Gotteskrieger

Gotteskrieger

Mit Gotteskrieger werden Menschen bezeichnet, die Kriege oder allgemein Waffengewalt befürworten, um den Einfluss ihrer Religion auszubauen, zu festigen oder zu verteidigen.

Inhaltsverzeichnis

Allgemeines

Das Wort fand in westlichen Medien während des afghanischen Bürgerkriegs als Umschreibung der Mudjahedin weite Verbreitung. In Folge der Terrorakte vom 11. September 2001 kam es kurzzeitig wieder in Mode, diesmal mit einer negativen Konnotation für die islamistisch motivierten Täter. Es wurde auch zum Unwort des Jahres 2001 gewählt. Die Jury begründete ihre Entscheidung damit, dass „kein Glaube an einen Gott gleich welcher Religion […] einen Krieg oder gar Terroranschläge rechtfertigen“ könne. Ein weiteres Synonym für (islamistischer) 'Gotteskrieger' ist 'Dschihadist' (engl.: 'Jihadist').

Manche Gotteskrieger sind bereit Selbstmordattentate zu verüben. Oft werden sie von islamistischen Organisationen indoktriniert, bevor sie sich dazu entschließen. Ihnen werden nach ihrem 'Märtyrertod' das Paradies und 72 Paradies-Jungfrauen in Aussicht gestellt (Christoph Luxenberg hält diese Islamstelle für unzutreffend übersetzt).

Gotteskrieger im iranisch-irakischen Krieg

Während des Iran-Irak-Krieges 1980 bis 1988 ("Erster Golfkrieg") importierte das iranische Regime 500.000 Plastikschlüssel. Nach damaligem iranischem Gesetz durften Kinder ab zwölf auch gegen den elterlichen Willen auf die Minenfelder. Vor jedem Einsatz wurde ihnen ein Schlüssel um den Hals gehängt; er sollte ihnen die Pforte zum Paradies öffnen. Freiwillige Kinder gingen (oder rollten sich) über Minenfelder.

Sie gehörten der von Khomeini ins Leben gerufenen Massenbewegung der Bassidschi an. Die Bassidschi-e Mostasafan („die Mobilisierten der Unterdrückten“) waren kurzfristig rekrutiert; sie zogen zu Tausenden und mit Begeisterung in den Tod. [1]

2006 wurde die Opferung der Bassidschi im Krieg gegen den Irak mehr denn je gefeiert. Der iranische Präsident Mahmud Achmadinedschad (er tritt öffentlich in der Uniform der Bassidschi auf) gehörte zu den Instrukteuren, die aus Kindern Märtyrer machten. In einer seiner ersten Fernsehansprachen schwärmte Achmadinedschad: „Gibt es Kunst, die schöner, göttlicher und ewiger wäre, als die Kunst des Märtyrertods?“ [2] Und Revolutionsführer Ali Chamene'i pries den Krieg gegen den Irak angesichts der Furchtlosigkeit der Bassidschi als Prototyp künftiger Auseinandersetzungen.

Im Kriegseinsatz der Bassidschi hat der im Iran praktizierte Kult des religiös motivierten Selbstmordattentats einen Anfangspunkt. Wer verstehen will, warum heute im palästinensischen Parlament eine Frau sitzt, die dafür verehrt wird, drei ihrer fünf Söhne in den Tod geschickt zu haben, oder warum sich auch heute noch zehntausende junge Iraner für Selbstmordattentate bewerben – kommt an den Bassidschi nicht vorbei.

Ihre Geschichte begann 1980 mit dem irakischen Angriff auf Iran, den Khomeini als einen willkommenen Vorwand nutzte, um Gesellschaft und Staatsapparat zu islamisieren. Schnell machte er die - ihm fanatisch ergebenen - Revolutionsgarden (Pasdaran) zu einer eigenständigen Armee. Gleichzeitig forcierte er den Aufbau einer Bassidschi-Volksmiliz. Während die Revolutionsgarden aus professionellen Soldaten bestanden, rtekrutierte man die Bassidschi unter männlichen Jugendlichen im Alter zwischen 12 und 17 sowie Männern über 45 Jahren. Binnen wenigen Wochen wurden sie auf den Krieg vorbereitet – vor allem religiös. Zum Abschluss erhielt jeder ein blutrotes Stirnband, das ihn als „Freiwilligen Märtyrer“ auszeichnete. Diese jungen Kämpfer, meist aus Dörfern stammend und häufig Analphabeten, machten etwa ein Drittel der iranischen Streitkräfte aus.

Die Kinder und Jugendliche mussten sich an der Front, kaum bewaffnet, in waagerechten Reihen vorwärts bewegen. Ob man als Kanonenfutter dem feindlichen Feuer entgegenlief oder Minen zur Explosion brachte: Wichtig war, dass die Bassidschi sich in immer neuen Wellen in den Tod warfen. Damit erzielte der Iran 1982 Anfangserfolge.

Bis zum Frühjahr 1983 hatten die Revolutionsgarden 450.000 Bassidschi an die Front kommandiert. Wer diesen Einsatz überlebte, kehrte nach drei Monaten aus dem Krieg zurück. 1982 wurden bei der Rückeroberung der Stadt Chorramschahr 10.000 Iraner getötet. Im Februar 1984 lagen nach der „Operation Kheiber“ 20.000 iranische Leichen auf dem Schlachtfeld. Bei der „Kerbala 4-Offensive“ starben über 10.000 Iraner.

Die Revolutionsgarden entsandten „außerordentliche“ Pädagogen an die Schulen, die bei den dortigen paramilitärischen Pflichtveranstaltungen Märtyrer rekrutierten. Propagandafilme wie der 1986 im iranischen Fernsehen gesendete Film „Eine Spende für den Krieg“ priesen das Bündnis zwischen Regime und Kind und geißelten Eltern, die das Leben ihrer Kinder zu retten versuchten. Außerdem gab es materielle Anreize: Im Rahmen der Kampagne „Opfere eines deiner Kinder dem Imam“ gewährte man jeder Familie, die ein Kind auf dem Schlachtfeld verlor, hohe zinsfreie Kredite sowie geldwerte Vorteile. Zudem bot das Mitwirken bei den Bassidschi den Armen die Chance auf eine Karriere – bis heute werden Bassidschi-Reservisten vom Iran protegiert. [3]

Siehe auch

Literatur

  • Alice Schwarzer et al.: Die Gotteskrieger und die falsche Toleranz. Kiepenheuer & Witsch 2002. 978-3462031058
  • Jürgen Elsässer: Wie der Dschihad nach Europa kam: Gotteskrieger und Geheimdienste auf dem Balkan. Homilius, 2008. 978-3897068407
  • Rolf Clement, Paul Elmar Jöris: Die Terroristen von nebenan: Gotteskrieger aus Deutschland. Mit einem Nachwort von Volker Perthes. Piper Verlag 2010. 978-3492053990

Weblinks

Wiktionary Wiktionary: Gotteskrieger – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen

Einzelnachweise

  1. „Die jungen Männer räumten mit ihren eigenen Körpern die Minen“, erzählte im Mai 2002 ein Kriegsveteran der Frankfurter Allgemeinen Zeitung, „es war zum Teil wie ein Wettrennen, ohne Befehl der Kommandeure, jeder wollte der erste sein.“
  2. Spiegel Online, Juni 2006: Die Kunst des Märtyrertods
  3. CICERO, Juni 2006: Kanonenfutter der Mullahs. Über die Bassidschi-Bewegung im Iran

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