Lothar Heffter

Lothar Heffter

Lothar Wilhelm Julius Heffter (* 11. Juni 1862 in Köslin; † 1. Januar 1962 in Freiburg im Breisgau) war ein deutscher Mathematiker.

Inhaltsverzeichnis

Familie

Heffter entstammt einer weit verzweigten Gelehrtenfamilie. Sein Großvater war der preußische Kronsyndikus August Wilhelm Heffter. Sein Vater war Justizrat Werner Heffter, der ihn nach dem Tod seiner leiblichen Mutter nach seiner Geburt allein erzog. Aus zwei weiteren Ehen seines Vaters entstammen seine drei Halbgeschwister (Julie, geb. 1872, Else und Wilhelm, geb. nach 1873).

Aus Lothar Heffters erstern, 1888 geschlossenen Ehe mit Melie Heffter (geb. Zwenger, Schwester der dritten Frau seines Vaters) gingen die vier Kinder Lotte (geb. 1889), Werner (geb. 1891), Konstantin (geb. 1893) und Roland (geb. 1900) hervor. Nach dem Tod seiner ersten Frau 1913 heiratete er 1924 seine ehemalige Doktorandin Gertraude Osann (geb. Siehl); dieser Ehe entstammte die Tochter Eva (geb. 1926).

Ausbildung und Beruf

Er studierte von 1881 bis 1886 Mathematik und Physik bei Lazarus Immanuel Fuchs und Carl Koehler in Heidelberg und Berlin. 1886 wurde er in Berlin bei Fuchs mit der Arbeit Zur Integration der linearen homogenen Differentialgleichungen zweiter Ordnung promoviert. Seine Habilitation erfolgte 1888 an der Universität Gießen mit der Arbeit Zur Theorie der linearen homogenen Differentialgleichungen. 1891 wurde er daraufhin außerordentlicher Professor in Gießen und 1897 außerordentlicher Professor an der Universität Bonn.

Ordentlicher Professor war er ab 1904 an der RWTH Aachen, ab 1905 an der Universität Kiel und ab 1911 an der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg, der er 1917 als Prorektor (offizieller Rektor war der badische Großherzog Friedrich II.) vorstand. 1931 wurde er emeritiert.

Wirken

Heffter forschte in der Theorie der linearen Differentialgleichungen, der Funktionentheorie und der analytischen Geometrie. Die Theorie linearer Differentialgleichungen seines Lehrers Lazarus Fuchs wurde in seinem Lehrbuch erstmals im Zusammenhang dargestellt. Er untersuchte 1891 auch Fragen des Vierfarbensatzes auf Flächen beliebigen Geschlechts, wobei er den vorgeblichen Beweis von Percy Heawood kritisierte, der dann wieder zur Vermutung wurde und erst durch Gerhard Ringel bewiesen wurde.

Sein Hauptanliegen war die Popularisierung der Mathematik, die bis ins frühe 20. Jahrhundert eine abstrakte, Wissenschaftlern vorbehaltene Kunst war. Diesem Ansinnen entsprangen seine beiden Werke Was ist Mathematik – Unterhaltung während einer Seereise sowie „Rechts“ und „Links“ und unsere Vorstellung vom Raum.

1933 trat er vom Vorsitz des von ihm 1925 erfolgreich gegründeten Verbandes der Freunde der Universität Freiburg zurück, nachdem es ihm nicht gelungen war, für den von der NSDAP geforderten Ausschluss der jüdischen Mitglieder eine für alle erträgliche Lösung durchzusetzen.

Neben seiner intensiven Forschungs- und Publikationstätigkeit war er jedoch vor allem als begnadeter Redner, Lehrer und Pädagoge geschätzt. Lehrtätigkeit war für ihn nicht notwendiges begleitendes Übel des Professorenberufs, sondern integraler Bestandteil und seine eigentliche Berufung. So vertrat er als Hochschulprofessor und Rektor sogar im Ersten Weltkrieg in den Krieg ziehende Gymnasiallehrer in ihrem Schulunterricht und nahm während des 2. Weltkrieges, inzwischen 80-jährug und über 10 Jahre nach seiner Emeritierung, vorübergehend wieder seine lehrende Tätigkeit an der Universität wahr.

Neben seiner mathematischen Tätigkeit war Heffter passionierter Jäger. Die Stille in seinem Jagdrevier bei Sankt Peter zog ihn – allein, mit Kollegen, Freunden oder Familie – oft in sein Refugium den Schwarzwald. Dort oben ist auch die Mehrzehl seiner Werke ab 1911 entstanden.

