Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten

Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten
Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten
(NGG)
NGG logo
Zweck: Gewerkschaft
Vorsitz: Franz-Josef Möllenberg
Gründungsdatum: 1865
Mitgliederzahl: 206.000 (Stand: 2010)
Sitz: Hamburg
Website: http://www.ngg.net

Die Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG) ist die älteste deutsche Gewerkschaft und eine der acht Einzelgewerkschaften im Deutschen Gewerkschaftsbund (DGB). Eine der Vorläuferorganisation der 1949 gegründeten NGG ist der 1865 ins Leben gerufene "Allgemeine Deutsche Cigarrenarbeiterverein". Heute hat die NGG rund 206.000 Mitglieder (Stand: Dezember 2010). Vorsitzender der NGG ist Franz-Josef Möllenberg. Stellvertretende Vorsitzende sind Claus-Harald Güster und Michaela Rosenberger.

Inhaltsverzeichnis

Aufgaben

Die Kernaufgabe der NGG ist die Regelung der Lohn- und Arbeitsbedingungen ihrer Mitglieder, d.h. zum Beispiel Verhandlung und Abschluss von Tarifverträgen zu Löhnen und Gehältern, zur Arbeitszeit, zur Urlaubsdauer und zur Altersvorsorge. Dazu gehört auch die organisatorische und finanzielle Unterstützung bei Streiks. Ihren Mitgliedern gewährt die NGG kostenlosen Rechtsschutz.

Die NGG will eintreten für die Menschenrechte und für die Erhaltung des Friedens in Freiheit, für soziale Gerechtigkeit und die Verbesserung des Verbraucher- und des Umweltschutzes. Sie kämpft für den Erhalt und Ausbau des Sozialstaats, für faire und gesunde Arbeitsbedingungen, gegen die Rente mit 67 Jahren, gegen ungezügelte Kapitalinteressen und gegen eine weitere Deregulierung des Finanz- und Wirtschaftssystems. Sie kämpft gegen Rechtsextremismus und spricht sich für ein Verbot der NPD aus. Die Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten agiert unabhängig von Unternehmen, Regierungen, politischen Parteien und Konfessionen.

Ein Schwerpunkt der Arbeit der NGG ist der Kampf für die Einführung eines gesetzlichen Mindestlohns von zunächst 8,50 Euro die Stunde.

Branchen

Die NGG vertritt unter anderem die Interessen der Beschäftigten

  • im Gastgewerbe (Hotels, Restaurants, Cafés, Kantinen, Catering und Systemgastronomie)
  • im Backgewerbe (Bäcker- und Konditorenhandwerk, Brotindustrie)
  • in der Fleischwarenindustrie und dem Fleischerhandwerk (Schlacht- und Viehhöfe, Geflügelschlachtereien, Feinkostherstellung)
  • in der Fischwirtschaft (auch Fischmehlfabriken)
  • in der Getränkewirtschaft (Brauereien, Mälzereien, Mineralbrunnen, Erfrischungsgetränke, Getränkegroßhandel, Spirituosenbetriebe, Hefeindustrie)
  • in der Getreidewirtschaft (Mühlenindustrie, Teigwarenfabriken, Futtermittelindustrie, Stärkeindustrie, Kaffeeröstereien)
  • in der Hauswirtschaft
  • in Milch und Fett verarbeitenden Betrieben (Molkereien, Käsereien, Margarineindustrie, Ölmühlenindustrie, Fettschmelzen)
  • in der Obst- und Gemüseverarbeitung
  • in Süß- und Dauerbackwaren herstellenden Betrieben
  • in der Tabakindustrie (Zigarren, Zigaretten, Kau- und Schnupftabak)
  • in der Zuckerindustrie

Der Großteil der mehr als 3.000 Tarifverträge der NGG wird direkt mit den jeweiligen Betrieben geschlossen (Haustarifvertrag). Tarifpartner sind außerdem die jeweiligen Verbände auf der Arbeitgeberseite (z.B. der Deutsche-Brauerbund), die Innungen des Bäcker- und Fleischerhandwerks, regionale Mitgliedsverbände des Deutsche Hotel- und Gaststättenverband e. V. (DEHOGA) und der Bundesverband der Systemgastronomie(BdS).

