Christoph Luxenberg

Christoph Luxenberg

Christoph Luxenberg ist das Pseudonym eines deutschsprachigen Koranforschers, dessen Identität bis heute (Stand 2011) unbekannt ist. Luxenberg verwendet ein Pseudonym, „weil jede wissenschaftliche Textkritik am Koran gleichzeitig eine Kritik an der in islamischen Ländern verwendeten politischen Sprache bedeutet“.[1]

Inhaltsverzeichnis

Hintergrund

Unter dem Pseudonym erschien im Jahr 2000 eine Abhandlung in deutscher Sprache mit dem Titel Die syro-aramäische Lesart des Koran – Ein Beitrag zur Entschlüsselung der Koransprache, die unter anderem durch Rezensionen in der Neuen Zürcher Zeitung (2001)[2] und der Zeit (2003)[3] einer breiteren Öffentlichkeit bekannt wurde. Die Arbeit ist laut Vorwort die Veröffentlichung eines „Bruchteil[s] umfangreicherer Untersuchungen zur Sprache des Koran“ und soll der Forschung „Anstöße zu einer ersten Diskussion über die Methoden und die daraus folgenden inhaltlichen Deutungen des Korantextes“ ermöglichen.

Das Buch

Luxenbergs Studie versteht sich formell als philologische Untersuchung, die vom sprachhistorischen Ansatz ausgeht und den Korantext mit textkritischen Methoden editiert. In der Diskussion um Mündlichkeit und Schriftlichkeit der frühen Koranüberlieferung nimmt Luxenberg im Gegensatz zur traditionellen islamischen Ansicht eine fehlende Kontinuität des mündlichen Teils an. Da Luxenberg von der Tatsache ausgeht, dass die frühen Koranhandschriften sowohl auf die diakritischen Punkte zur genauen Unterscheidung der Konsonanten (siehe Rasm) als auch auf die Vokalzeichen (siehe Arabisches Alphabet) verzichteten, geht er von einer Fehllesung zahlreicher ursprünglich aramäischer Ausdrücke durch Exegeten aus, die diese nicht mehr als solche erkannten und denen das mündliche Korrektiv fehlte. Folglich sei es ein historischer Irrtum anzunehmen, dass die nachträgliche Punktierung auf einer sicheren mündlichen Überlieferung beruhe.[4]

Luxenberg erörtert, dass bei diesen Abschriften potentielle Übertragungsfehler wie Auslassungen, Ergänzungen und Umdeutungen, aber auch willkürliche oder intendierte Veränderungen wie Verbesserungen und Analogieschlüsse gemacht wurden. Durch diese Fehllesungen, so Luxenberg, seien die vielen unklaren Stellen des Koran – deren Existenz auch andere Gelehrte nicht bestreiten – erst entstanden. Durch folgende strikt heuristische Arbeitsmethodik analysiert Luxenberg den koranischen Text unter einem ähnlichem philologischen Aspekt wie Alphonse Mingana Anfang des 20. Jahrhunderts, um zu einem schlüssigeren Verständnis zu gelangen: Luxenberg setzt zunächst den Korantext in seinen historischen Kontext, als Textgrundlage dient die kanonische Fassung der Kairoer Koranausgabe vom Jahre 1923/24. Danach sucht er nach anderen semantischen Bedeutungen des arabischen Ausdrucks (a), sucht nach homonymer Wurzel im Syro-Aramäischen, eigentlich Syrisch, der Begriff wird schwankend verwendet (b), unternimmt eine andere Lesung des Arabischen unter Abänderung der diakritischen Punkte (c), sucht nach anderer aramäischer Wurzel (d), rückübersetzt ins Aramäische, sucht nach Lehnbildungen (e), konsultiert syrisch-arabische Lexika des 10. Jh. n. Chr. (f), liest echt arabische Ausdrücke nach syrischem Lautsystem (g) und entschlüsselt über syro-aramäische Syntax (h). Bei der Lesung der Handschriften folgt Luxenberg grundsätzlich der lectio difficilior.[5]

Die Orientalistik nimmt zwar seit langem sowohl aramäische (sprachliche) als auch christliche, anti-trinitarische (inhaltliche) Einflüsse auf den frühen Islam an, folgt aber vielfach noch im Kern der islamischen Darstellung der Koranentstehung. Luxenberg geht hingegen von einer Garschuni-Vorlage des Korans aus, d.h. einer Vorlage, die ein – stark syro-aramäisch beeinflußtes – Arabisch mit syrischen Buchstaben geschrieben hatte. Er leitet das arabische Wort qur’ān (قرآن) über eine dem Propheten Mohammed zugeschriebene Lautung qɘryān (قرين) von aramäisch qɘryānā („Lektionar“) ab und setzt die Bibel der syrisch-aramäischen Christen mit der „Schrift“ gleich, auf die der Koran verschiedentlich Bezug nimmt – ähnlich wie die Lektionare der christlichen Kirchen sich auf die Bibel beziehen, ohne mit ihr identisch zu sein.

