Gesetzgebungsverfahren (Schweiz)

Gesetzgebungsverfahren (Schweiz)

Wie ein neues Gesetz entsteht, regelt das Gesetzgebungsverfahren.

Inhaltsverzeichnis

Initiativphase

Verschiedenste Akteure, ob Parteien, Interessengruppen, Verbände, die Regierung (Bundesrat), die Kantone, die Bundesverwaltung, die Fraktionen oder einzelne Parlamentarier, können den Anstoss zu einem neuen Erlass (Bundesverfassung, Gesetz, Parlamentsverordnung, Bundesbeschluss) geben. Je nach Akteur sind dazu folgende Instrumente möglich:

Dieser erste Schritt wird als Initiativphase bezeichnet.

Ausarbeitungsphase

Als zweiter Schritt wird ein erster Gesetzesentwurf erstellt. Dies wird als Ausarbeitungsphase (Vorverfahren der Gesetzgebung) bezeichnet.

Bei Parlamentarischen Vorstössen und Standesinitiativen wird eine 10- bis 20-köpfige Kommission vom Bundesrat beauftragt, einen ersten Gesetzesentwurf zu formulieren. Die Kommission besteht aus Vertretern der an der neuen Regelung Interessierten, der Regierung und der politischen Parteien.

Der Gesetzesentwurf geht anschliessend an die Kantone, Parteien und Verbände und andere Interessenverbände zur Vernehmlassung. Diese können zum Gesetzesentwurf Stellung nehmen sowie Änderungsvorschläge einbringen.

Dieses Verfahren wird als Vernehmlassungsverfahren bezeichnet.

Der Gesetzesentwurf wird durch die zuständige Bundesverwaltung überarbeitet und zur Prüfung dem Bundesrat unterbereitet. Ist der Bundesrat mit der Formulierung einverstanden, überweist dieser den Entwurf zusammen mit der Botschaft des Bundesrates an den National- und Ständerat. Ansonsten geht der Entwurf zur nochmaligen Überarbeitung an die Verwaltung zurück.

Überprüfungsphase

Der dritte Schritt, die Überprüfungsphase, ist ein parlamentarisches Verfahren.

Die Präsidenten des National- und Ständerates entscheiden, in welchem Rat der neue Gesetzestext zuerst debattiert werden soll. Zur Auswahl stehen die zwei Kammern:

  • Nationalrat oder
  • Ständerat.

Die vorberatende Kommission - die erste Kommission - des entsprechenden Rats diskutiert den Text und stellt ihn und ihre Überlegungen zum Gesetzestext dem gesamten ersten Rat vor.

Dieser Erstrat - auch erste Kammer genannt - hat nun drei Möglichkeiten und kann folgende Entscheidungen fällen:

  1. er befindet den Gesetzesentwurf für unnötig, so endet das Gesetzgebungsverfahren, da der Text makuliert wird,
  2. er verlangt von der Kommission oder dem Bundesrat einen neuen Entwurf und weist ihn zurück,
  3. er tritt auf die Vorlage ein, berät sie im Rat und unterbreitet gegebenenfalls Änderungsvorschläge, so dass der neue Gesetzesentwurf an die zweite Kommission zur weiteren Veranlassung überwiesen werden kann.

Die zweite Kommission prüft den vom Erstrat verabschiedeten Gesetzestext und legt ihn der zweiten Kammer vor.

Der Zweitrat – auch zweite Kammer genannt – hat dieselben Möglichkeiten und die gleiche Entscheidungsgewalt wie der Erstrat. Tritt auch der Zweitrat auf die Vorlage ein und weichen die Ratsentscheide voneinander ab, folgt das sogenannte Differenzbereinigungsverfahren.

Dabei beurteilt die erste Kommission die einzelnen Unterschiede. Diese teilt dem gesamten Erstrat mit, mit welchen Punkten aus dem Gesetzesentwurf des Zweitrates sie einverstanden ist und bei welchen Punkten die eigene Auffassung zu vertreten sei.

Anschliessend wird im Erstrat über diese Vorschläge und den Gesetzesentwurf des zweiten Rates beraten sowie ein weiterer Beschluss gefasst.

Die Differenzbereinigung im Zweitrat verläuft gleich wie im Erstrat. Die vorberatende Kommission des Zweitrats befasst sich mit den noch verbleibenden Differenzen und stellt dem gesamten Zweitrat einen Antrag. Kommt dabei immer noch keine Einigung zustande, gelangt das Geschäft wieder an die erste Kommission.

Ist nach drei Beratungen immer noch keine Übereinstimmung erzielt worden, tritt die Einigungskonferenz zusammen. Die Einigungskonferenz besteht aus Mitgliedern beider Kommissionen und versucht eine Lösung zu finden.

