Gerd Schultze-Rhonhof

Gerd Schultze-Rhonhof

Gerd Schultze-Rhonhof (* 26. Mai 1939 in Weimar) ist ein ehemaliger Generalmajor der Bundeswehr und geschichtsrevisionistischer deutscher Autor.

Inhaltsverzeichnis

Leben

Schultze-Rhonhof trat 1959 in die Bundeswehr ein und war von April 1985 bis September 1989 im Rang eines Brigadegenerals Kommandeur der Panzergrenadierbrigade 19 in Ahlen. Nach Beförderung zum Generalmajor war er von September 1991 bis September 1994 Kommandeur der 3. Panzerdivision in Buxtehude. Außerdem war er Territorialer Befehlshaber für die Bundesländer Niedersachsen und Bremen. 1996 wurde er aus der Bundeswehr verabschiedet.

Der Generalmajor a. D. sorgte besonders 1995 für Aufsehen, als er das Bundesverfassungsgericht wegen des sogenannten Soldaten sind Mörder-Urteils öffentlich kritisierte und deshalb die Bundeswehr verließ. Die Forderung Bischof Wolfgang Hubers, Martin Hohmann aus der CDU-Bundestagsfraktion auszuschließen, nahm er zum Anlass, aus der evangelischen Kirche auszutreten. Seit einigen Jahren tritt Schultze-Rhonhof als Publizist u. a. mit Arbeiten zur Vorgeschichte des Zweiten Weltkrieges in Europa hervor.

Im Mai 2006 trat er gemeinsam mit den umstrittenen Historikern Stefan Scheil und Walter Post auf einer Tagung der vom Bundesamt für Verfassungsschutz als rechtsextremistisch eingestuften[1] Verleger Wigbert Grabert und Gert Sudholt auf.[2] Nach einer Schulung des Südtiroler Schützenbundes, bei der Schultze-Rhonhof als Referent fungierte, leitete die Staatsanwaltschaft Bozen gegen die Teilnehmer Ermittlungen wegen des Verdachts auf Verletzung der Gesetze gegen die Einheit des italienischen Staates ein.[3]

Veröffentlichungen

In seinem Buch Der Krieg, der viele Väter hatte geht Schultze-Rhonhof davon aus, dass Adolf Hitler bis in den Herbst 1939 keinen Krieg riskieren wollte.[4] Er attestiert deshalb Polen mit der Ablehnung der deutschen „Verhandlungsangebote“ eine Mitschuld am Ausbruch des Zweiten Weltkriegs. Auch Großbritannien, Frankreich, die USA und die Sowjetunion seien massiv am Ausbruch des Zweiten Weltkriegs beteiligt gewesen, da sie letztlich Polen in den Krieg getrieben hätten. Zwar hätten die späteren Alliierten nach der Besetzung der Tschechoslowakei einen Kriegsgrund gegen Deutschland besessen, da der militärische Eingriff aber ausblieb, seien sie danach durch die „Friedenspflicht“ gebunden gewesen.[5] Obwohl er selbst angibt, dass er kein wissenschaftliches Buch geschrieben habe,[6] wirft er der deutschen Geschichtswissenschaft vor, im Falle der Analyse der Kriegsschuld mit einem „verengten Tunnelblick“ zu arbeiten.[7] Zudem behauptet er, dass amtliche Quellenbände wie die Akten zur deutschen auswärtigen Politik (ADAP) manipuliert worden seien[8] und die Geschichtswissenschaft und die deutschen Schulbuchverlage gezwungen seien, eine deutsche Alleinschuld am Zweiten Weltkrieg festzuschreiben.[9]

Das Buch ist insgesamt in vier Teile gegliedert und beginnt seine Darstellung mit der Ausgangslage des Ersten Weltkriegs und endet mit dem deutschen Angriff auf Polen, bzw. einer Beurteilung der Schuldfrage.

Im Anhang des 609-seitigen Buches werden insgesamt 178 Quellen- und Literaturverweise angegeben. Hierbei überwiegen revisionistische und rechtsextremistische Autoren (wie z. B. Gerhard Baumfalk, Hans Bernhardt, Friedrich Grimm, David L. Hoggan, Erich Kern, Paul Rassinier, Jacques Benoist-Méchin, Annelies von Ribbentrop, Heinrich Schulze-Dirschau), umstrittene Historiker, die die Präventivkriegsthese vertreten (wie z. B. Stefan Scheil, Werner Maser, Ernst Topitsch) und Publizisten aus dem rechtskonservativen Milieu (wie z. B. Franz Uhle-Wettler, Heinz Nawratil, Heinz Magenheimer, Dirk Bavendamm). Schultze-Rhonhof blendet in seiner Arbeit die geschichtswissenschaftliche Standardliteratur zum Ausbruch des Zweiten Weltkriegs aus.[10] Eine Auseinandersetzung mit dem internationalen Forschungsstand erfolgt somit nicht. Lediglich einige Schulgeschichtsbücher dienen ihm als Referenzrahmen. Ansonsten baut er seine Argumentation auf einer selektiven Auseinandersetzung mit bereits publizierten Aktenreihen zur auswärtigen Politik der kriegführenden Staaten auf.[11] Auf ungedruckte Quellen wird in Einzelfällen zurückgegriffen. Eine Recherche zu den von Schultze-Rhonhof genutzten Quellen hat bei einer Stichprobe zur Falsifizierung seiner Behauptung, zwischen „1933–1938 wären 557.000 Juden aus Polen nach Deutschland geflüchtet“, ergeben, dass er auf die unbelegten Aussagen eines ehemaligen NS-Pressesprechers als Primärreferenz verwiesen hatte. Diese wurden von ihm vorher an anderer Stelle ungeprüft übernommen.[12]

2008 veröffentlichte Schultze-Rhonhof seine Ansichten über „das tschechisch-deutsche Drama 1918–1939“, ein Buch mit dem Untertitel Errichtung und Zusammenbruch eines Vielvölkerstaates als Vorspiel zum Zweiten Weltkrieg.

