Geschichte der Ökumene

Geschichte der Ökumene

Geschichte der Ökumene beschreibt den Teil der Kirchengeschichte, der Spaltung und Einheit der Christen betrifft.

Inhaltsverzeichnis

Alte Kirche

Die Alte Kirche greift den römischen Ökumenebegriff auf. Sie beansprucht eine Verbreitung über die gesamte Welt und bezeichnet sich auch mit Basilius und Origenes als die „neue Ökumene“. Mit ihrer weltweiten Ausdehnung rechtfertigt Augustinus ihre Rechtgläubigkeit, welche auch als Kriterium zur Abgrenzung gegen bestimmte Häresien dient. „Ökumenisch“ und „katholisch“ werden dabei synonym gebraucht.

Alle gesamtkirchlichen Angelegenheiten wurden durch sieben Ökumenische Konzile (325 - 787), die der Kaiser einberief, geregelt. Die orientalischen Kirchen außerhalb des Reiches schieden dabei wegen dogmatischer (und darin ausgetragener politischer) Gegensätze aus der Ökumene aus.

Im 6. Jahrhundert brach ein Konflikt zwischen Konstantinopel und Rom über den jeweiligen ökumenischen Anspruch aus. Seither führt der Patriarch von Konstantinopel den Titel ökumenischer Patriarch, wenn auch mit regionaler Bedeutung.

Es entstanden folgende Auffassungen von Ökumene

  1. die orthodoxe: Ökumenisch ist, was dem Patriarchat von Konstantinopel untersteht
  2. die katholische: Ökumenisch ist, was der durch die sieben ökumenischen Konzilien, sowie dem ebenfalls ökumenisches Konzil genannten II. Vaticanum bestätigten Jurisdiktion der römisch-katholischen Kirche untersteht.
  3. die reformatorische: ökumenisch ist, was seine Wurzeln im ersten ökumenischen Konzil von Nicäa sieht.

Ökumene im 16. Jahrhundert

Bereits um die Mitte des 16. Jahrhunderts gab es einen intensiven theologischen Dialog zwischen den Lutheranern und dem ökumenischen Patriarchat von Konstantinopel.

1558 sandte Patriarch Joasaph II. (1555-65) einen Diakon nach Wittenberg, um sich aus erster Hand über den Glauben und die Bräuche der Reformatoren zu informieren. Unter Mitarbeit von Melanchthon entstand eine griechische Übersetzung des Augsburger Bekenntnisses, das allerdings Konstantinopel nie erreichte, da der Bote bei einer Rebellion in der Walachei umkam.

1573 kam es zu einem mehrjährigen Briefwechsel zwischen den lutherischen Theologen Jakob Andreae und Martin Crusius und Patriarch Jeremias Tranos. Die Reformatoren empfanden eine gewisse geistliche Verwandtschaft mit den Orthodoxen, die von Rom ebenfalls als Ketzer angesehen wurden. Im Gegensatz zu den Feindseligkeiten zwischen Katholiken und Protestanten war der Ton dieses Briefwechsels auf beiden Seiten freundlich, achtungsvoll und ohne Polemik. Keine Seite versuchte, die andere zu bekehren oder ihr falsche Lehren nachzuweisen, sondern beide suchten eine gemeinsame Basis.

Die Briefpartner stellten fest, dass sie in folgenden Lehren übereinstimmten:

  • der grundlegenden Autorität der Bibel, ihrer Inspiration durch den Heiligen Geist und ihrer Übersetzung in die jeweilige Sprache des Volkes
  • in Bezug auf das allgemeine Wesen Gottes und seiner Dreieinigkeit
  • der Erbsünde und ihrer Übertragung auf die ganze Menschheit: der Mensch, nicht Gott, sei die Ursache des Bösen
  • den zwei Naturen Christi
  • dass Jesus Christus allein das Haupt der Kirche sei
  • der Wiederkunft Jesu Christi, dem Gericht und zukünftigen Leben und der Endlosigkeit von Lohn und Strafe
  • dem Empfang der Eucharistie in beiderlei Gestalt
  • der Ablehnung des päpstlichen Ablasses, Fegefeuers und obligatorischen Zölibats der Geistlichen.