Aufbau

Die Gewerkschaft NGG ist eine Organisation mit demokratischer Meinungs- und Willensbildung. Die Mitglieder bestimmen die Politik der NGG: Sie wählen Delegierte, die auf den verschiedenen Organisationsebenen ihre Interessen vertreten. Die NGG hat drei Organisationsebenen: Die Regionen vor Ort, die Landesbezirke und – auf Bundesebene – die Hauptverwaltung mit Sitz in Hamburg.

Auf regionaler Ebene: NGG-Regionen

Auf der Regionalebene kann jedes Mitglied mitentscheiden, Anträge formulieren oder für Gremien kandidieren. Die 52 NGG-Regionen sind direkte Ansprechpartner für die Mitglieder vor Ort. Sie betreuen die Betriebsräte und führen Verhandlungen zu Haustarifverträgen. Sie berufen Mitglieder- oder Delegiertenversammlungen und Versammlungen für Betriebsräte und Vertrauensleute ein. In ihrem jeweiligen Bereich sind sie für die gewerkschaftliche Bildung zuständig und verantworten die Mitgliederwerbung. Innerhalb ihres (regionalen) Wirkungsbereichs stehen sie ein für die Förderung der Frauen-, Senioren- und Jugendarbeit und arbeiten mit den DGB-Kreisvorständen zusammen.

Auf Landesebene: NGG-Landesbezirke

Die fünf NGG-Landesbezirke (Nord, Nordrhein-Westfalen, Bayern, Südwest und Ost) führen – gemeinsam mit den jeweiligen Tarifkommissionen – die Tarifverhandlungen auf Landesebene. Sie organisieren Bildungsseminare und Tagungen, leisten Beratungsarbeit für die NGG-Regionen und koordinieren gemeinsame Aktionen von Netzwerken, Gruppen und Regionen. Sie wirken auf die politischen Entscheidungsträger auf Landesebene ein.

Auf Bundesebene: Hauptverwaltung/Hauptvorstand

Die Gewerkschaft NGG hat ihren Sitz in Hamburg. Dort ist neben der Hauptverwaltung auch der Sitz des Hauptvorstandes. Der Hauptvorstand setzt die Beschlüsse des Gewerkschaftstages um und beruft diesen ein. Er überwacht die Einhaltung der Satzung und bestimmt die politischen und tariflichen Leitlinien der NGG. Seine Mitglieder werden vom Gewerkschaftstag, dem höchsten Beschlussgremium der NGG, gewählt. Mitglieder des Hauptvorstandes sind der Geschäftsführende Hauptvorstand, die Landesbezirksvorsitzenden, 20 ehrenamtlichen Mitglieder aus den Betrieben des Organisationsbereichs der NGG und je ein ehrenamtliches NGG-Mitglied, das vom Bundesfrauenausschuss (weibliches Mitglied), bzw. der Bundeskonferenz der Jungen NGG (Mitglied unter 28 Jahren) bestimmt wurde.

Der Geschäftsführende Hauptvorstand ist das ausführende Organ des Hauptvorstandes. Er vertritt die NGG nach innen und nach außen und ist für die bundesweiten Tarifverhandlungen zuständig. Er setzt sich aus einem/einer Vorsitzenden und zwei stellvertretenden Vorsitzenden zusammen. Es müssen beide Geschlechter vertreten sein.

Auf internationaler Ebene: EFFAT und IUF

Die Gewerkschaft NGG arbeitet mit den jeweiligen europäischen Schwesterorganisationen zusammen. Sie ist Mitglied der „European Federation of Food, Agriculture & Tourism Trade Unions“ (EFFAT) und der “International Union of Food, Agricultural, Hotel, Restaurant, Catering, Tobacco and Allied Workers' Associations” (IUF). Franz-Josef Möllenberg, der Vorsitzende der NGG, ist Vizepräsident beider Organisationen.

