Gerhard Ringel

Gerhard Ringel

Gerhard Ringel (* 28. Oktober 1919 in Kollnbrunn, Österreich; † 24. Juni 2008 in Santa Cruz, USA) war ein renommierter Mathematiker und Pionier im Bereich Kombinatorik und Graphentheorie.

Gerhard Ringel beim Surfen

Inhaltsverzeichnis

Leben und Wirken

Ringel wuchs in Böhmen auf (neben Deutsch sprach er auch fließend Tschechisch), machte in Braunau das Abitur und begann ein Mathematikstudium an der Karls-Universität Prag. Ab 1940 wurde er zum Militärdienst im Zweiten Weltkrieg eingezogen und war viereinhalb Jahre in sowjetischer Kriegsgefangenschaft (seitdem sprach er fließend Russisch). Nach der Rückkehr studierte er ab 1949 Mathematik an der Universität Bonn, wo er 1951 bei Emanuel Sperner promoviert wurde (Farbensatz für nicht orientierbare Flächen beliebigen Geschlechts).

Nach der Habilitation 1953 war er Dozent an der Universität Bonn, wo er ab 1956 lehrte.[1]. 1957 bis 1960 lehrte er an der Johann-Wolfgang-Goethe-Universität Frankfurt am Main (ab 1958 als Professor)[2]. Ab 1960 war er Professor an der FU Berlin (mit einer vollen Professur ab 1966). 1967 bis 1970 war er dort Vorstand des Mathematischen Instituts. 1969 ging er vor allem wegen der hochschulpolitischen Situation an der FU Berlin (Studentenunruhen) als Associate Professor an die University of California, Santa Cruz (UCSC), wo er schon 1968 Gastprofessor war. 1970 erhielt er dort eine volle Professur und war Direktor des zweiten mathematischen Instituts. 1972 bis 1984 war er Vorstand der mathematischen Fakultät. Ab 1990 war er Professor Emeritus. An der Universität von Santa Cruz war er als herausragender Lehrer bekannt.

Er veröffentlichte rund 80 wissenschaftliche Aufsätze und drei Bücher. Seine Forschungen wurden geehrt mit Ehrendoktortiteln von der Universität Karlsruhe (1983 in Politikwissenschaft) und der Freien Universität Berlin (1994).

In Zusammenarbeit mit J. W. T. Youngs bewies er 1968 die Heawood-Vermutung (nach Percy Heawood), der Verallgemeinerung des Vier-Farben-Satzes für Flächen beliebigen Geschlechts, allerdings nicht für das Geschlecht null, den Fall der Ebene oder Sphäre, von dem der Vier-Farben-Satz handelt. Die Heawood-Vermutung heißt seitdem Satz von Ringel-Youngs.

Genauer bewiesen sie, dass die minimale Zahl der zur Färbung beliebiger Landkarten auf einer orientierbaren Fläche Sp vom Geschlecht p > 0 benötigten Farben, auch chromatische Zahl χ(Sp) der Fläche genannt, durch die Formel

\chi(S_p) = \biggl\lfloor\frac{7 + \sqrt{1 + 48 p}}{2}\biggr\rfloor

gegeben ist. Dass die chromatische Zahl kleiner oder gleich der Zahl auf der rechten Seite ist, hatte schon Heawood 1890 bewiesen. Darauf, dass sein Beweis nicht auch die Gleichheit nachwies, machte Lothar Heffter 1891 aufmerksam. Heawood bewies diese nur für den Fall p = 1, den Fall des Torus, und Heffter bewies einige weitere Fälle. In seiner Dissertation bewies Ringel die Ungleichung für nichtorientierbare Flächen.

Er ist auch für einige Probleme in der Graphentheorie bekannt (Oberwolfach Problem, Ringel-Kotzig-Vermutung mit Anton Kotzig, Erde-Mond-Problem).

