- Frankfurter Institut für Sozialforschung
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Das Institut für Sozialforschung (IfS) an der Johann Wolfgang Goethe-Universität in Frankfurt am Main wurde 1923 mitsamt dem zugehörigen Lehrstuhl als erste Forschungsstätte für den wissenschaftlichen Marxismus durch eine Stiftung des promovierten Volkswirtschaftlers, Kaufmanns und Mäzens Felix Weil gegründet. Gemeinsam mit Friedrich Pollock, einem Jugendfreund Max Horkheimers, entwickelte er die Konzeption des Instituts, das die „Kenntnis und Erkenntnis des sozialen Lebens in seinem ganzen Umfang“ fördern sollte. Seit 2001 wird das Institut an der Frankfurter Senckenberganlage von Axel Honneth geleitet.
Inhaltsverzeichnis
Geschichte
1920/30er Jahre
Das Institut, das am 22. Juni 1924 in der Viktoria-Allee (heute Senckenberganlage) eingeweiht wurde, leitete als erster Direktor der Austromarxist Carl Grünberg, der bis dahin als Professor für Staatswissenschaften an der Universität Wien tätig war und zu dessen Schülern Max Adler, Otto Bauer, Karl Renner und Rudolf Hilferding zählten. Die wichtigsten Mitarbeiter des Instituts in der Frühphase waren die beiden Hauptassistenten Friedrich Pollock und Henryk Grossmann (seit 1925 für den bereits Ende 1924 ausgeschiedenen Richard Sorge) sowie Karl August Wittfogel. Mit Grünberg kam auch sein Archiv für die Geschichte des Sozialismus und der Arbeiterbewegung in das Frankfurter Institut. Das Institut profilierte sich in den folgenden Jahren mit Forschungen zur Geschichte des Sozialismus und zur Wirtschaftsgeschichte. Ein wesentlicher Bestandteil der Institutsarbeit wurde die Zusammenarbeit mit dem Marx-Engels Institut in Moskau bei der Herausgabe der ersten Marx-Engels-Gesamtausgabe (MEGA).[1]
In den 1920er Jahren fand das Institut in der linksliberal republikanisch geprägten Stadt und Universität ein ideales Umfeld. 1931 übernahm der Philosophiedozent Max Horkheimer die Leitung des Instituts, die nach der Erkrankung Carl Grünbergs übergangsweise von Friedrich Pollock ausgeübt worden war. Horkheimer setzte andere Akzente als Grünberg. Die Interdisziplinarität der Fachwissenschaften aus Soziologie, Volkswirtschaft, Geschichte und Psychologie sollte eine philosophische Reflexion erhalten, die sich an den Fragestellungen einer Sozialphilosophie als Gesellschaftstheorie orientierte. Gemeinsam mit Leo Löwenthal, Friedrich Pollock, Erich Fromm und Theodor W. Adorno gab er ab 1932 die Zeitschrift für Sozialforschung (1932-39) heraus. Um die Jahreswende 1932/33 trat Herbert Marcuse dem Institut bei.
Im Sommer 1932 eröffnete das Institut eine Zweigstelle beim Internationalen Arbeitsamt in Genf, das ihm die Auswertung seiner reichhaltigen statistischen Materiaiien über die Wirtschafts- und Arbeitsmarktlage in den großen Industrieländern gestattete. Es lag in Horkheimers Absicht, mit diesem Schritt dem Institut zugleich "eine Art Not-und Ausweichquartier in dem rechtlich geordneten Nachbarland"[2] angesichts der heraufziehenden Nazidiktatur zu schaffen.
Nationalsozialismus und Exil
Mit der Machtübernahme der Nationalsozialisten änderte sich das kulturelle Klima. Ein Drittel des Lehrpersonals der Universität wurde aus rassischen und politischen Gründen ausgeschlossen, darunter führende Vertreter ihrer Fachgebiete. Stadt und Universität verloren die Träger ihrer liberal-republikanischen Kultur. Im März 1933 wurde das Institut geschlossen, im Juli erklärte es die Gestapo für aufgelöst. Das Gebäude des Instituts wurde schließlich während der Bombardierung Frankfurts im Zweiten Weltkrieg zerstört. Horkheimer hatte die heraufziehende Gefahr schon früh erkannt und seit seiner Übernahme der Geschäftsführung die Emigration des Instituts vorbereitet.
