Geschichte der Juden in Norwegen

Geschichte der Juden in Norwegen
Die 1918/19 in Oslo erbaute Synagoge (2004)

Die Geschichte der Juden in Norwegen begann in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Im Jahr 2007 leben etwa 2.000 Juden im Land, die meisten von ihnen in der Hauptstadt Oslo. Eine kleinere Gemeinde, die auch über eine Synagoge verfügt, gibt es in Trondheim.

Bis zum Jahr 1814 lebten wenige Juden in Norwegen. Nach dänischem Recht brauchten Juden, die sich im Land niederlassen wollten, eine ausdrückliche Genehmigung. Diese hatten nur einzelne Juden beantragt.

1814 wurde Norwegen von Dänemark unabhängig; in Eidsvoll tagte die verfassungsgebende Versammlung. Zunächst wollten die 104 Delegierten Religionsfreiheit gewähren, nur Mönchsorden und Jesuiten sollten nicht zugelassen werden. Die schließlich verabschiedete Verfassung von Eidsvoll sah die evangelisch-lutherische Konfession als Staatsreligion vor. Für Juden wurde anders als zuvor keine Ausnahme mehr gemacht; ihnen wurde der Aufenthalt in Paragraf 2 ausdrücklich verboten: Juden sind weiterhin vom Betreten des Reiches ausgeschlossen. Das galt auch für Besuch und Durchreise. Die Verfassung galt dessen ungeachtet als eine der liberalsten ihrer Zeit.

Der Dichter Henrik Wergeland setzte sich für die Emanzipation der Juden in Norwegen ein

1832 setzte sich erstmals der Dichter Henrik Wergeland für die Rechte der Juden ein. 1839 versuchte er das Parlament zur Abschaffung des Paragrafen 2 zu bewegen. 1841 erschien sein Kommentar zur Judenfrage, in dem er um Toleranz warb. Wergeland starb 1845. In Schweden lebende Juden ließen in Stockholm ein Denkmal für ihn errichten. Die Inschrift lautet: Dankbare Juden außerhalb der Grenze Norwegens errichteten dieses Denkmal im Jahr 1847. Es wurde 1849 nach Norwegen gebracht.

1851 wurde das Verbot des Zutritts für Juden aus der norwegischen Verfassung gestrichen. Die Zahl der jüdischen Einwohner blieb klein; 1875 waren es 34. Gegen Ende des 19. Jahrhunderts wurde die erste jüdische Gemeinde gegründet, sie hatte etwa 100 Mitglieder. 1882 verfügte sie über die erste Synagoge. Im weiteren Verlauf stieg die Anzahl der Juden durch Einwanderung, hauptsächlich aus Osteuropa. Es entwickelte sich ein jüdisches Kulturleben v.a. in Oslo mit Theatergruppen, Chören und anderen Kulturorganisationen.

Im April 1940, zur Zeit der deutschen Besetzung Norwegens, lebten etwa 2200 Juden im Land. 532 Juden wurden im Herbst 1942 mit Hilfe der norwegischen Polizei von Oslo aus nach Stettin verschifft und ins Konzentrations- und Vernichtungslager Auschwitz gebracht. An Bord des Truppentransportschiffes Donau befanden sich unter anderem die Studentin Ruth Maier und die 15-jährige Schülerin Kathe Lasnik, deren Biographie sechzig Jahre später der Philosoph und Literaturkritiker Espen Søbye rekonstruierte. Das Vermögen der Deportierten fiel entsprechend dem norwegischen Gesetz zum Einzug jüdischen Vermögens vom 26. Oktober 1942 an den Staat. Insgesamt wurden 767 Juden deportiert; lediglich 26 von ihnen überlebten.

Organisiert wurde die Deportation vom Polizeichef in Oslo, Knut Rød. Er wurde am 9. April 1948 vom Norwegischen Gerichtshof vom Vorwurf der Kollaboration mit der deutschen Besatzungsmacht freigesprochen. Im Urteil hieß es: Er hat die ganze Zeit seinen Plan verfolgt, dem Feind zu schaden und seinen Landsleuten zu nutzen. Rød setzte seinen Dienst in der Polizei bis zu seiner Pensionierung im Jahr 1965 fort. Er starb 1986.

Unterstützung fanden jüdische Norweger in der Besatzungszeit durch Widerstandsgruppen und durch Einzelpersonen wie durch den Studenten Hans Christen Mamen. Er brachte 25 jüdische Kinder über die Grenze nach Schweden in Sicherheit. Hilfe erfuhr er dabei von dem Theologen Ole Hallesby.

1945 war die Synagoge in Oslo unbeschädigt erhalten geblieben, weil die Besatzer dort ein museales Depot von Kultgegenständen und ähnlichem eingerichtet hatten. Damit konnte die Gemeinde dort wieder Unterricht und Gottesdienste halten. In den 1960er Jahren erlaubte die Regierung die Immigration von Juden aus Ungarn. In Oslo und Trondheim gibt es heute jüdische Gemeinden. Sie sind orthodox orientiert und befürworten die Auswanderung nach Israel.

In den neunziger Jahren wurde die Verantwortung norwegischer Behörden bei den Deportationen norwegischer Juden während der deutschen Besatzung und der Umgang mit konfiziertem jüdischem Eigentum zunehmend debattiert. Der Jüdische Weltkongress forderte im Januar 1996 Norwegen auf, seine Geschichte diesbezüglich aufzuarbeiten. Eine eingesetzte Regierungskommission legte im Sommer 1997 einen Bericht vor, der zwei Jahre später dazu führte, dass das Parlament eine Entschädigung in Höhe von 450 Millionen Kronen bewilligte. Das Geld wurde für individuelle Entschädigungen sowie für den Aufbau des Senter for studier av Holocaust og livssynsminoriteter (Zentrum für Holocauststudien und religiöse Minderheiten) verwendet.[1]

2006 nahm in Oslo das Holocaustzentrum unter der Leitung von Odd-Bjørn Fure seine Arbeit auf. Es hat seinen Sitz in der Osloer Villa Grande, in der Vidkun Quisling von 1941 bis 1945 lebte. Vor der Villa stand zeitweise als Provokation der Öffentlichkeit eine Statue Knut Røds in Uniform mit zum Hitlergruß erhobenen rechten Arm. Die Statue soll erst beseitigt werden, wenn sein Freispruch von 1948 aufgehoben ist.

Bekannte Juden in Norwegen sind der frühere Parlamentspräsident Jo Benkow, die Psychiater Leo Eitinger und Berthold Grünfeld, der Musiker Robert Levin sowie die Schauspielerin und Sängerin Bente Kahan.

Inhaltsverzeichnis

Siehe auch

Einzelnachweise

  1. Maerz, Susanne : "Landesverrat versus Widerstand – Stationen und Probleme der „Vergangenheitsbewältigung“ in Norwegen" In: NORDEUROPAforum (2005:2), S. 43-73 unter http://edoc.hu-berlin.de/nordeuropaforum/2005-2/maerz-susanne-43/XML/

Weblinks

Quellen

  • Ulrich Brömmling: Das verbotene Land in: Die Zeit, Ausgabe 35/2007 vom 23. August 2007, Seite 74, Artikel im Volltext.

Wikimedia Foundation.

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