Das höchste Beschlussorgan: Der NGG-Gewerkschaftstag

Der Gewerkschaftstag ist das höchste Beschlussorgan der Gewerkschaft NGG und findet alle fünf Jahre statt. Stimmberechtigt sind die in den Regionen gewählten Delegierten. Ein/e Delegierte/r vertritt jeweils 1500 Mitglieder der NGG. Außerdem stimmberechtigt sind der Hauptvorstand und drei Delegierte aus den Reihen der „Jungen NGG“. Anträge können von den Regional- und den Landesbezirksvorständen, dem Hauptvorstand, dem Hauptausschuss, den Landesbezirkskonferenzen und den Bundeskonferenzen und Ausschüssen der NGG-Personengruppen (Junge NGG, Bundesfrauenausschuss) gestellt werden. Der NGG-Gewerkschaftstag hat die Aufgabe, die Tätigkeitsberichte des Hauptvorstandes, des Hauptausschusses und der Revisionskommission entgegenzunehmen und den Hauptvorstand zu entlasten. Die Delegierten des Gewerkschaftstages beschließen die eingereichten Anträge und bestimmen die gewerkschaftspolitischen Grundsätze der Gewerkschaft NGG für die nächsten fünf Jahre. Sie wählen oder bestätigen u.a. die Mitglieder des Geschäftsführenden Hauptvorstandes, die oder den Hauptausschussvorsitzende/-n und die ehrenamtlichen Personengruppenvertreter (Junge NGG, Frauen) für den Hauptvorstand.

Geschichte

1865 bis 1918

Die Geschichte der Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG) geht zurück bis in die Mitte des 19. Jahrhunderts. In Leipzig wurde im Dezember 1865 der "Allgemeine Deutsche Cigarrenarbeiterverein" gegründet. Der Zusammenschluss der Zigarrenarbeiter war der erste zentral organisierte, nationale Verbund der deutschen Arbeiterbewegung und eine direkter Vorläuferorganisation der NGG. Die NGG ist damit die älteste deutsche Gewerkschaft.

Die Vereinigung der Zigarrenarbeiter war der Versuch, sich gegen die katastrophalen Arbeits- und Lebensbedingungen zur Wehr zu setzen. Die Produktion von Zigarren erfolgte in reiner Handarbeit und in den allermeisten Fällen in Heimarbeit. In den kleinen Arbeitsräumen – die meist zugleich Schlaf- und Wohnraum waren – arbeiteten Eltern, Kinder und ein oder zwei Gehilfen unter denkbar schlechten Bedingungen. Die Rohstoffe für die Zigarrenherstellung wurden zu überhöhten Preisen von Fabrikanten bezogen, die fertigen Zigarren später wiederum billig an sie verkauft. Durch die Verlagerung der Produktionsstätten in die Heime der Arbeiter sparten sich die Fabrikanten die Kosten für eigene Arbeitsräume, Heizung und Beleuchtung. Außerdem konnten sie die unabhängig voneinander agierenden Heimarbeiter leicht gegeneinander ausspielen und die Löhne so immer weiter drücken. Die Folgen waren verheerend: überlange Arbeitszeiten, keinerlei Absicherung gegen Krankheit und Unfälle, Kinderarbeit und Hunger waren die Regel.

Die Arbeit im Verlagssystem oder in Heimarbeit bedeutete starke wirtschaftliche Abhängigkeit. Gleichzeitig bot sie den Arbeitern ein gewisses Maß an persönlicher Freiheit: Während der eigentlichen Arbeit wurden die Zigarrenmacher nicht durch die Fabrikanten kontrolliert. Sie konnten während ihrer leisen, mechanischen Handarbeit ungehindert miteinander reden und debattieren. Vielerorts bestimmten die Arbeiter sog. „Vorleser“. Durch das Vorlesen aus Romanen, politischen Schriften und sozialdemokratischen Zeitungen wurden die Arbeiter unterhalten. Viele Zigarrenmacher wurden so zu politisch interessierten und gut informierten Arbeitern. In Erinnerung daran ist „der Vorleser“ heute das offizielle Symbol der Gewerkschaft NGG.