Die Annahme, der Koran sei durch göttliche Inspiration entstanden, betrachtet Luxenberg als „historischen Irrtum“. Vielmehr bezeuge der Koran selbst, dass bestimmte Teil nichts anderes seien als die Übertragung älterer christlicher (einschließlich jüdischer) liturgischer Texte.[6]

Luxenberg hat seine Thesen in Beiträgen zu Sammelbänden über die Anfänge des Islam weiter ausgeführt, die er zusammen mit Karl-Heinz Ohlig veröffentlichte (siehe Literatur).

Einige Neuinterpretationen von Koranstellen

Luxenbergs Ansatz führte ihn zu einer Reihe von eigenen Interpretationen von Koranversen und Suren:

  • Das Wort Koran führt er auf den syrischen Ausdruck qeryana zurück, das in der christlichen Liturgie ein Lektionar bezeichnet, also eine Anleitung für Liturgie und Predigt. Die These ist, dass ein Großteil des Koran auf die zum Teil missverstandene Übersetzung eines solchen syrischen Lektionars zurückgeht, der Hymnen und Auszüge aus der Bibel enthielt. Dieses Lektionar sei zum Zwecke der Mission ins Arabische übersetzt worden.[7]
  • Die koranische Phrase „hūr(in) ʿīn(in)“, die unbestritten nur so viel wie „weiße, äugige“ bedeutet, aber traditionell sich auf „weißäugige Jungfrauen“, die im Paradies den Gläubigen dienen (Koran 44:54, 52:20, 55:72, 56:22), beziehen soll, bedeutet laut Luxenberg ursprünglich „weiße, juwelengleiche“ als poetischer Hinweis auf Trauben. Der Koran nimmt also an diesen Stellen die seit Jahrhunderten vertraute christliche Paradiesvorstellung auf.[8]
  • Der Vers 31 der Sure 24 (an-Nur) bildet die koranische Grundlage im Islam für das Kopftuchgebot für Frauen. Wörtlich heißt die Stelle: „Sie [die Frauen] sollen ihre chumur über ihre Taschen schlagen“, wobei die eigentliche Bedeutung des chumur unklar ist, aber traditionell, etwa im Korankommentar des Tabari, als Kopftuch verstanden wird. Paret übersetzt mit „sie sollen ihren Schal sich über den (vom Halsausschnitt nach vorne heruntergehenden) Schlitz (des Kleides) ziehen“. Luxenberg hingegen sieht in chumur ein aramäisches Wort in der Bedeutung Gürtel und interpretiert die Stelle als „sie sollen sich ihre Gürtel um die Lenden binden“.
  • Die Stelle in Sure 33 (al-Ahzab), die von einem „Siegel der Propheten“ spricht und traditionell auf Mohammed bezogen wird, darf nach Luxenberg nicht im traditionellen Sinne verstanden werden, dass „Siegel der Propheten“ der letzte Prophet sei, sondern dass es der sei, der die Wahrheit der Propheten vor ihm „besiegelt“.
  • In der Sure 19 (Maryam, Mariensure) wird Vers 24 traditionell so verstanden: „Da rief er ihr von unten her zu: Sei nicht traurig! Dein Herr hat unter dir ein Rinnsal (sarie) (voll Wasser) gemacht“ (Übersetzung von Paret). Der Sinn des Rinnsals (oder des Bächleins) machte hier schon islamischen Kommentatoren des Mittelalters einige Schwierigkeiten. Luxenberg liest hier: „Da rief er ihr sogleich nach ihrer Niederkunft zu: ‚Sei nicht traurig, dein Herr hat deine Niederkunft legitim gemacht‘“.

Literatur

Weitere Presseberichte

Wissenschaftskolleg zu Berlin

Rezensionen

Von Original-Homepages

Von Seiten Dritter

Die folgenden Rezensionen sind zum Teil auf den Websites der entsprechenden Zeitschriften nicht vorhanden. Ihre Authentizität ist deshalb nicht gewährleistet.

Einzelnachweise

  1. Michael Briefs: Streit um Koran-Interpretation; Deutsche Welle, 26. August 2003
  2. Mona Naggar: Wie aramäisch ist der Koran? In: Neue Zürcher Zeitung, Zürich 3. Februar 2001.
  3. Jörg Lau: Keine Huris im Paradies; in: Die Zeit, Nr. 21, 15. Mai 2003.
  4. Luxenberg, 2007, Vorwort, S. 9ff
  5. Luxenberg, 2007, Die angewandte Arbeitsmethode, S. 23ff
  6. Luxenberg, 2007, S. 84-101
  7. Jim Quilty: Giving the Koran a history: Holy Book under scrutiny; The Daily Star; Lebanonwire, 12. Juli 2003
  8. Ibn Warraq: Virgins? What virgins?; The Guardian, 12. Januar 2002

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