg Giebichenstein, Torturm der Oberburg

Der prächtigste Bau der Oberburg war der Palas an der Nordseite mit einer Größe von 36×11 Metern. Auch dort wurde eine ungewöhnliche Fülle von Bauschmuck gefunden. Es wurden die Mauern von fünf Räumen ergraben, die alle vom Hof aus zugänglich waren. Vor dem Palas lag ein Arkadengang, der auch in den Obergeschossen den Zugang zu den dort befindlichen Räumen ermöglicht haben wird. Das Aussehen dieses Gebäudes kann man sich so wie die Palasgebäude der Runneburg und der Wartburg vorstellen.

Westlich von Kapelle und Wohnturm befand sich ein aus mehreren Gebäuden bestehender Baukomplex, über den es keine weiteren Überlieferungen gibt. Grundmauern und zwei Kellerräume von diesen Baulichkeiten haben sich erhalten.

1215 soll die Burg Giebichenstein durch Kaiser Friedrich II. belagert worden sein. Hintergrund dürfte der staufisch-welfische Thronstreit zwischen Kaiser Friedrich II. und Otto IV. gewesen sein. Der damalige Erzbischof Albrecht II. hatte sich auf die Seite der Welfen gestellt. Über den Ausgang der Kämpfe ist nichts bekannt, Otto IV. verlor aber zur damaligen Zeit die letzten Verbündeten und musste seine Ansprüche auf den Thron aufgeben.

Für die Zeit um 1260/66 sind Instandsetzungsarbeiten unter Erzbischof Ruprecht überliefert. Ein umfassender Ausbau der Burg erfolgte 1361 bis 1368 unter Erzbischof Dietrich. Östlich des Palas’ erbaute man ein repräsentatives Gebäude, das später einen südlichen Anbau erhielt. Die Burg wurde vom romanischen zum gotischen Baustil umgestaltet.

Von 1382 an war die Burg Giebichenstein Hauptresidenz der Erzbischöfe von Magdeburg. Von dort aus führten sie die Auseinandersetzungen mit der Stadt Halle um deren Unabhängigkeit. Seit 1369 stellten die Erzbischöfe dort fast alle Urkunden aus und seit 1402 verstarben alle Erzbischöfe auf der Burg.

Unterburg

Burg Giebichenstein, Kornhaus in der Unterburg
Burg Giebichenstein, südöstlicher Flankierungsturm in der Unterburg und Brauhaus

Unter den Erzbischöfen Günther II. und Friedrich III. wurde in den Jahren 1445 bis 1464 die Unterburg errichtet. Günther II. hatte vorher die Burgen Lauchstädt, Liebenau und Schkopau zur Finanzierung des Baus verkauft. Ein Vorgängerbau der Unterburg ist archäologisch nicht nachgewiesen. Es ist aber anzunehmen, dass eine Vorburg oder ein Wirtschaftshof für eine so wichtige Burg existiert hat. Die Ringmauer mit den Flankierungstürmen, der Burggraben und die innere Randhausbebauung entstanden in einem einheitlichen Bauprozess. Nur die östliche Ringmauer blieb, vom Torhaus abgesehen, frei von Gebäuden. In der Regierungszeit von Erzbischof Johannes entstand das frei auf dem Burghof stehende Kornhaus.

Schon wenige Jahre nach der Fertigstellung der Unterburg wendete sich das Schicksal der Burg. Erzbischof Ernst von Sachsen, Bruder des durch die Reformation bekannten Friedrich des Weisen, ließ in Halle eine neue Residenz, das bastionierte Schloss Moritzburg errichten. Nach dessen Fertigstellung 1503 verlor die Burg Giebichenstein ihre Funktion als Residenz und diente bis ins 20. Jahrhundert als Verwaltungssitz des großen Amtes Giebichenstein. Bereits um 1500 erhielten die Residenzgebäude eine funktionelle Umwidmung zu Wirtschaftszwecken. Das Brauhaus wurde südlich an den Westbau der Unterburg angebaut, das Mushaus am nördlichen Ende zur Brennerei umgebaut. 1514 zogen die Erzbischöfe endgültig in die Moritzburg um. Im 16. Jahrhundert verfiel die Oberburg immer mehr. Reparaturen wurden zum Teil nur noch mit Holz ausgeführt. Ein Merian-Stich von vor 1636 zeigt den Palas als eine Ruine.

Im Dreißigjährigen Krieg besetzten die Schweden die Burg. Während der Besetzung fiel die Oberburg und Teile der Unterburg einem verheerenden Feuer zum Opfer. Seit dieser Zeit wurde die Oberburg nicht mehr genutzt.