Ein in der Einigungskonferenz erzielter Kompromiss wird anschliessend National- und Ständerat zur Abstimmung vorgelegt. Lehnt eine der Parlamentskammern den Vorschlag der Einigungskonferenz ab, ist das Geschäft gescheitert.

Wird der Vorschlag von beiden Kammern angenommen, kommt es zur abschliessenden Abstimmung, der sogenannten Schlussabstimmung. Damit ist das parlamentarische Verfahren abgeschlossen. Falls die Vorlage in der Schlussabstimmung angenommen wird, wird das Gesetz im Bundesblatt publiziert.

Nachentscheidphase und Inkrafttreten

Das neue Gesetz kann nun in Kraft treten, ausgenommen:

  • der Beschluss betrifft die Bundesverfassung oder bestimmte dringlich erklärte Bundesgesetze (oder den Beitritt zu Organisationen für kollektive Sicherheit oder zu supranationalen Gemeinschaften). Solche Beschlüsse unterliegen dem obligatorischen Referendum und müssen Volk und Ständen zur Abstimmung an der Urne vorgelegt werden;
  • innerhalb von 100 Tagen kommt ein fakultatives Referendum zustande. Das fakultative Referendum kann von 50'000 Stimmberechtigten oder acht Kantonen verlangt werden. Im Gegensatz zum obligatorischen Referendum ist nur ein Mehrheitsentscheid des Stimmvolkes, nicht aber das sogenannte Ständemehr erforderlich.

Nach erfolgreicher Referendumsabstimmung kann das neue Gesetz in Kraft treten. Es wird in der amtlichen Sammlung des Bundesrechts publiziert.

Weblinks


Wikimedia Foundation.

Игры ⚽ Поможем решить контрольную работу

Schlagen Sie auch in anderen Wörterbüchern nach:

  • Gesetzgebungsverfahren — Dieser Artikel oder Absatz stellt die Situation in Deutschland dar. Hilf mit, die Situation in anderen Ländern zu schildern. Die Gesetzgebung ist die Schaffung von Rechtsnormen. Ihre Regelung gehört zu den Mindestinhalten jeder Verfassung.… …   Deutsch Wikipedia

  • Gesetzgebungsverfahren — Gesetzgebungsverfahren,   in der Verfassung festgelegtes förmliches Verfahren zum Erlass von Gesetzen im formellen Sinn.    Deutschland   In Deutschland können Bundesgesetze nur erlassen werden, soweit dem Bund die ausschließliche oder… …   Universal-Lexikon

  • Schweiz — Helvetien; Helvetische Republik; Schweizerische Eidgenossenschaft; Helvetia; Eidgenossenschaft; Confoederatio Helvetica (lat.) * * * Schweiz [ʃvai̮ts̮], die; : Staat in Mitteleuropa: sie leben in der Schweiz; in die Schweiz fahren; aus der… …   Universal-Lexikon

  • Bundesebene (Schweiz) — Politisches System der Schweiz Das politische System der Schweiz basiert auf dem demokratischen, republikanischen und rechtsstaatlichen Prinzip. Inhaltsverzeichnis 1 Einführung …   Deutsch Wikipedia

  • Nationalrat(Schweiz) — Nationalrat Sitzverteilung Schweizerische Volkspartei 58 (29,0 %) …   Deutsch Wikipedia

  • Nationalratswahl (Schweiz) — Nationalrat Sitzverteilung Schweizerische Volkspartei 58 (29,0 %) …   Deutsch Wikipedia

  • Politisches System der Schweiz — (Bürger, Kantone, Bund, ohne Gemeindeebene) Das politische System der Schweiz basiert auf dem demokratischen, republikanischen und rechtsstaatlichen Prinzip. Inhaltsverzeichnis …   Deutsch Wikipedia

  • Nationalrat (Schweiz) — Nationalrat Logo Parlamentsgebäude Basisdaten …   Deutsch Wikipedia

  • Strafprozessordnung (Schweiz) — Basisdaten Titel: Schweizerische Strafprozessordnung Kurztitel: Strafprozessordnung Abkürzung: StPO Art: Bundesgesetz Geltungsbereich: Schweiz Rechtsmaterie: Strafprozessrecht …   Deutsch Wikipedia

  • Gesetzeslesung — Dieser Artikel oder Absatz stellt die Situation in Deutschland dar. Hilf mit, die Situation in anderen Ländern zu schildern. Die Gesetzgebung ist die Schaffung von Rechtsnormen. Ihre Regelung gehört zu den Mindestinhalten jeder Verfassung.… …   Deutsch Wikipedia

Share the article and excerpts

Direct link
Do a right-click on the link above
and select “Copy Link”