Der Sitz des Instituts wurde von Frankfurt über Genf und Paris an die Columbia University nach New York verlegt. Da auch die Gelder der Stiftung rechtzeitig ins Ausland transferiert werden konnten, waren die wirtschaftliche Fortexistenz des Instituts als Institute for Social Research (ISR) und die weitere Herausgabe der Zeitschrift für Sozialforschung, zuletzt fortgeführt als Studies in Philosophy and Social Science (1940-41) vorerst gesichert.
Nachkriegsgeschichte
1950 kehrte das Institut nach Frankfurt zurück und wurde als private Stiftung als ein Institut an der Universität geführt. Die förmliche Wiedereröffnung erfolgte am 14. November 1951. Leiter des Institutes war weiterhin Max Horkheimer. 1971 folgte ihm Ludwig von Friedeburg als geschäftsführender Direktor, der 2001 von Axel Honneth abgelöst wurde.
Theorie
Das IfS steht eng im Zusammenhang mit der von Theodor W. Adorno und Max Horkheimer begründeten Kritischen Theorie der Frankfurter Schule. Zu den Wissenschaftlern am IfS gehörten neben Adorno und Max Horkheimer auch Erich Fromm, Friedrich Pollock, Herbert Marcuse sowie später Jürgen Habermas.
Bis heute besteht im Institut Einigkeit darüber, dass der Schwerpunkt der Projekte auf die Analyse von „Paradoxien der kapitalistischen Modernisierung“ gerichtet sein soll. Das Institut arbeitet heute in verschiedenen Arbeitsgruppen an aktuellen Fragestellungen der kapitalistischen Gesellschaft. Das Forschungsprogramm soll in die Bereiche
- Strukturwandel der normativen Integration in kapitalistischen Gesellschaften,
- Kapitalistische Rationalisierung und Arbeit,
- Familialer Wandel und veränderte Sozialisationsbedingungen,
- Entbürokratisierung des Sozialstaates und politische Demokratie und
- Kulturindustrie und elektronische Medien
unterteilt, interdisziplinär die verschiedenen Aspekte der kapitalistischen Modernisierung und ihrer Widersprüche analysieren. Die Arbeit umfasst weiterhin die Fortentwicklung kritischer Gesellschaftstheorie auf methodologischer und philosophischer Ebene.
Literatur
- Max Horkheimer: Die gegenwärtige Lage der Sozialphilosophie und die Aufgaben eines Instituts für Sozialforschung. Frankfurter Universitätsreden. Frankfurt am Main 1931.
- Institut für Sozialforschung an der Johann Wolfgang Goethe-Universität Frankfurt am Main: Ein Bericht über die Feier seiner Wiedereröffnung, seine Geschichte und seine Arbeiten. Frankfurt am Main 1952.
- Schlüsseltexte der Kritischen Theorie. (Hg. von Axel Honneth und dem Institut für Sozialforschung), Wiesbaden 2005, ISBN 978-3-531-14108-4.
- Zeitschrift für Sozialforschung, Jahrgänge 1-9, 1932-1941 (Nachdruck), München: dtv, 1980, ISBN 3-423-05975-3
- Paul Kluke: Das Institut für Sozialforschung, in: Wolf Lepenies (Hrsg.): Geschichte der Soziologie, Band 2, Suhrkamp, Frankfurt am Main 1981, S. 390-429, ISBN 3-518-07967-0
- Rolf Wiggershaus: Die Frankfurter Schule. Geschichte, Theoretische Entwicklung, Politische Bedeutung. Deutscher Taschenbuch-Verlag, München 1997 (5. Aufl.). ISBN 3-446-13132-9
Weblinks
- Das Institut für Sozialforschung an der Universität Frankfurt am Main
Einzelnachweise
- ↑ http://www.trend.infopartisan.net/trd7899/t057899.html
- ↑ Paul Kluke: Das Institut für Sozialforschung, in: Wolf Lepenies (Hrsg.): Geschichte der Soziologie, Band 2, Suhrkamp, Frankfurt am Main 1981, S. 422f.
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