Offen erklärtes Ziel Schultze-Rhonhofs ist es mit seinen Veröffentlichungen Schüler, Studenten und Lehrer zu erreichen,[13] um „den Gymnasial- und Universitätsbetrieb eines Tages in der Geschichtslehre von unten her“ neu zu gestalten.[14]

Rezeption

Seine Schriften zur Entstehung des Zweiten Weltkriegs sind in der Geschichtswissenschaft nicht rezipiert worden. Seine These, dass Hitler bis in den Herbst 1939 gegen einen Krieg mit Polen war, widerspricht allerdings deutlich der Mehrheitsmeinung in Forschung und Lehre. In größeren Tageszeitungen wie der Welt[15] und der Frankfurter Allgemeinen Zeitung[16] wurden Rezensionen abgedruckt, die beide von einer „Mythenbildung“ bzw. „Abstrusität“ des Buches sprechen. Die Rezension der FAZ betonte zudem, dass das Buch keinesfalls aufgrund seines nicht vorhandenen fachlichen Inhalts besprochen wurde, sondern aufgrund des geschichtsrevisionistischen Phänomens an sich. Eine Rezension von Stefan Scheil in der Wochenzeitung Junge Freiheit hingegen beurteilt Schultze-Rhonhofs Werk positiv.[17] Das Buch Das tschechisch-deutsche Drama 1918–1939 von 2008 wurde von Stefan Scheil ebenfalls positiv aufgenommen. Der Landesvorsitzende des Bayerischen Geschichtslehrerverbands, Willi Eisele, empfiehlt es ebenfalls als „lesenswert“.[18] Rainer F. Schmidt wies in der FAZ erneut darauf hin, dass Schultze-Rhonhof die „gesamte intensive Forschung zu diesem Komplex“ ignoriert habe und dessen „Drall ins Zwielicht des Revisionismus“ stattdessen „auf höchst zweifelhafte Literatur“ stütze. Hierbei bediene Schultze-Rhonhof „Klischees, die von rechtsradikaler Seite hochgehalten“ würden.[19]

Veröffentlichungen

  • 1939 – Der Krieg, der viele Väter hatte – Der lange Anlauf zum Zweiten Weltkrieg. 6. Auflage, Olzog Verlag, München 2003, ISBN 978-3-7892-8229-4; als Hörbuch, ISBN 978-3-937163-93-2.
  • Wozu noch tapfer sein?, Verlag Ingo Resch, Gräfelfing 1997, ISBN 3-930039-64-8.
  • Ein unvermeidlicher Krieg? – Der Weg zum 1. September 1939. VHS-Video-Dokumentation, ZeitReisen Verlag, Bochum 2007.
  • Zusammen mit Götz Kubitschek: Deutschland auf Augenhöhe. Götz Kubitschek im Gespräch mit Gerd Schultze-Rhonhof. Edition Antaios, Schnellroda 2007, ISBN 978-3-935063-63-0.
  • Gerd Schultze-Rhonhof: Das tschechisch-deutsche Drama 1918–1939. Errichtung und Zusammenbruch eines Vielvölkerstaates als Vorspiel zum Zweiten Weltkrieg. Olzog Verlag, München 2008, ISBN 978-3-7892-8365-9.

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Vgl. die Erwähnung Sudholts und des Grabert-Verlags im Kapitel „Rechtsextremismus“ im Verfassungsschutzbericht 2005, S. 128–130.
  2. Vgl. zur Tagung die DVD des ZeitreisenVerlags „Wollte Hitler den Krieg?“ (online).
  3. Andreas Speit: Der notorische Generalmajor. In: die tageszeitung. 17. Februar 2007, S. 26.
  4. Der Krieg, der viele Väter hatte. S. 442–446.
  5. Der Krieg, der viele Väter hatte. S. 564.
  6. Der Krieg, der viele Väter hatte. S. 13.
  7. Der Krieg, der viele Väter hatte. S. 11.
  8. Der Krieg, der viele Väter hatte. S. 11 f.
  9. Der Krieg, der viele Väter hatte, S. 13.
  10. Der Krieg, der viele Väter hatte. S. 567–577.
  11. Eigene Aussage Gerd Schultze-Rhonhofs während eines Vortrags
  12. Es bleibt dann am Ende eine Naziquelle!, in: Recherche Nord, abgerufen am 10. September 2009.
  13. http://www.vorkriegsgeschichte.de/
  14. Sezession Nr. 17, Ausgabe 5/2007, S. 17.
  15. Sven Felix Kellerhoff: Der Stoff, aus dem die Mythen sind. In: Die Welt vom 20. März 2003.
  16. Christian Hartmann: Im Generalsblick. Abstruses zur Vorgeschichte des Zweiten Weltkriegs. In: FAZ. Nr. 275 vom 26. November 2003, S. 8.
  17. Stefan Scheil: Differenzierte Betrachtungen. Gerd Schultze-Rhonhof stellt die immer noch brisante Frage nach den Ursachen des Zweiten Weltkrieges. In: Junge Freiheit. Nr. 35, 22. August 2003
  18. http://www.bglv-ev.de/index.php?pid=12&sub=1&id=42&ret_url=http%3A%2F%2Fwww.bglv-ev.de%2Findex.php%3Fpid%3D5%26sub%3D1%26items%3D100
  19. Adolf der Vertragstreue. In: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 6. Mai 2009, Nr. 104, S. 8.

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