Bis die anderen Berufe des Nahrungs- und Genussmittelbereichs dem Beispiel der Zigarrenmacher folgten und sich gewerkschaftlich zusammenschlossen, verging noch einige Zeit. Zwischenzeitlich wuchs die Organisation der Zigarrenmacher schnell weiter an. Bis Ende 1878 waren über 8.000 Mitglieder in mehr als 100 Orten organisiert, die Zigarrenmacher stellten so für lange Zeit die größte Gewerkschaftsorganisation. Durch Bismarcks Sozialistengesetz von 1878 wurden die wachsenden Bestrebungen nach mehr Mitbestimmung und besseren Arbeitsbedingungen durch gewerkschaftliche Zusammenschlüsse abrupt gebremst. Die Sozialdemokratische Partei und die ersten Gewerkschaften wurden verboten. Unter dem Deckmantel sog. „Reiseuntersützungsvereine“ ging die Arbeit der Gewerkschaften vorsichtig weiter. Ständig behindert durch Drangsalierungen der Obrigkeit, organisierten sich zuerst die Brauer, Böttcher, Bäcker und Zigarrendreher (1885), dann die Müller (1889). 1890 fiel das Sozialistengesetz, wenngleich die Schikanen im Kaiserreich nie wirklich aufhörten, konnten die Gewerkschaften nun wieder öffentlich agieren. 1900 schlossen sich die Beschäftigten in Hotels, Gaststätten und Restaurants zum „Verband Deutscher Gastwirtsgehilfen“ zusammen. Der „Verband der Fleischer und Berufsgenossen“ folgte 1902. Je nach Branche wurden unterschiedliche Forderungen gestellt. Die Durchsetzung dieser Forderungen (z.B. nach der Einführung eines freien Tages in der Woche, die Begrenzung der täglichen Arbeitszeit und die Einhaltung grundlegender Arbeitsschutzbestimmungen) war abhängig vom jeweiligen Organisationsgrad. Als besonders stark zeigte sich die Vereinigung der Brauer. Im Gegensatz zu den meisten anderen Gewerkschaften zielten ihre Bemühungen darauf ab alle, d.h. gelernte wie ungelernte, Arbeitnehmer zu organisieren. Die Erfolge der Gewerkschaften sprachen sich herum, sie wurden echte Massenbewegungen. Waren 1890 gerade einmal rund 16.000 Nahrungs- und Genussmittelarbeiter freigewerkschaftlich organisiert, waren es 1913 schon mehr als 142.000.

1918 bis 1933

Als eine Folge des ersten Weltkrieges wurden die Monarchien in Deutschland beseitigt. Mit der Weimarer Verfassung hielten demokratische Strukturen Einzug. Für die Gewerkschaften war die unmittelbare Nachkriegszeit eine Zeit des schnellen Wachstums. Von 1918 bis 1920 wuchs die Zahl der gewerkschaftlich organisierten Arbeiter der Nahrungs- und Genussmittelindustrie um das Vierfache. Direkt nach Kriegsende schlossen die Gewerkschaften mit den Unternehmensverbänden das „Arbeitsgemeinschaftsabkommen“ ab. Die Gewerkschaften wurden nun von den Arbeitgebern als reguläre Vertreter der Arbeiterschaft akzeptiert. In allen Betrieben mit mehr als 50 Arbeitern sollten Arbeiterausschüsse (die Vorläufer der Betriebsräte) installiert werden und der Achtstundentag flächendeckend eingeführt werden.