Neben seiner mathematischen Karriere war Ringel auch ein in der Fachwelt bekannter und geschätzter Entomologe und Schmetterlingssammler, der unter anderem in Afrika, Südamerika, Bali, Jamaika und Neuseeland seinem Hobby nachging und schon zu Lebzeiten seine umfangreiche Schmetterlingssammlung dem UCSC-Museum vermachte.[3]

Literatur

  • Rainer Bodendiek, Rudolf Henn (Herausgeber) Topics in Combinatorics and Graph Theory, Physica Verlag 1998 (Festschrift zum 70. Geburtstag mit Biographie)

Schriften

Weblinks

Einzelnachweise

  1. englischsprachiger Lebenslauf in American Men and Women of Science, Thomson Gale 2004, dort Assistant Professor in Bonn ab 1956. Wahrscheinlich ist Privatdozent gemeint.
  2. Biographie auf der Webseite seiner Tochter
  3. Schmetterlingssammlung von Ringel, pdf

Wikimedia Foundation.

Игры ⚽ Поможем написать курсовую

Schlagen Sie auch in anderen Wörterbüchern nach:

  • Gerhard Ringel — surfant Pour les articles homonymes, voir Ringel (homonymie). Gerhard Ringel (28 octobre 1919, à Kollnbrunn (Autriche …   Wikipédia en Français

  • Gerhard Ringel — haciendo surf. Ringel Gerhard (28 de octubre de 1919, en Kollnbrunn, Austria 24 de junio de 2008, en Santa Cruz, California) fue un matemático alemán, quien obtuvo su doctorado de la Universidad de Bonn en 1951. Fue uno de los pioneros en teoría… …   Wikipedia Español

  • Gerhard Ringel — (born October 28, 1919, Kolnbrunn, Austria. Died June 24, 2008, Santa Cruz, California) is a German mathematician who earned his Ph.D. from the University of Bonn in 1951. He is one of the pioneers in graph theory and contributed significantly to …   Wikipedia

  • Ringel — ist eine veraltete Maßeinheit im Bergbau, siehe Ringel (Bergbau) ein Ortsteil der nordrhein westfälischen Stadt Lengerich, siehe Ringel (Lengerich) Ringel ist der Familienname folgender Personen: Erwin Ringel (1921–1994), österreichischer Arzt… …   Deutsch Wikipedia

  • Ringel-Kotzig-Vermutung — Die Ringel Kotzig Vermutung ist eine Annahme über die Zerlegbarkeit von Graphen. Demnach lassen sich alle vollständigen Graphen mit 2n + 1 Knoten zyklisch in 2n + 1 Kopien eines beliebigen Baums mit n Kanten zerlegen. Die Ringel Kotzig Vermutung… …   Deutsch Wikipedia

  • Ringel (homonymie) — Cette page d’homonymie répertorie les différents sujets et articles partageant un même nom. Ringel: Ringel Gerhard Ringel Jean Désiré Ringel d Illzach Julius Ringel Catégorie : Homonymie …   Wikipédia en Français

  • Gerhard Henschel — (* 28. April 1962 in Hannover) ist ein deutscher Schriftsteller und Übersetzer. Inhaltsverzeichnis 1 Leben 2 Die Familienromane 3 Andere erzählerische Werke …   Deutsch Wikipedia

  • Gerhard von Schwerin — Gerhard Graf von Schwerin Naissance 23 juin 1899 Hanovre, Allemagne Décès 29 octobre  1980 (à 81 ans) Rottach Egern, Allemagne Origine Allemand Allégeance …   Wikipédia en Français

  • Gerhard O. Michler — (* 5. Mai 1938 in Braunschweig) ist ein deutscher Mathematiker, der sich mit Darstellungstheorie und Gruppentheorie beschäftigt. Michler wurde 1965 an der Johann Wolfgang Goethe Universität Frankfurt am Main bei Reinhold Baer promoviert (Radikale …   Deutsch Wikipedia

  • Gerhard Engel — Pour les articles homonymes, voir Engel. Gerhard Engel …   Wikipédia en Français

Share the article and excerpts

Direct link
Do a right-click on the link above
and select “Copy Link”