1706 wurde an der Ostseite der Unterburg das barocke Herrenhaus errichtet. Der Amtsmann Ochs ließ die steinerne Brücke bauen und gestaltete Burggraben und alte Burg in einen Park um.

Restaurierungen, heutige Nutzung

Burg Giebichenstein um 1900

Seit dem 19. Jahrhundert wurden verschiedentlich Reparaturen, Abrissarbeiten im Sinne der Denkmalpflege und Instandsetzungsarbeiten durchgeführt. Seit 1921 ist die Stadt Halle Eigentümerin der Burg. Sie richtete in der Unterburg eine Kunstgewerbeschule ein, die eng mit dem Bauhaus verbunden war. Direktor Paul Thiersch baute die Burg ab 1915 zur modernen staatlich-städtischen Kunstgewerbeschule im Sinne der Ideen des Deutschen Werkbundes um und stand mit Lehrern wie Charles Crodel, Hans Finsler, Gerhard Marcks, Johannes Niemeyer , Gustav Weidanz und Hans Wittwer mit dem nahen Bauhaus Dessau im Wettbewerb. 1933 wurden 13 Lehrkräfte und Werkstattmeister der Burg Giebichenstein – Werkstätten der Stadt Halle entlassen und die künstlerischen Bereiche geschlossen. Die handwerkliche Ausbildungsstätte wurde jedoch fortgeführt und nach 1945 reorganisiert. Im Jahre 1951 war sie vom sogenannten Formalismusstreit betroffen. Bis 1964 leitete die Schule der ehemalige Bauhäusler Walter Funkat. Sie wurde 1958 als Hochschule für industrielle Formgestaltung Halle anerkannt. Ab 1990 hieß sie Burg Giebichenstein Hochschule für Kunst und Design Halle, seit 2010 Burg Giebichenstein Kunsthochschule Halle. 2005 feierte die Schule ihr 90-jähriges Bestehen.

Aus Anlass der 1000-Jahr-Feier der Stadt Halle führte Hans-Joachim Mrusek umfassende Ausgrabungen auf der Oberburg durch. Sie führten zur vollständigen Freilegung der Ruine. Nach Beendigung der Grabungen entstanden auf dem Gelände ein Freilichtmuseum und ein beliebter Aussichtspunkt über das Saaletal.

Burg Giebichenstein mit heutiger Kröllwitzer Brücke bei Nacht
spätgotische Ringmauer der Unterburg mit Flankierungstürmen und Burggraben

Ludwig der Springer

Mit der Burg Giebichenstein ist eine Sage verknüpft. Der Landgraf von Thüringen, Ludwig der Springer, verliebte sich in Adelheid, die Gemahlin des Pfalzgrafen Friedrich von Sachsen. Ludwig tötete den Pfalzgrafen bei einer Jagd und heiratete Adelheid. Die Verwandten des Pfalzgrafen verlangten Genugtuung. So setzte Kaiser Heinrich IV. Ludwig auf dem Giebichenstein gefangen.

Der Sage nach befreite sich Ludwig durch einen kühnen Sprung in die Saale aus seiner Gefangenschaft. Später wurde er zwar wieder eingefangen, gelangte letztlich aber doch in Freiheit. Seine Tat sühnte er durch fromme Stiftungen. So gründete er zum Beispiel das Kloster Reinhardsbrunn in Thüringen.

Aus der Sage vom Sprung in die Saale entstand im 15. Jahrhundert der Beiname der Springer.

Literatur

  • Paul Burg: Der Giebichenstein. Gustav Moritz Verlag, Halle 1909.
  • Siegmar von Schultze-Gallera: Die Unterburg Giebichenstein mit Berücksichtigung der Oberburg und der Alten Burg. Otto Hendel Verlag, Halle 1913.
  • Hans-Joachim Mrusek: Die Funktion und baugeschichtliche Entwicklung der Burg Giebichenstein in Halle (Saale) und ihre Stellung im früh- und hochfeudalen Burgenbau. ungedruckte Dissertation, Weimar 1970.
  • Gerhard Billig: Die Burgwardorganisation im obersächsisch-meissnischen Raum. VEB Dt. Verlag der Wiss., Berlin 1989.
  • Reinhard Schmitt: Burg Giebichenstein in Halle/Saale. Deutscher Kunstverlag, München Berlin 1993.

Weblinks

 Commons: Burg Giebichenstein – Album mit Bildern und/oder Videos und Audiodateien

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