Bald kehrte Ernüchterung ein, die Erfolge der Novemberrevolution waren von geringer Dauer. Wachsende Inflation und hohe Arbeitslosigkeit schwächten die Gewerkschaften. Auch die Organisationen der Nahrungs- und Genussmittelbranche verloren viele ihrer Mitglieder. Die Schwäche der Gewerkschaften – vor allem zum Höhepunkt der Weltwirtschaftskrise 1923 – wurde von Unternehmerseite genutzt. Vielerorts wurden Tarifverträge gekündigt und die tägliche Arbeitszeit wieder erhöht. Die Vorläuferorganisationen der NGG erkannten, dass sie sich der wiedererstarkten Arbeitgeberseite gemeinsam, als ein zusammengeschlossener Industrieverband, entgegenstellen mussten, um erfolgreich zu sein. Im Jahr 1927 schlossen sich vier Einzelgewerkschaften, der „Verband der Lebensmittel- und Getränkearbeiter Deutschlands“, der „Deutsche Nahrungs- und Genußmittelarbeiterverband“, der „Zentralverband der Fleischer und Berufsgenossen Deutschlands“ und der „Verband der Böttcher, Weinküfer und Hilfsarbeiter Deutschlands“ zusammen. Der neu gegründete „Verband der Nahrungs- und Getränkearbeiter“ hatte 1927 rund 150.000 Mitglieder. Die eigenständigen Gewerkschaften der Hotel-, Café- und Restaurantangestellten und der Tabakarbeiter sahen zu diesem Zeitpunkt noch keinen Grund, sich diesem Verband anzuschließen.

1933 bis 1945

Wie in anderen Teilen der deutschen Gesellschaft, blieben auch von Seiten der Gewerkschaften wirksame Maßnahmen gegen den Aufstieg der NSDAP aus. Nach der Machtergreifung Hitlers 1933 wurden die Gewerkschaften zunehmend unter Druck gesetzt und sehr bald, am 2. Mai 1933, verboten. Die Gewerkschaftshäuser der NGG-Vorläuferorganisationen wurden besetzt, viele Funktionäre verhaftet. Die Arbeit ging nun unter extrem erschwerten Bedingungen im Untergrund weiter. Ein Beispiel für gewerkschaftliche Untergrundarbeit in der NS-Zeit ist die sog. Mitropa-Gruppe. Eine Reihe von Mitropa-Kellnern nutze ihre berufliche Tätigkeit in Zügen aus, um Schriften und Nachrichten aus Deutschland heraus und nach Deutschland hinein zu schmuggeln. In vielen Orten arbeiteten Gewerkschafter/-innen aus unterschiedlichen Berufsrichtungen eng im Untergrund zusammen, einige büßten für ihren Einsatz mit Gefängnisstrafen oder dem Leben.

1945 bis 1970

Der gemeinschaftliche Einsatz gegen das nationalsozialistische Regime war eine der Grundlagen für die Schaffung von Einheitsgewerkschaften nach 1945. Alte Strukturen waren zerstört, die Wichtigkeit der engen Zusammenarbeit – über die Schranken der Berufsstände und Fachverbände hinweg – war klar vor Augen geführt worden. Auf dem sog. „Verschmelzungsverbandstag“ vom 24. bis 26. Mai 1949 in München wurde der Zusammenschluss der Verbände der Nahrungs- und Genussmittelindustrie beschlossen. Auch die Verbände der Beschäftigten in Hotels und Gaststätten und der Tabakindustrie schlossen sich nun an. Die (Einheits-) Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG) war gegründet. Der Wirkungsbereich der NGG war vorerst auf die BRD beschränkt, in der sowjetischen Besatzungszone und der späteren DDR wurde ihr Gegenstück, die „Gewerkschaft Handel, Nahrung und Genuss“, parteipolitisch instrumentalisiert. Der Währungsreform 1948 folgten die Jahre des Wirtschaftswunders. Erstaunlich schnell wurde die Arbeitslosigkeit der Nachkriegsjahre abgebaut und die Produktion in allen Bereichen immer weiter gesteigert. Weil damit auch eine sinkende Arbeitslosenquote und nahezu Vollbeschäftigung einher ging, erstarkte die Durchsetzungskraft der Gewerkschaften deutlich. In den 1950er und 60er Jahren konnte die NGG eine ganze Reihe von Verbesserungen für die Beschäftigten erreichen. Die Arbeiter und Arbeiterinnen in der Zigarettenindustrie profitierten in vielen Belangen als erste von der neuen Stärke. Zum Beispiel konnte die NGG in der Zigarettenindustrie – als erste Branche in der BRD überhaupt – die 40-Stunden-Woche durchsetzen (1959).