Ehrungen und Mitgliedschaften

Schriften

  • Zur Integration der linearen homogenen Differentialgleichungen zweiter Ordnung. Dissertation, Berlin 1886.
  • Zur Theorie der linearen homogenen Differentialgleichungen. Habilitation, Gießen 1888.
  • Ueber das Problem der Nachbargebiete. Mathematische Annalen Bd.38, 1891.
  • Einleitung in die Theorie der linearen Differentialgleichungen mit einer unabhängigen Variablen. B.G. Teubner, Leipzig 1894.
  • Über das Lehrgebäude der Geometrie, insbesondere bei analytischer Behandlung. Jahresbericht DMV 1902.
  • Lehrbuch der analytischen Geometrie. B.G. Teubner, Leipzig; Band 1 gemeinsam mit C. Koehler 1905, Band 2 1923, Band 3 1929.
  • Was ist Mathematik? Unterhaltungen während einer Seereise. Th. Fisher, 2. Auflage, Berlin 1925.
  • Mein Lebensweg und meine mathematische Arbeit. B.G. Teubner, Leipzig/Berlin 1937.
  • Kurvenintegrale und Begründung der Funktionentheorie. Springer, Berlin/Göttingen/Heidelberg 1948.
  • Grundlagen und analytischer Aufbau der Projektiven, Euklidischen, Nichteuklidischen Geometrie. B.G. Teubner, 3. Auflage, Stuttgart 1958.
  • Beglückte Rückschau auf neun Jahrzehnte. H.F. Schulz, Freiburg 1952.
  • Begründung der Funktionentheorie. Auf alten und neuen Wegen. Springer, 2. Auflage, Berlin/Göttingen/Heidelberg 1960.

Literatur

  • Georg Tautz: Lothar Heffter. Jahresbericht DMV Bd.66, 1963, S.39.
  • Gottwald, Illgauds, Schlote: Lexikon bedeutender Mathematiker. 1990.
  • Helmut Gericke: Heffter, Lothar Wilhelm Julius. In: Neue Deutsche Biographie (NDB). Band 8, Duncker & Humblot, Berlin 1969, S. 202.
  • Lothar Heffter: Beglückte Rückschau auf neun Jahrzehnte. H.F. Schulz, Freiburg 1952.

Einzelnachweise

  1. Zur Verleihung des Großen Bundesverdienstkreuzes an Lothar Heffter, Munzinger-Archiv (abgerufen am 5. November 2011)

Weblinks


Wikimedia Foundation.

Игры ⚽ Нужно сделать НИР?

Schlagen Sie auch in anderen Wörterbüchern nach:

  • Heffter — ist der Familienname von Arthur Heffter (1859–1925), deutscher Pharmakologe und Chemiker, Rektor der Humboldt Universität zu Berlin (1922/23) August Wilhelm Heffter (1796–1880), deutscher Jurist, Rektor der Humboldt Universität zu Berlin… …   Deutsch Wikipedia

  • Heffter — Hẹffter,   Lothar Wilhelm Julius, Mathematiker, * Köslin 11. 6. 1862, ✝ Freiburg im Breisgau 1. 1. 1962; Professor in Aachen (1904), Kiel und Freiburg im Breisgau (ab 1910); Beiträge zur Theorie der Differenzialgleichungen und zu den Grundlagen… …   Universal-Lexikon

  • Liste der Biografien/Hea–Heh — Biografien: A B C D E F G H I J K L M N O P Q …   Deutsch Wikipedia

  • Liste bekannter Persönlichkeiten der Humboldt-Universität zu Berlin — Auf dieser Liste finden sich ehemalige und gegenwärtige bekannte Angehörige der Humboldt Universität zu Berlin (HU Berlin), darunter 29 Nobelpreisträger. Eine Sonderstellung unter den Dozenten nehmen die Lesenden Mitglieder der Preußischen… …   Deutsch Wikipedia

  • Liste der Rektoren der Universität Freiburg — Die Rektoren der Albert Ludwigs Universität Freiburg. Fast 800 Rektoren und Prorektoren hatte die Albert Ludwigs Universität in ihrer über 550 Jährigen Geschichte. Prorektoren waren die Rektoren in der Zeit, als die Universität sich unter die… …   Deutsch Wikipedia

  • Liste der Rektoren der Universität Freiburg im Breisgau — Die Rektoren der Albert Ludwigs Universität Freiburg. Fast 800 Rektoren und Prorektoren hatte die Albert Ludwigs Universität in ihrer über 550 Jährigen Geschichte. Prorektoren waren die Rektoren in der Zeit, als die Universität sich unter die… …   Deutsch Wikipedia

  • Gerhard Ringel — (* 28. Oktober 1919 in Kollnbrunn, Österreich; † 24. Juni 2008 in Santa Cruz, USA) war ein renommierter Mathematiker und Pionier im Bereich Kombinatorik und Graphentheorie. Gerhard Ringel beim Surfen …   Deutsch Wikipedia

  • Ludwig Stickelberger — (* 18. Mai 1850 in Buch; † 11. April 1936 in Basel) war ein Schweizer Mathematiker. Stickelberger wurde in Buch im Kanton Schaffhausen als Pfarrerssohn geboren. 1867 machte er seinen Gymnasialabschluss und studierte in Heidelberg und Berlin, wo… …   Deutsch Wikipedia

  • Liste bekannter Persönlichkeiten der Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg — An der Ruprecht Karls Universität Heidelberg haben viele Personen, die Bekanntheit erlangt haben, studiert oder gelehrt. Folgende Liste bietet einen Überblick nach Fachgebieten, ohne jeden Anspruch auf Vollständigkeit. Inhaltsverzeichnis 1… …   Deutsch Wikipedia

  • Ludwig Stickelberger — Infobox Scientist name = PAGENAME box width = image size = caption = birth date = May 18, 1850 birth place = Buch, Schaffhausen; death date = April 11, 1936 death place = Basel residence = citizenship = nationality = Swiss ethnicity = field =… …   Wikipedia

Share the article and excerpts

Direct link
Do a right-click on the link above
and select “Copy Link”