Theologische Lehren, in denen sie keine Übereinstimmung erzielten, waren

  • die Gleichrangigkeit der kirchlichen Tradition gegenüber dem Wort Gottes
  • das Filioque (hier stimmten die Lutheraner mit den Katholiken überein)
  • der freie Wille des Menschen (diesen bestritten die Lutheraner)
  • göttliche Prädestination (diese bestritten die Orthodoxen)
  • Rechtfertigungslehre (hier waren die Orthodoxen dem katholischen Synergismus näher)
  • die Anzahl der Sakramente
  • der Taufritus (Untertauchen, unmittelbar folgende Salbung und Spenden der Eucharistie bei den Orthodoxen, nur Besprengen bei den Protestanten)
  • die Bedeutung der Wandlung in der Eucharistie: Hier stimmten die orthodoxen mit den Katholiken überein
  • die Unfehlbarkeit der Kirche und der ökumenischen Konzilien: Auch dies vertraten die Orthodoxen mit den Katholiken gegen die Lutheraner
  • die Heiligenverehrung: ebenso
  • Fasten und andere kirchliche Traditionen und Bräuche.

Der orthodoxe Patriarch Jeremias sah aufgrund dieser Unterschiede, die sich alle aus der lutherischen Ablehnung einer Tradition außerhalb der Bibel herleiteten, keine Möglichkeit zu einer gemeinsamen Kommunion der beiden Kirchen. Dennoch beendeten beide Seiten den Austausch in freundlichem Ton und gegenseitiger Anerkennung.

Auch Johannes Calvin setzte sich für die Einheit der Kirche ein. Deshalb arbeitete er bei Einigungsversuchen auch mit katholischen Theologen zusammen. Nachdem sich das Konzil von Trient (1545–1563) scharf gegen die Reformation abgegrenzt hatte, beschränkte Calvin seine Anstrengungen darauf, eine Einigung zwischen der reformierten und lutherischen Kirche herbeizuführen.[1]

Ökumene im 19. Jahrhundert

Nach dem Zeitalter des Konfessionalismus erwuchs auf protestantischer Seite das Bestreben nach einer, auf den Kern des Glaubens gerichteten Lebensweise, man wollte sich von der rationalistischen Theologie der Aufklärung abwenden und zu einer „Theologie der Herzen“ zurückkehren. Mit dem Anspruch der „gänzlichen Durchdringung“ (Schleiermacher) aller Lebensbereiche, wurden durch den Pietismus konfessionelle und nationale Begrenzungen gesprengt. Dieser ökumenische Akzent des Pietismus war nicht von den Landeskirchen ausgegangen, sondern war zunächst eine Bewegung in kleineren privaten Gruppen und Vereinen. Beispielhaft zeigt sich dies in ökumenischen Studenten-Bibelkreisen (genannt Kränzchen oder Erbauungskränzchen) ab den 1830er Jahren. Aus diesen ökumenisch-pietistischen Kränzchen entstanden ab 1838 die ersten Wingolfsverbindungen und schließlich 1844 der Wingolfsbund als noch heute bestehende älteste ökumenische Institution.

1874 und 1875 hat die Alt-Katholische Kirche in Deutschland zu zwei Unionskonferenzen anglikanische, orthodoxe und evangelische Theologen nach Bonn eingeladen. Grundlage der Beratungen war der Glaube, die Verfassung und der Kultus der alten, ungeteilten Kirche. An beiden Konferenzen wurde von den Theologen eine weitgehende Übereinstimmung erzielt, die jedoch ohne Konsequenzen für das Leben der beteiligten Kirchen blieb. Die Alt-Katholiken führten fortan getrennte Verhandlungen mit den Anglikanern und den Orthodoxen. Mit den Anglikanern führten diese 1931 zu der s.g. "Bonner Vereinbarung" über die Interkommunion zwischen der Utrechter Union der Alt-Katholischen Kirchen und der Anglikanischen Gemeinschaft, die Anfang der 50er Jahre zur vollen Kirchengemeinschaft ausgeweitet wurde.

Der Begriff der Ökumene erfuhr mit der Mission eine Erweiterung. So gründete man im 19. Jahrhundert die Evangelische Allianz. Zahlreiche Missionsgesellschaften und Bibelgesellschaften schufen Voraussetzungen für ökumenische Kontakte.

Im CVJM entstand der Begriff einer „ökumenischen Gesinnung“, der auch das 20. Jahrhundert prägte und wohl in der Ökumenischen Missionskonferenz 1900 in New York einen ersten Höhepunkt fand. Schon 1855 legte die „Pariser Basis“ dafür die Grundlage, wenn sie als Voraussetzung für die Mitgliedschaft den persönlichen Glauben festlegt und nicht nach einer Konfessions-Zugehörigkeit fragt.

Einzelnachweise

  1. Otto Weber: Artikel Calvin: Theologie; in: RGG, 3. Aufl., Bd. 1 (1957), S. 1597

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