1970-1990

Ab etwa 1970 veränderte sich die wirtschaftliche Situation in Deutschland zum Negativen. Vor allem im Zuge der Ölkrisen von 1973 und 1978/79 brach das Wirtschaftswachstum in Deutschland regelrecht ein und die Arbeitslosenquote stieg beträchtlich. Trotz der schlechten Voraussetzungen konnte die NGG Mitte der 1970er Jahre einen Höhepunkt in der Tarifpolitik erzielen: Mit dem Bundesrahmentarifvertrag in der Brauindustrie trat am 1. Januar 1974 der erste einheitliche Einkommenstarifvertrag in Deutschland überhaupt in Kraft. Vor dem Hintergrund der wachsenden Beschäftigungskrise vereinbarte die NGG Anfang der 1980er Jahre verschiedene Vorruhestandsregelungen mit den Arbeitgebern. Arbeitnehmer über 58 Jahre sollten die Möglichkeit bekommen, mit rund 75 Prozent ihres bisherigen Bruttogehaltes vorzeitig in den Ruhestand gehen zu können. Dank dieser Regelungen konnten viele tausend Stellen mit Jüngeren besetzt, neu geschaffen oder gesichert werden.

1990 bis heute und aktuelle Themen

Seit dem 1. Dezember 1990 vertritt die Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten die Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen aus den zugehörigen Branchen in ganz Deutschland. Die Anhebung der Löhne im Osten auf das Niveau der " alten Bundesländer“ ist weiter eines der Hauptziele der NGG. Angesichts der Ausweitung der Leiharbeit steht die Forderung nach verbesserten Arbeitsbedingungen für Leiharbeiter, d.h. nach „gleichem Lohn für gleiche Arbeit“, heute ganz oben auf der Agenda der NGG. Im Lebensmitteleinzelhandel ist in den letzten Jahren eine zunehmende Konzentration zu beobachten. Einige wenige große Konzerne teilen sich den Markt und üben so erheblichen Druck auf die Lieferanten aus. In der Folge sind die Lebensmittelpreise in Deutschland im europäischen Vergleich auf sehr niedrigem Niveau. Das hat direkte Konsequenzen für die Arbeitsbedingungen in der Lebensmittelindustrie in Deutschland und anderen Ländern. Die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in der Ernährungsindustrie sind vielerorts von Dumpinglöhnen und schlechten Arbeitsbedingungen betroffen. Auch der Anstieg der Rohstoffspekulationen hat für die Ernährungswirtschaft in Deutschland eine große Bedeutung. Die NGG fordert ein Verbot der Spekulationen mit Lebensmitteln, weil sie die Lebensgrundlage von Millionen von Menschen in den weniger entwickelten Ländern bedroht. Mit der Kampagne für einen gesetzlichen Mindestlohn hat es die NGG gemeinsam mit anderen Gewerkschaften geschafft, die Notwendigkeit einer gesetzlichen Lohnuntergrenze ins gesellschaftliche Bewusstsein zu rücken. Um Lohndumping und dem Phänomen „Arm durch Arbeit“ ein Ende zu setzen, wird der Kampf um die Einführung eines gesetzlichen Mindestlohns ein Schwerpunkt für die NGG bleiben. Zu den heutigen Herausforderungen gehört auch die Auseinandersetzung mit dem durch die Globalisierung hervorgerufenen Wettbewerb um die billigsten Produktionsstandorte. Für die Gewerkschaften kann die Antwort darauf nur die stärkere Kooperation und Koordinierung mit den europäischen Schwestergewerkschaften und die Verbesserung der Tarif- und Gewerkschaftsarbeit in Europäischen Betriebsräten sein.

Vorsitzende der Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten

  • 1949–1950: Gustav Pufal
  • 1950–1951: Ferdinand Warnecke

Literatur

  • Buschak, Willy: Von Menschen, die wie Menschen leben wollten. Die Geschichte der Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten und ihrer Vorläufer. Bund Verlag, 1985.
  • Buschak, Willy: 125 Jahre für den Menschen Zur Geschichte der NGG. In: einigkeit, Zentralorgan der Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten, September 1990.
  • Satzung der Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten, gültig ab 1.Januar 2009.

Weblinks


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