Georg Bernhard Bilfinger

Georg Bernhard Bilfinger
Georg Bernhard Bilfinger

Georg Bernhard Bilfinger (* 23. Januar 1693 in Cannstatt; † 18. Februar 1750 in Stuttgart) war ein württembergischer Philosoph, Baumeister, Mathematiker und Theologe. Bilfinger war nicht verheiratet.

Inhaltsverzeichnis

Herkunft und Studium

Bilfinger stammte aus einer Akademikerfamilie, sein Vater Johann Wendelin Bilfinger war Dekan in Cannstatt, später evangelischer Abt, seine Mutter Anna Kunigunde Bilfinger war Tochter des Hauptpredigers von Worms. Georg Bilfinger galt als handwerklich sehr begabt, folgte jedoch der Familientradition und wurde Gelehrter. Er besuchte die Klosterschulen in Blaubeuren und Bebenhausen und studierte ab 1709 im Tübinger Stift. 1711 folgte die Promotion zum Magister (der Freien Künste), danach ein Studium der Theologie. Bereits im Grundstudium interessierte sich Bilfinger für Mathematik, Geometrie, Pyrotechnik und Festungsbau. Die Mathematischen Wissenschaften vertrat in Tübingen damals Johann Conrad Creiling, der auch im Festungsbau kompetent war.

Bilfinger studierte des Weiteren ein damals weit verbreitetes Sammelwerk über Mathematische Wissenschaften, das der Hallenser Philosophieprofessor Christian Wolff (1679–1754) verfasst hatte: Die "Elementa Matheseos Universae" in fünf Bänden. Durch dieses Buch wurde Bilfinger zur intensiven Beschäftigung mit der Philosophie von Wolff und Leibniz gebracht. 1711 erwarb Bilfinger den Grad eines Magister Artium. Daran anschließend war ein Theologiestudium erst möglich.

Nach dem Examen wurde Bilfinger Vikar in Blaubeuren, danach Vilkar in Bebenhausen, Schlossprediger in Tübingen und schließlich, im Jahr 1715, Stiftsrepesentant, der ergänzende Lehrveranstaltungen abhielt.

Nach Tübingen zurückgekehrt, wurde Bilfinger 1721 außerordentlicher Professor (ohne Gehalt) der Philosophie an der dortigen Universität. 1724 kam dazu eine Professur für Moralphilosophie und Mathematische Wissenschaften an der "Hohen Fürsten-Schule zu Tübingen", die auch Collegium Illustre genannt wird. Dies war eine Art Adeligenkolleg, das in Tübingen neben der Universität bestand.

Wirken

Als Philosoph vertrat Bilfinger die sogenannte Leibniz-Wolffsche Philosophie. Ein Grundproblem dieser Philosophie war das Verhältnis von Seele und Körper. Aufgelöst wurde das Problem durch die These von der prästabilierten Harmonie: Man stellte sich vor, dass Seele und Körper sich verhalten wie zwei exakt gleich gehende, aber unabhängige Uhren.

Im Jahr 1724 veröffentlichte Bilfinger die bis dahin umfassendste Gesamtdarstellung der chinesischen Philosophie mit dem Titel Specimen doctrinae veterum Sinarum (Charakteristik der Lehre der alten Chinesen). Dieses Werk hatte insofern höchste Brisanz, als es gerade die Bezugnahme auf die chinesische Philosophie war, die im November 1723 zur Vertreibung Wolffs aus Halle geführt hatte. Seine Rede über die "Praktische Philosophie der Chinesen" (gehalten im Juni 1721) hatte in ganz Europa scharfen Protest ausgelöst. Wolff machte sich an die Arbeit, seine Rede mit einem ausführlichen Kommentar zu veröffentlichen, wobei er intensiv Bilfingers Werk studierte, um sich mit den Grundthemen konfuzianischen Denkens auseinanderzusetzen. Im Jahr 1725 veröffentliche Bilfinger das Werk Dilucidationes philosophicae (Erhellungen der Philosophie), in dem er Wolffs Deutsche Metaphysik zu erklären und zu verteidigen suchte. Dieses Werk zeugt von einer kreativen Integration chinesischer Denkfiguren, mit denen er Wolffs Denken zu erhellen versuchte. Kurz nach der Publikation wurde Bilfinger seiner Stelle enthoben, da seine Integration chinesischen Denkens in Lehre und Forschung den Kollegen zu gefährlich wurde.

Durch Vermittlung von Christian Wolff erhielt Bilfinger im Jahr 1725 eine (Forschungs-)Professur an der neu gegründeten Akademie in Sankt Petersburg. In St. Petersburg vertrat Bilfinger verschiedene philosophische Fächer (Logik, Metaphysik, Moral) und Physik. Dort traf er auf etliche Landsleute. Eine Abhandlung Bilfingers über die Schwerkraft, es handelt sich um die Abhandlung "De causa gravitatis physica generali disquisitio experimentalis...", erhielt 1728 einen Preis der Pariser Akademie der Wissenschaften.

Herzog Eberhard Ludwig von Württemberg versuchte dann Bilfinger nach Württemberg zurückzuholen. Die Russen ließen nach Ablauf der Fünfjahresfrist ihn in Ehren ziehen, versehen mit einer Jahresrente und mit der auswärtigen Mitgliedschaft in der Akademie. 1731 wurde Bilfinger also ordentlicher Professor der Theologie in Tübingen und gleichzeitig Prof. der Mathematischen Wissenschaften am Collegium Illustre. 1734 erfolgte die Berufung Bilfingers in den Geheimen Rat.

Beim Tod Carl Alexanders im Jahre 1737 war der Sohn und Nachfolger Herzog Carl Eugen noch minderjährig. Es wurde eine Vormundschaftliche Regierung eingesetzt, deren wichtigstes Mitglied – Georg Bernhard Bilfinger war. 1739 übernahm er noch den Posten eines Präses des Konsistoriums. Auch nach dem Regierungsantritt des neuen Herzogs Carl Eugens im Jahre 1744 blieb Bilfinger in seinen Ämtern und hatte weiterhin großen Einfluss auf die Regierungsgeschäfte.

Bilfinger konnte Württemberg aus dem "österreichischen Erbfolgekrieg" heraushalten. Er setzte sich für eine vorsichtige Anlehnung an Preußen ein und sorgte dafür, dass die herzoglichen Prinzen eine Zeit lang am Berliner Hof erzogen wurden.

Bilfinger verfasste und unterschrieb für Herzog Carl Friedrich das Pietismus-Reskript vom 10. Oktober 1743. Mit dem Pietismus-Reskript wurde den pietistischen Gemeinschaften ein bestimmter Freiraum in der Landeskirche zugestanden. Damit konnte der Pietismus innerhalb der Landeskirche wirken und sich entfalten. Darüber hinaus setzte sich Bilfinger auch für den Weinbau ein.

Literatur

  • Georgii Bernhardi Bilfingeri Varia in Fasciculos Collecta. Stuttgardiae Sumptibus Filiorum Beati Christophori Erhardti Anno 1743.
  • Eugen Schmid: Geheimerat Georg Bernhard Bilfinger (1693 – 1750), in: Zeitschrift für württembergische Landesgeschichte (N.F.) III. Jahrgang. 1939. Seiten 370 – 422.

Weblinks


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